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Die Partei der Freiheit

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170 Ralph Raico: <strong>Die</strong> <strong>Partei</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />

"Der Grundsatz ist <strong>der</strong>, auf moglichst wenig merkbare Weise nehmen und auf<br />

moglichst merkbare Weise dagegen schenken. [...] Es heiBt ja jeden Augenblick,<br />

wenn bei uns eine Steuer o<strong>der</strong> ein Zo11 motiviert wird: sie sind so klein, sie kommen<br />

so allmahlich zur Erhebung, man fuhlt es nicht, daB man bezahlt. Das ist die<br />

ganze Kunst: <strong>der</strong> Patient wird zur A<strong>der</strong> gelassen, ohne daB er es fiihlt, und wenn<br />

nun ein groBes Netz von Schropfkopfen ilber die ganze Nation ausgespannt ist, das<br />

ilberall heimlich ihr das Blut abzapft, so flieBt das alles oben im Staat zusammen".<br />

(SBR, 1881d, S. 1541)<br />

Auf <strong>der</strong> einen Seite stehe die "groBe Masse, aus welcher, ohne daB sie es merken<br />

solI, die Quellen flieBen sollen, und dann kommt <strong>der</strong> Reichskanzler als oberster<br />

Spen<strong>der</strong> del' Gnade und teilt Gaben aus an jeden, del' sich etwas will schenken<br />

lassen." <strong>Die</strong>ses System werde sich notwendig ausweiten, da "del' Appetit<br />

beim Essen" kommt. Bamberger beschrieb das neue System, das bald die demokratische<br />

Welt uberschwemmen soUte, nicht vom Standpunkt del' empfangenden<br />

Massen - del' gewohnlich von Historikem eingenommen wird - sondem aus del'<br />

Sicht des kiihl berechnenden "politischen Unternehmers":<br />

"Das ist <strong>der</strong> leitende Gedanke <strong>der</strong> Wirtschaftsreform des Kanzlers, daB jede einzelne<br />

Klasse von Staatsangehorigen sichtbarlich verpflichtet werden solI, durch<br />

Gaben, die ihr von oben gespendet werden". (S1JR, 1881d, S. 1542).<br />

<strong>Die</strong> SozialversicherungspHine entsprangen einer ad hoc Haltung, einer von<strong>der</strong>-Hand-in-den-Mund-Einstellung<br />

zur Gesetzgebung, die kaum einen Gedanken<br />

an die weiter reichenden Folgen staatlichen Handelns verschwendete. <strong>Die</strong> "Herren<br />

des Tages" wiinschten davon nichts zu wissen: "Ihre Losung ist: jedem Tage<br />

seine Sorge. Das ist auch Politik, abel' was ftir eine!" (Bamberger, 1886, S. 16)<br />

Fur Bamberger darf <strong>der</strong> wahre Gesetzgeber "die Geschicke del' Nationen nicht<br />

bloB vom Standpunkte del' Sorge von heute auf morgen ansehen und lenken."<br />

(Bamberger, 1886, S. 22) Doch welche Anreize gibt es, tiber die nachsten paar<br />

Wahlen hinauszublicken?<br />

Bamberger, del' den Vorzugen del' Demokratie viel skeptischer gegentiberstand<br />

als Richter, war del' Auffassung, daB es bei allgemeinem Wahlrecht standige<br />

Agitation unter den Annen und den arbeitenden Klassen fur vennehrte Wohltaten<br />

geben werde, wahrend "weniger zu geben, zuriickzukommen, das wiirde schier<br />

unmoglich sein." (SBR, 1889, S. 1837) Mit Scharfe for<strong>der</strong>te Bamberger seine<br />

Kollegen im Reichstag auf, sich eine Wahlerversammlung wahrend des Wahlkampfes<br />

vorzustellen: Wer wiirde dem Druck wi<strong>der</strong>stehen konnen, in das<br />

Bekenntnis einzustimmen "es ist wenig, wir mtissen sehen, mehr zu gewahren"?<br />

In ihrem "logischen Nihilismus" druckten sich die Anwalte <strong>der</strong> Sozialpolitik VOl'<br />

del' Einsicht, "daB die Gedanken sich in del' Welt folgerecht verwirklichen."26<br />

Fur seinen reil konnte Bamberger kein logisches Ende del' Wohlfahrtsgesetzge-<br />

26 SBR (1889, S. 1839). Bereits 1957 verwies Gunther Schmol<strong>der</strong>s auf "die merkwiirdige Einbahnigkeit<br />

cler Aufwartsbewegung [...] die schlechthin irreversibel zu sein scheint," d.h. auf<br />

die "Unfahigkeit des modemen Staates, eine einmal eingetretene Authia-hung eines Apparates,<br />

seiner Aufgaben und Ausgabenansatze wie<strong>der</strong> riickgangig zu nlachen [...]" Schmo/<strong>der</strong>s<br />

(1957, S. 5).

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