Die Partei der Freiheit
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Kapitel 5: <strong>Die</strong> Rolle <strong>der</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialisten beim Nie<strong>der</strong>gang des deutschen Liberalismus 185<br />
nicht ergriinden konne."ll Nach Urteil von Bonn und an<strong>der</strong>en sollte dieser<br />
durchgangige "Relativismus" katastrophale Folgen fur Deutschland haben, als<br />
einfluBreiche Burokraten, die nach Art <strong>der</strong> historischen Schule erzogen worden<br />
waren, gezwungen waren, mit Problemen wie <strong>der</strong> Hyperinflation <strong>der</strong> friihen<br />
1920er Jahre fertig zu werden.<br />
* * *<br />
<strong>Die</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialisten trugen in <strong>der</strong> Regel nur wenig zur unmittelbaren Formulierung<br />
und Verabschiedung <strong>der</strong> Bismarckschen Sozialversicherungsentwiirfe<br />
bei. Ihre Haltungen zu dessen Planen variierten in <strong>der</strong> Tat zwischen allgemeiner<br />
Unterstiitzung (Wagner) uber unschlussige Zweideutigkeit bis hin zu direkter<br />
Gegnerschaft (Lujo Brentano) (vgl. Vogel, 1951, S. 67ff.; Schuller, 1899, S.<br />
97ff., 108ff.). <strong>Die</strong> entscheidende Bedeutung, die diesen Gelehrten bei <strong>der</strong> Herausbildung<br />
des ersten modemen Wohlfahrtsstaates zukam, war jedoch zweifach.<br />
Erstens predigten sie ab Ende <strong>der</strong> 1860er Jahre standig die dringende Notwendigkeit,<br />
daB <strong>der</strong> Staat sich "<strong>der</strong> sozialen Frage" annehme. In groBem MaBe zeichneten<br />
sie dafur verantwortlich, daB die Laissez-faire-Lehre ("Manchestertum") in<br />
Verruf geriet, und ebneten dadurch Bismarcks Programm den Weg (Vogel, 1951,<br />
S. 80f.).Zweitens waren sie in <strong>der</strong> Zeit nach den Bismarckschen Reformen die<br />
Vorkampfer einer weitreichenden Sozialpolitik, indem sie eine endlose Reihe<br />
"sozialer Obel" aufdeckten und bekanntmachten und indem sie, wie zuvor, daran<br />
arbeiteten, die offentliche und die offizielle Meinung ftir staatliches Eingreifen zu<br />
gewlnnen.<br />
Es konnen kaum Zweifel daran aufkommen, daB die herausragende Stellung,<br />
die diese reformierenden Gelehrten erlangten, weitgehend ihrer Verbindung zum<br />
Staat zu verdanken ist. 1m Blick auf die Entstehungsphase des Sozialstaates analysierte<br />
Ludwig Bamberger Ende des letzten Jahrhundelts mit ironischen Worten<br />
den <strong>Die</strong>nst, den <strong>der</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialismus in den Augen eines Regimes leitete, das<br />
den Aufstieg des revolutionaren Sozialismus ftirchtete: "Man nimmt das sozialistische<br />
Gift, tibertragt es auf das Professoren- und Mandarinentum, und, nachdem<br />
es darin gezuchtet, spritzt man es in verdunntem Zustand dem Volkskorper ein, in<br />
<strong>der</strong> Hoffnung, ihn damit gegen die groBe sozialistische Ansteckung immun zu<br />
machen." Doch die Wahlen brachten eine standig zunehmende Unterstiitzung ftir<br />
die Sozialdemokraten und zeigten somit, daB diese Strategie nicht funktionierte.1<br />
2 Immerhin war die Lage aber so, "daB in auBerordentlich kurzer Zeit ein<br />
Akademiker <strong>der</strong> Nationalokonomie alten Stils eine Seltenheit geworden war,"<br />
und "die Stichworte, die [<strong>der</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialismus] aus den Katechismen von<br />
11 Bonn (1953, S. 53). Bonn bemerkte auf S.51: "Gustav Schmoller war eine Macht im Lande~<br />
fast aBe Berufungen auf Lehrstiihle <strong>der</strong> Wirtschaftswissenschaft ergingen auf seine Empfehlung."<br />
12 Bamberger (1898a, S. 81f). Es mag jedoch sein, daB Bamberger hier die Methode durchschaute,<br />
mit <strong>der</strong> die deutsche Sozialdemokratie fur das kaiserliche System relativ harmlos<br />
gemacht wurde.