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Die Partei der Freiheit

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190 Ralph Raico: <strong>Die</strong> <strong>Partei</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />

tik vertreten wurde, war <strong>der</strong> Staat - in den WOlten eines Gelemten - <strong>der</strong> "irdische<br />

Gott."22<br />

Auf <strong>der</strong> Griindungstagung des Vereins im Jahre 1872 verkiindete Schmoller,<br />

was das Hauptanliegen und die raison d'etre <strong>der</strong> Gruppe werden soUte: <strong>Die</strong> Verdrangung<br />

des liberalen Begriffs vom Staat als ein notwendiges Obel durch die<br />

Auffassung vom Staat als "das groBartigste sittliche Institut zur Erziehung des<br />

Menschengeschlechts." (Schmoller, 1890, S. 9) <strong>Die</strong> Welt des Wirtschaftsliberalismus<br />

sei ein amoralisches Hobbes'sches Chaos. SchmoUer zufolge war "<strong>der</strong><br />

Standpunkt des Manchestermanns":<br />

bloBe QuantiHiten, bloBe Machtverhaltnisse sollen und mussen die Einkomlnensverteilung<br />

beherrschen; da gibt es nichts Gerechtes und nichts Ungerechtes; <strong>der</strong><br />

Starke nimmt, <strong>der</strong> Schwache mag sehen, was ihm ubrig bleibt. Das ist die Natur<br />

<strong>der</strong> Wirtschaft (Schmoller, 1898, S. 96).<br />

<strong>Die</strong>se vor-ethische, im eigentlichen Sinne animalische Auffassung sollte durch<br />

ein umfassendes sozialpolitisches Programm, das auf ethischen Standards fuBte,<br />

ersetzt werden. Der Staat habe keine geringere Aufgabe, als "die verschiedenen<br />

berechtigten Zwecke del' Menschheit [...] durch richtige Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

und richtige Wechselwirkung unter den GliedelTI in HalIDonie und Ordnung"<br />

zu bringen (Pankoke, 1970, S. 152).<br />

Natiirlich setzte die Gestaltung <strong>der</strong> Gesellschaft in solch einer GroBenordnung<br />

ungeheure Fahigkeiten bei denen voraus, die mit ihr betraut waren. Demzufolge<br />

hatten Schmoller und die meisten an<strong>der</strong>en Sozialrefonner eine auBerst hohe Meinung<br />

tiber den Wert und die Berufung staatlicher Funktionare. Schmoller selbst<br />

war vaterlicherseits Abkommling einer Familie, die dem wiirttembergischen Staat<br />

seit dem 17. Jahrhun<strong>der</strong>t gedient hatte; als Jiingling absolvierte er seine Lehrzeit<br />

als Beamter unter Aufsicht seines Vaters (An<strong>der</strong>son, 1971, S. 41). Schmoller betrachtete<br />

die Btirokratie mit Hegel als den "allgemeinen Stand," <strong>der</strong> tiber den<br />

Streitigkeiten del' btirgerlichen Gesellschaft stehe. 23 Seine groBte Furcht bestand<br />

scheinbar darin, daB die Gesellschaft ohne amtliche Aufsicht in eine Art Urholle<br />

zUriickfallen werde.<br />

Schmollers Studium del' preuBischen Geschichte hatte ibn von <strong>der</strong> herausragenden<br />

und verdienstvollen Rolle tiberzeugt, die das Beamtentum bei <strong>der</strong> Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Nation, einschlieBlich <strong>der</strong> Ftiluung wilischaftlicher Untelnehmun-<br />

22 Stolleis (1979, S. 398). Wie<strong>der</strong>um waren Brentano und seine Anhanger die Ausnahme zu<br />

dieser Verallgemeinerung. Ein Wirtschaftsliberaler wie Melchior Palyi riihmte in seinem<br />

Werk Compulsory Medical Care and the Welfare State (1950, S. 144f.) Brentano dafur, auf<br />

die beste Lasung fur die Sozialversicherung, die ein Minimum an Zwang mit sich brachte,<br />

gekommen zu sein. Zum gesamten Fragenkreis <strong>der</strong> politischen und wirtschaftlichen Ansichten<br />

<strong>der</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialisten vgl. die iiberzeugende Untersuchung in Habermann (1997).<br />

23 Schmoller bezeichnete die Krone und den affentlichen <strong>Die</strong>nst als "diese berufensten Vertreter<br />

des Staatsgedankens, diese einzig neutralen Elemente im sozialen Klassenkampf [oo.]'" Vogel<br />

(1951, S. 72).

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