Die Partei der Freiheit
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Kapitel 5: <strong>Die</strong> Rolle <strong>der</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialisten beim Nie<strong>der</strong>gang des deutschen Liberalismus 191<br />
gen gespielt hatte. Fur Schmoller war die staatliche Biirokratie einfach "das<br />
Beste, was Deutschland hat." (Schmoller, 1922, S. 16) Selbst in Kreisen, in<br />
denen die Verherrlichung des preuBischen Staates und seiner Burokratie keineswegs<br />
selten anzutreffen war, ragte Schmoller noch hervor. Otto Hintze bemerkte,<br />
daB Schmollers Stellung als Fuhrer del' sozialpolitischen Bewegung zu einem<br />
groBen Teil darauf beruhte, "daB er VOl' allem auch von einem so groBartigen<br />
Vertrauen zur LeistungsHihigkeit del' Staatsgewalt und des Beamtentums von jeher<br />
erfullt war." (Hintze, 1918, S. 13) Schmoller fur seinen Teil erfreute sich, vor<br />
allem wahrend seiner funfunddreiBig Jahre als Ordinarius in Berlin, engel' und<br />
einfluBreicher Beziehungen zu zahlreichen hohen Vertretem des Staates; er war<br />
Mitglied des Staatsrates (ab 1884), Vertreter del' Berliner Universitat im<br />
preuBischen Herrenhaus (ab 1899) und ein fuhrendes Mitglied del' koniglichpreuBischen<br />
Akademie del' Wissenschaften.<br />
Auch unter den an<strong>der</strong>en Kathe<strong>der</strong>sozialisten waren Lobpreisungen del' eigenen<br />
Schutzherren und Schuler in del' Burokratie ublich. Heim-ich Herkner, <strong>der</strong><br />
Schmollers Lehrstuhl in Berlin und auch den Vorsitz des Vereins fur Socialpolitik<br />
erbte, lobte "die unubertroffene Integritat und LeistungsHihigkeit unseres Beamtentums,"<br />
die mit del' ,,'moralischen Energie' unseres Staates [...] namrlich die<br />
vomehmste Voraussetzung des ganzen Kathe<strong>der</strong>sozialismus [bildet]."<br />
(Lindenlaub, 1967, S. 167) Gustav Cohn pflichtete Adolph Wagners "Gesetz"<br />
bei, demzufolge die Ausbreitung del' Kultur von einem zunehmenden Wirkungskreis<br />
<strong>der</strong> Regierung begleitet werde (was in Wirklichkeit eine Obung in reiner<br />
Ideologie war 24), und behauptete, daB "die Hohe del' Kultur" notwendig "del'<br />
Hohe und dem Reichtum del' staatlichen Sphare" entspricht. Cohn postulierte<br />
eine "uberlegene Vemunft des Staates im Vergleiche zu den Einzelhaushaltungen,"<br />
was aus dem Umstand hervorgeht, daB die staatlichen "Bedurfnisse uberhaupt<br />
durch einen LauterungsprozeB del' Vemunft hindurchgehen odeI' die<br />
Erzeugnisse velnunftiger ElWagung sind." (Lindenlaub, 1967, S. 114)<br />
Selbst Lujo Brentano, del' als del' "liberalste" Kathe<strong>der</strong>sozialist gilt - was zum<br />
Teil auf seine Gegnerschaft zum Protektionismus zUrUckgefuhrt werden kann -,<br />
vertrat zuweilen Ansichten, die del' For<strong>der</strong>ung nach staatlicher Allgewalt gleichkamen.<br />
1871 erkHirte er, daB del' Begriff del' staatlichen "Einmischung" uberhaupt<br />
keinen Sinn ergebe. Denn was konnte "Einmischung" an<strong>der</strong>es heiBen als "ein<br />
unberechtigtes Eingreifen eines Fremden in die Angelegenheiten eines Andem."<br />
Doch del' Staat sei kein Frem<strong>der</strong>; er ist die Organisation des Volkes, odeI' sollte<br />
sie sein, und "die Regierung nichts als del' namrliche Brennpunkt des Volkslebens.<br />
Alles, worin sich dies Volksleben auBert, kann ihnen nicht fremd sein."<br />
Daher muB sich del' staatliche Wirkungskreis auf das "ganze Kulturleben" des<br />
Volkes ausweiten.<br />
Brentanos Gedankenfuhtung nahm sogar eine eigenmmlich rousseauistische<br />
Wendung. Da "del' Staat wirklich die Organisation des Yolks ist und die Regie-<br />
24 Vgl. Habermann (1997, S. 208f.) und die dart zitierten Quellen.