Die Partei der Freiheit
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Kapitel 4: Der Aufstieg des mo<strong>der</strong>nen Woh~fahrtsstaates und die liberale Antwort 171<br />
bung erkennen, sobald sie erst einmal glundsatzlich angenommen war. <strong>Die</strong> <strong>der</strong><br />
Wahlerentscheidung unterworfene Politik wiirde dafur sorgen, daB sich die<br />
Wohltaten astronomisch vermehrten. <strong>Die</strong> Vorstellung, daB das Vermogen <strong>der</strong><br />
"Reichen" - <strong>der</strong> etwa 8.000 Individuen in Deutschland, <strong>der</strong>en Jahreseinkommen<br />
20.000 Mark uberstieg - genugen wiirde, all diese nationalen Programme zu<br />
finanzieren, sei absurd: "die massenhaften Bedurfnisse des Staates [konnen] nur<br />
aus den Massen bestritten werden." (Bamberger, SBR, 1881a, S. 680f.) Daher<br />
wtirden die SteuelTI fur je<strong>der</strong>mann steigen mussen, und, unheilvoller noch, Schulden<br />
wiirden sich anhaufen, mit denen kunftige Generationen klarkommen muBten.<br />
Zuletzt wiirde es eine Nichtanerkennung <strong>der</strong> Schulden geben - in Form <strong>der</strong><br />
Inflation. Hinter den Sozialversicherungsentwiirfen sah Bamberger "das Papiergeld"<br />
und am Ende "die Assignatenwirtschaft." (SBR, 1884a, S. 56)<br />
Bismarck und seine konservativen Anhanger kurbelten einen ProzeB an, <strong>der</strong><br />
eine ihm eigene Dynamik hatte. <strong>Die</strong> Klassengesetzgebung - Protektionismus wie<br />
auch Sozialpolitik - werde einen Zustand herbeifuhren, in dem jede unzufriedene<br />
Gruppe den Staat urn Hilfe anrufe. Bamberger ahnte, daB <strong>der</strong> Weg in eine politische<br />
Sackgasse fuhrte, in <strong>der</strong> versucht wiirde, "so viele selbststandige einan<strong>der</strong><br />
wi<strong>der</strong>strebende Interessen im Reiche groBzuziehen als moglich, in <strong>der</strong>en gegenseitigen<br />
Kampf die Herrschaft leichter wird, aber das Reich aufreibt." (SBR,<br />
1883, S. 2333) Ahnlich die Ansicht Richters, daB Bismarcks Sozialpolitik<br />
"wachsende Anspruche an den Staat [erzeugt}, die kein Staatswesen auf die<br />
Dauer befriedigen kann." (Richter, 1898, S. 173. Hervorhebung im Original)<br />
(7) <strong>Die</strong> Frage <strong>der</strong> (Jesells'chajisordnung<br />
<strong>Die</strong> Liberalen waren uberzeugt davon, daB ihr Kampf gegen die Sozialversicherungsplane<br />
sich nicht gegen einige Gesetze im gewohnlichen Sinne richtete.<br />
Vielmehr glaubten sie, daB sie vor einer groBen historischen Weggabel stiinden.<br />
Was auf dem Spiel stand, war die Frage, welche (Jesellscha.ftsordnung Deutschland<br />
- und vielleicht sogar alle ubrigen Nationen - wahlen sollten. 27<br />
27 SBR (1881a, S. 677), wo Bamberger behauptet, daB die Reichsregierung "einen groBen bezeichnenden<br />
Schritt nicht bloB in <strong>der</strong> geschichtlichen, gesetzlichen Entwickelung Deutschlands,<br />
sondem vielleicht <strong>der</strong> ganzen Welt getan" hat. Vgl. Habermann (1997, S. 184ff.), <strong>der</strong><br />
unter Riickgriff auf F.A. Hayek feststellt, daB es fur die deutschen Liberalen "nicht urn den<br />
Kampf urn etwas mehr o<strong>der</strong> weniger Staatsintervention [ging], sondem urn die Grundsatzentscheidung,<br />
in welehe Richtung sich die Gesellschaft weiterentwickeln sollte. Namlich ob in<br />
Richtung eines sich selbst regulierenden ,Kosmos' [...} o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> in die Richtung einer<br />
mehr staatlich gebundenen Gesellschaft (,Taxis').'" <strong>Die</strong> Dichotomie von liberalem Individualismus<br />
und Sozialstaatlichkeit wird selbst von einem Verteidiger <strong>der</strong> Sozialpolitik wie<br />
Hirschman zugestanden. In seinem Werk (Hirschmann, 1991, S. 131f.) meint er: "Gerade die<br />
Werte, die soleh einer [liberalen] Gesellschaft in einer Phase dienlich sind - <strong>der</strong> Glaube an die<br />
Individualitat als hochsten Wert, das Beharren auf individuellen Errungenschaften und individueller<br />
Verantwortung - k6nnen spater eine Art Hindemis sein, wenn ein kOlnmunitarischer,<br />
solidaristischer Ethos betont werden muB. Vielleicht ist das <strong>der</strong> Hauptgrund dafur, daB man