Die Partei der Freiheit
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Kapitel 4: Der Aufttieg des mo<strong>der</strong>nen Woh?fahrtsstaates und die liberale Antwort 177<br />
Deswegen muBte aus Sicht del' Liberalen die leichte Verffigbarkeit del' Staatsmacht<br />
ffir eine nie endende Reihe von WohlfahrtsmaBnahmen den Charakter und<br />
unterschwellig auch die Mentalitat des Volkes verandem. Das ist ein Feld, dem <br />
wahrscheinlich ob seiner immensen Komplexitat - von Ristorikem nicht viel<br />
Aufmerksamkeit zuteil wurde. Doch in del' liberalen Kritik del' Anfange des<br />
Wohlfahrtsstaates steht es im Mittelpunkt des Interesses. <strong>Die</strong> Menschheit - wie in<br />
del' Tocquevilleschen Vision - in eine "Herde verschfichte11er und fleiBiger Tiere<br />
mit del' Regierung als Rirten" (de Tocqueville, 1992, S. 837) verwandelt - das<br />
war die albtraumhafte Umkehrung des liberalen Ideals. <strong>Die</strong> Teilung del' Menschheit<br />
in Schmiede und Geschmiedete war nach Meinung del' Liberalen ein impliziter<br />
Bestandteil del' Lehre, del' die deutschen For<strong>der</strong>er des Wohlfahrtsstaates<br />
anhingen, auch wenn sie in diesel' Hinsicht nicht so unvetfroren waren wie ihre<br />
skandinavischen Vettem. 36 Am Ende des Weges stand del' Sozialingenieur, del'<br />
sich, wie spateI' Gunnar Myrdal, mit tiefer Befriedigung in Betrachtungen tiber<br />
die Geffigigkeit <strong>der</strong> menschlichen Natur ergehen wtirde:<br />
"Wie Haustiere haben Menschen, die in einem westlichen Typus regulierter nationaler<br />
Gemeinschaften aufwachsen, keine wirkliche Vorstellung mehr vom wil<strong>der</strong>en<br />
Leben. Fur den nachdenklichen Sozialwissenschaftler wird die Anpassungsfahigkeit<br />
des Menschentieres an neue Bedingungen niemals authoren, eines <strong>der</strong> Weltwun<strong>der</strong><br />
zu sein" (Sandmo, 1991, S. 221).<br />
IV. <strong>Die</strong> Foigen<br />
In del' Debatte tiber das Unfallversicherungsgesetz erklarte Bamberger verfruht:<br />
"Es ist del' letzte Kampf des gebundenen Staats gegen den Staat del' freien<br />
Entwicklung, und die freie Entwicklung wird siegen." Doch nahezu im gleichen<br />
Atemzug raumte er ein: "von heute und von hier an beginnt eine neue Zeit."<br />
(SBR, 1881a, S. 680f.) In del' Tat war die Kritik del' Liberalen an den Sozialversicherungsplanen<br />
von Beginn an von del' prophetischen Ahnung getragen, daB sich<br />
Deutschland - und womoglich die Welt - auf eine verhangnisvolle Reise begeben<br />
werde, die kein gutes Ende versprach. Bamberger empfahl den Abgeordneten ftir<br />
den Fall del' Annahme <strong>der</strong> Unfallversicherungsvorlage, daB sie fiber die Ttir "das<br />
wachst und wachst. <strong>Die</strong> meisten Burger sehen den politischen ProzeB als Mittel, um die Kuhe<br />
an<strong>der</strong>er zu melken, vermittels <strong>der</strong> groBen Melkmaschine ,Staat.""<br />
36 Es ist unklar, warum <strong>der</strong> universelle patemalistische Antrieb <strong>der</strong> Sozialstaatlichkeit im Fall<br />
<strong>der</strong> "wohlwollenden" skandinavischen Wohlfahrtsstaaten am unverhiilltesten auftrat. Der<br />
Norweger Ragnar Frisch war z. B. <strong>der</strong> Meinung, daB Konsummuster, die auf individuellen<br />
Entseheidungen beruhten, "ein Echo vergangener Zeiten" seien und von Gesellsehaftsplanem<br />
nieht beaehtet werden sollten. Letztere sollten sich stattdessen Modellen zuwenden, die sich<br />
auf die Erkenntnisse def Medizin und def Physiologie sttitzten. In Schweden dfangte Alva<br />
Myrdal darauf, die Mobelindustrie unter gesellschaftliehe Kontrolle zu bringen, da anne Familien<br />
bei <strong>der</strong> Ausstattung ihrer Wohnungen irrationale Entscheidungen trafen, indem sie<br />
etwa zuviel Geld fur breite Sofas ausgaben. Sandmo (1991, S. 219f.).