20.11.2013 Aufrufe

Die Partei der Freiheit

Die Partei der Freiheit

Die Partei der Freiheit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Kapitel 5: <strong>Die</strong> Rolle <strong>der</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialisten beim Nie<strong>der</strong>gang des deutschen Liberalismus 193<br />

gestiitzte Theorie zu entwickeln, die ihre BefulWortung einer unbegrenzten Reihe<br />

staatlicher Ma13nahmen rechtfe11igen konnte (Blau, 1989, S. 27f.).<br />

<strong>Die</strong> Kehrseite <strong>der</strong> kathe<strong>der</strong>sozialistichen Staatsanbetung war die Herabsetzung<br />

<strong>der</strong> burgerlichen Gesellschaft, beson<strong>der</strong>s die sich selbst ordnende Marktwirtschaft.<br />

Selbst die "altere historische Schule" - vor aHem Hildebrand - harte sich<br />

gelegentlich in offener Feindschaft zur Marktordnung gezeigt (Pankoke, 1970, S.<br />

140ff.). Mit den Kathe<strong>der</strong>sozialisten - die stark von Marx und Lassalle, wie auch<br />

von Lorenz von Stein, Schaffle, Rodbertus und an<strong>der</strong>en Kritikem des Kapitalismus<br />

beeinfluBt waren - wurde diese Neigung ausgepragter. Haufig spiegelten ihre<br />

Lehren die <strong>der</strong> Sozialisten wi<strong>der</strong>. Schmoller, Wagner und an<strong>der</strong>en zufolge<br />

wohnte <strong>der</strong> kapitalistischen Gesellschaft die Tendenz zur Vertiefung <strong>der</strong> Einkommensunterschiede<br />

inne, was vom Verschwinden <strong>der</strong> Mittelklassen begleitet<br />

werde. 1876 pflichtete Schmoller in seinem Streit mit Treitschke <strong>der</strong> Theorie von<br />

<strong>der</strong> Verelendung <strong>der</strong> Proletarier bei. Wie er versicherte, ging angeblich aus<br />

Arbeitsmarkt- und Verbrauchsstatistiken hervor, daB "die groBen Einkommen und<br />

Vennogen bedeutend rascher wachsen, als <strong>der</strong> Gesamtwohlstand, und daB daneben<br />

die Klasse <strong>der</strong> Bevolkerung, die ohne Besitz von <strong>der</strong> Hand in den Mund lebt,<br />

heute sowohl absolut, als relativ eine groBere ist, als vor 10, vor 30 und 40 Jahren."<br />

Kurz, er behauptete, daB die Annut in Deutschland seit den l830er Jahren<br />

gewachsen sei (Schmoller, 1898, S. 175). Auch Wagner griff die Verteilung im<br />

freien Markt an, indem er Marx und Lassalle beschwor und die grundsatzliche<br />

Richtigkeit ihrer Kritik und - stillschweigend - <strong>der</strong> Marxschen Mehtwertlehre<br />

besHitigte (Kirchgdssner, 1991, S. 87f.).<br />

Schmoller blickte wohlwollend auf die deutschen Sozialdemokraten - solange<br />

sie sich revolutionarer Betatigungen enthielten. Wenn sie weiterhin Ftihrem wie<br />

Bebel, Vollmar, Auer und BetTIstein folgten, behauptete Schmoller, "so ist die<br />

Gefahr fUr unser Staatsleben und unsere Volkswirtschaft so ziemlich beseitigt."<br />

(Schmoller, 1913, S. 302) Fur ihren Teil zogen die Sozialdemokraten, wie ein<br />

Kritiker bemerkte, "nur die praktischen Konsequenzen aus den allgemeinen Satzen,<br />

welche die Kathe<strong>der</strong>sozialisten aufgestellt haben." (Pohle, 1911, S. 29, Fn.<br />

l) 1m Wettbewerb urn die offentliche Meinung elWies sich diese gegenseitige<br />

BesHirkung fur beide Seiten als zweckdienlich: Verlierer waren lediglich die<br />

doktrinaren Liberalen, die, wie Kathe<strong>der</strong>- und StraBensozialisten tibereinstimmend<br />

fanden, sowieso bloB Apologeten des venufenen kapitalistischen Regimes<br />

waren.<br />

Wie sehr Schmoller das Recht auf Privateigentum abwertete, veranschaulicht<br />

eine Erklarung, die zugleich fur die Schriftsteller <strong>der</strong> historischen Schule charakteristisch<br />

ist:<br />

"Das Eigentum ist kein absolutes~ <strong>der</strong> Wert des Eigentums ist immer mehr Folge<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft als Verdienst des einzelnen~ je<strong>der</strong> einzelne ist <strong>der</strong> Gesellschaft und<br />

dem Staate so tausendfach verpflichtet, daB sein Eigentum nur denkbar ist mit<br />

weitgehenden Verpflichtungen und Lasten gegen das Ganze." (Schmoller, 1870, S.<br />

686; Philippovich, 1908, S. XXXI: 45).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!