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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 5: <strong>Die</strong> Rolle <strong>der</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialisten beim Nie<strong>der</strong>gang des deutschen Liberalismus 189<br />

stand die okonomische Literatur in Deutschland weitenteils unter dem EinfluB<br />

<strong>der</strong> historischen Schule (Winkel, 1977, S. 120).<br />

Am bemerkenswertesten war die Bekeluung unter den Beamten. Hermann<br />

Wagener harte geklagt, daB in den 1870er und 1880er Jahren "gerade in <strong>der</strong><br />

Dberzeugungstreue eines in manchesterlichen und liberalen Traditionen aufgewachsenen<br />

Beamtentums" <strong>der</strong> "wesentliche[] Grund fur den relativen Stillstand<br />

<strong>der</strong> Sozialrefonn" zu suchen war (Wagener, 1884, S. 75f.). Doch bereits 1905<br />

notierte <strong>der</strong> preuBische Karrierebeamte von Zedlitz-Neukirch die feindliche Haltung,<br />

die geschaftlichen Untemehmungen selbst in <strong>der</strong> gehobenen Burokratie<br />

entgegenschlug. <strong>Die</strong>se Einstellung wurde durch die "kathedel'sozialistische<br />

Schulweisheit" bestarkt, welche aufstrebenden jungen Burokraten in den Universitatsjahren<br />

vermirtelt wurde und die dazu beiuug, daB "im Beamtentum die unbewuBte<br />

Tendenz einer Erweitelung <strong>der</strong> Grenzen <strong>der</strong> Staatsgewalt als Selbstzweck"<br />

(Zedlitz-Neukirch, 1905, S. 46) erzeugt wurde. Noch 1913 stellte Andreas<br />

Voigt uneingeschrankt fest: "die Tatsache, daB die Abneigung [gegen den privaten<br />

Untemehmer] besteht und infolge <strong>der</strong> Lehren, die seit 40 Jahren von deutschen<br />

Kathedem verkundigt werden, in del' Beamtenschaft tief eingewul'zelt ist,<br />

laBt sich nicht bestreiten." (Voigt, 1913, S. 4)<br />

II. <strong>Die</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialisteo, <strong>der</strong> Staat uod <strong>der</strong> Sozialismus<br />

Obschon es zwischen den Kathedel'sozialisten ideologische Diffel'enzen gab,20<br />

standen sie im groBen und ganzen in einer langen Tradition deutschen okonomischen<br />

Denkens, die bis Fichte und Adam Muller zuriickreicht. Sie setzte sich im<br />

spateren 19. Jahrhun<strong>der</strong>t mit Rodbertus, Lorenz von Stein und an<strong>der</strong>en fort, und<br />

im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t umfaBte sie die Fursprecher des Kriegssozialismus und<br />

schlieBlich die Ideologen des Nationalsozialismus. 21 In je<strong>der</strong> Phase stellt diese<br />

Tradition eine bewuBte Reaktion gegen das dar, was ihre Anhanger als den<br />

Hauptstrom des okonomischen Denkens ansahen und was als westlich (vorwiegend<br />

britisch, aber auch franzosisch und, spater, osterreichisch), individualistisch<br />

und weltbul'gerlich gekennzeichnet wurde. Hingegen stimmten diese deutschen<br />

Denker, trotz all ihrer Meinungsverschiedenheiten, darin uberein, daB die nationale<br />

Gemeinschaft, <strong>der</strong>en hochste und edelste Verkorperung <strong>der</strong> Staat sei, in den<br />

Mittelpunkt des wirtschaftlichen und sozialen Lebens uberhaupt zu riicken sei.<br />

Fur diese Richtung, die in <strong>der</strong> kaiserlichen Zeit durch den Verein fur Socialpoli-<br />

20 Zu den Unterschieden zwischen "Sozialliberalen'" und "Sozialkonservativen'" vgl. Brentano<br />

(1931, S. 82ff.)~ auch Lindenlaub (1967, S. 86f) sowie Pribram (1925, S. 225ff.).<br />

21 Barkai (1977, S. 59ff.). Interessanterweise la-Bt sich in <strong>der</strong> ganzen Tradition von Adam<br />

Muller his zu den Nationalsozialisten und insbeson<strong>der</strong>e bei den Kathe<strong>der</strong>sozialisten Georg<br />

Friedrich Knapp und Adolph Wagner <strong>der</strong> Leitgedanke tinden, daB Geld eine reine Erschaffung<br />

des Staates ist und daB folglich eine reine Papierwahrung dem Goldstandard vorzuziehen<br />

sei (siehe ebenda, S. 63ff., 70f).

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