Die Partei der Freiheit
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Kapitel 5: <strong>Die</strong> Rolle <strong>der</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialisten beim Nie<strong>der</strong>gang des deutschen Liberalismus 187<br />
Von ihrem aktivistisehen Standpunkt aus gesehen, stellten die Fiirspreeher <strong>der</strong><br />
Sozialpolitik ihre HelTschaft iiber den Hochsehulbereieh in den <strong>Die</strong>nst einer<br />
guten Saehe. Joseph Sehumpeter bemerkte: "<strong>Die</strong> deutsehen ,Kathe<strong>der</strong>sozialisten'<br />
entsprachen sicherlich genau dem Ideal des f011sehrittlichen Politikers und Laien<br />
- clem Ideal vom Professor, <strong>der</strong> Refolmen predigt und obstruktive Interessen veru11eilt.<br />
Lujo Brentano wandte sieh an seine Auditorien wie an eine politisehe<br />
Versammlung und emtete Zustimmung und Beifall. Adolf Wagner sehrie und<br />
stampfte mit den FuBen auf das Katherpodest und drohte imaginaren GegnelTI mit<br />
den Fausten [...]"16 Andreas Voigt, ein Okonom, <strong>der</strong> seine Ausbildung unter dem<br />
Sehmoller-Althoff-Regime erhielt, erinnerte sich spater:<br />
"Namentlieh diejenigen, <strong>der</strong>en Studienzeit in die erste ,heroisehe' Zeit des Kathe<strong>der</strong>sozialismus<br />
faHt, erinnern sieh noch sehr lebhaft <strong>der</strong> Stimmung, wie sie damals<br />
auf deutschen Hochschulen herrschte. Es galt unter den Studierenden geradezu als<br />
ein Merkmal <strong>der</strong> ,Wissenschaftlichkeit', daB man moglichst weitherzig tiber den<br />
Sozialismus urteilte, denn wir wurden belehrt, daB dieser in <strong>der</strong> Kritik <strong>der</strong> bestehenden<br />
Wirtsehaftsordnung im Grunde voHkommen Recht habe, und daB nur die<br />
revolutionare Taktik <strong>der</strong> Sozialdemokratie abzulehnen sei. DaB wir diesem nolens<br />
volens zusteuerten, stand fest, war wissenschaftlich bewiesen." (Voigt, 1913, S. 1)<br />
Adolph Wagner mochte - wie Schmoller und an<strong>der</strong>e damals und wie einige<br />
Historiker seither - durehaus einwenden: "Sozialismus im eigentliehen Sinne des<br />
Wortes war <strong>der</strong> sogenannte Kathe<strong>der</strong>sozialismus niemals." 17 Doeh Voigt weist<br />
naehdriieklieh daraufhin, daB aIle, die in dieser Zeit studierten, wuBten, daB<br />
"<strong>der</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialismus die Jugend zum SozialislTIUS erzogen hat [... ] Nur das<br />
,KlassenbewuBtsein' des einzelnen entschied damber, ob man Sozialdemokrat, Sozialaristokrat<br />
o<strong>der</strong> Sozialmonarchist wurde. [...] Auf diesem Wege ist <strong>der</strong> sozialistische<br />
Geist auch in das Beamtentum eingedrungen." (Voigt, 1913, S. 2)<br />
Was den Wirtsehaftsliberalismus anbelangt - ",Manehesteltum', wie er aussehlieBlieh<br />
genannt wurde" - so spraeh man von ihm "wie von einer geistigen<br />
Verirrung, die nunmehr vollkommen und endgiiltig iiberwunden sei." (Voigt,<br />
1913, S. 2) In <strong>der</strong> Tat mogen die Proteste <strong>der</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialisten gegen jede<br />
Gleiehsetzung ihrer Ansichten mit dem Sozialismus an sich zu einem gewissen<br />
16 Schumpeter (1965, S. 980). Pohle (1911, S. 22), beobachtete, daB es sich in deutschen Universitaten<br />
<strong>der</strong> Vorkriegszeit weniger darum handelte, den Verstand <strong>der</strong> Studenten zu schulen<br />
als vielmehr ihren Willen~ anstatt Wissen tiber wirtschaftliche Tatsachen und Zusammenhange<br />
zu vermitteln, versuchten die Lehrer, "das soziale Gewissen zu erwecken, die Stimmung<br />
im Horer hervorzurufen, die ibn fur sozialpolitische Eingriffe aller Art geneigt macht<br />
[...] das ganze Betrieb ist darauf eingestelIt, Gesinnungen bestinunter Art zu erzeugen.'"<br />
17 Voigt (1913, S. 2). Wenn das, was die Kathe<strong>der</strong>sozialisten etwa tiber den Sozialismus glaubten,<br />
wirklich von dem abwich, was sie <strong>der</strong> Auffassung ihrer Studenten nach sagten, so mag<br />
das wohl auf die Eigenschaft dieser Schule zUrUckgefuhrt werden, daB, wie Pohle (1911, S.<br />
viii), erkannte, "die Mehrzahl von ihnen es tiberhaupt nicht liebt, in theoretischer Hinsicht<br />
klare Farben zu bekennen, daB sie sich vielmehr in einem gewissen theoretischen Halbdunkel,<br />
in moglichster Verschwommenheit <strong>der</strong> zugrunde liegenden theoretischen Auffassungen am<br />
wohlsten fuhlen.'"