Die Partei der Freiheit
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188 Ralph Raico: <strong>Die</strong> <strong>Partei</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
Gradeine Abwehrreaktion gegen Kritik wie die von Voigt geauBerte, gewesen<br />
sein. Zuvor, im Jahre 1893, hatte etwa <strong>der</strong> einfluBreiche Kathe<strong>der</strong>sozialist<br />
Wilhelm Lexis aus Gottingen in seiner Besprechung von Julius Wolfs Sozialismus<br />
und kapitalistische (Jesellschaftsordnung bemerkt: "<strong>Die</strong> nicht-sozialistische<br />
Nationalokonomie halt sich seit einer Reihe von Jahren in Deutschland vOlwiegend<br />
auf <strong>der</strong> Defensive [...] Es gehorte daher eine gewisse Kuhnheit dazu, wenn<br />
1. Wolf [...] wie<strong>der</strong> einmal offensiv rur die bestehende Wirtschaftsordnung eingetreten<br />
ist." (vom Bruch, 1980, S. 305). Viel spater gab Heim'ich Herkner, <strong>der</strong><br />
Schmoller als Prasident des Vereins fur Socialpolitik nachfolgte, zu, daB die Einstellung<br />
<strong>der</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialisten zum Sozialismus zwischen "Wohlwollen, Neutralitat<br />
und defensiver Stellungnahme geschwankt" habe (Habermann, 1997, S.<br />
295f.).<br />
Neben ihrer Beherrschung <strong>der</strong> Universitatsposten und ihrem Zugang zur<br />
Presse, wo ihre AuBerungen als "das Urteil <strong>der</strong> Wissenschaft selbst" (Pohle,<br />
1911, S. 129f.) aufgenommen wurden, wirkten die Kathe<strong>der</strong>sozialisten meinungsbildend<br />
durch die Tagungen und Veroffentlichungen des Vereins fur Socialpolitik.<br />
Deutschland wurde "mit einem Netz sozialreformerischer Ideen"<br />
(Lindenlaub, 1967, S. 29) uberdeckt. Viele von den 134 Banden eingehen<strong>der</strong><br />
Forschungen, die bis 1914 veroffentlicht wurden, dienten praktisch als Anklageschriften<br />
zu einzelnen Fehlem und MiBstanden des bestehenden Systems, und<br />
je<strong>der</strong> davon rief nach staatlichem Handeln. Nach dem Ersten Weltkrieg erinnerte<br />
sich ein sozialdemokratischer Fuhrer daran, wie wertvoll die vom Verein gesammelten<br />
Daten rur seine <strong>Partei</strong> im "Wirtschaftskampf' (Lindenlaub, 1967, S. 28)<br />
gewesen seien. <strong>Die</strong> Aktivitaten des Vereins beeinfluBten sowohl die katholische<br />
Zentrumspartei, als auch durch den Evangelisch-Sozialen KongreB, die protestantische<br />
Gemeinde Deutschlands. 18<br />
Das Hauptziel <strong>der</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialisten, namlich einen Meinungsumschwung in<br />
<strong>der</strong> gebildeten Bourgeoisie und insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> Burokratie 19 zu bewirken,<br />
wurde in groBem MaBe erreicht. Abneigung gegenuber Marktwirtschaft und Begeisterung<br />
fur Staatseingriffe wurden zu Gemeinplatzen des politischen Denkens<br />
in Deutschland. Kurz nach Schmollers Tod konnte Otto Hintze im Jahre 1917<br />
sagen, daB die sozialpolitischen For<strong>der</strong>ungen, die Schmoller bereits in den 1860er<br />
und 1870er lahren erhoben hatte, ,ja heute Gemeingut unserer offentlichen Meinung<br />
geworden sind." (Hintze, 1918, S. 12) Sogar bis in die 1920er Jahre hinein<br />
18 1912 konnte Schmoller bei einer Darstellung des Eintlusses, den die Ideen seiner Schule auf<br />
die politischen <strong>Partei</strong>en und die Regierung hatten, an Brentano schreiben: "Wie oft haben Sie<br />
selbst gesagt, die ganze kathol. Sozialpolitik schreibe, mit Hertling an <strong>der</strong> Spitze, unsere<br />
Schriften aus." Lindenlaub (1967, S. 149~ vgl. auch S. 29).<br />
19 Siehe Herkner (1923, S. 93): "Nach <strong>der</strong> Auffassung <strong>der</strong> Vereinsgriln<strong>der</strong> sollte Deutschland in<br />
<strong>der</strong> Hauptsache von einem wissenschaftlich hochgebildeten, tiber den Klasseninteressen und<br />
<strong>Partei</strong>en stehenden Beamtentum regiert werden [...] es [kam] darauf an, das Beamtentum zu<br />
erziehen und dann'die Plane eines sozial- und wirtschaftspolitisch erleuchteten Beamtentums<br />
nach Umbildung <strong>der</strong> offentlichen Meinung politisch realisierbar zu machen."