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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 4: Der Aufstieg des mo<strong>der</strong>nen Woh(jahrtsstaates und die liberale Antwort 165<br />

Menschen, und die gestiegenen Kosten ftir Nahrungsmittel und an<strong>der</strong>e Gtiter<br />

waren eine Btirde, die die Wohltaten, die velmeintlich durch die verschiedenen<br />

sozialen VersorgungspHine entstanden, mehr als ausglichen. 19 <strong>Die</strong> Schutzzolle<br />

ftir Nahrungsmittel wurden in genau den Jahren weiter angehoben, in denen<br />

Bismarck seine WohlfahrtspHine vorantrieb: 1885 stiegen sie im Durchschnitt um<br />

300% und 1887 verdoppelten sie sich wie<strong>der</strong> (C;all, 1980, S. 669).<br />

Wenn die Regierung so sehr urn Hilfe fur die armeren Klassen besorgt sei, argumentierten<br />

die Liberalen, stiinden die Mittel bereit: Abschaffung <strong>der</strong> SchutzzolIe,<br />

angefangen mit den GetreidezolIen, und Verringerung del' Verbrauchssteuem<br />

auf Gtiter des taglichen Bedarfs.<br />

<strong>Die</strong> Schutzzolle hatten verheerende Wirkungen auf die Haushaltskassen: "die<br />

Arbeiter leiden unter <strong>der</strong> Verteuerung del' Lebensmittel", erkla11e Richter. Nun<br />

wtirden, in Form <strong>der</strong> Unfallversichelung mit einem StaatszuschuB, Regielungshilfen<br />

in Aussicht gestellt, die "geeignet [sind,] ihre Aufmerksamkeit abzulenken<br />

von dem, was bisher gegen sie geschehen ist." Doch zumindest <strong>der</strong> Sozialbeitrag<br />

<strong>der</strong> Arbeiter sei eine weitere Last, eine direkte Steuer auf ihr Einkommen. 20 Zudem<br />

seien auch die Arbeiter Steuerzahler, und ihr Lebensstandard werde, mit<br />

jenem <strong>der</strong> Gesellschaft im weiteren Sinne, durch die erhohten SteuelTI, die <strong>der</strong><br />

Vorschlag <strong>der</strong> Regierung erfordel1e, verringert. <strong>Die</strong>s zu vemeinen hieBe einer<br />

sprachlichen Tauschung zum Opfer zu fallen, namlich anzunehmen, daB "<strong>der</strong><br />

Staat" tiber Mittel velftigt, die getrennt und verschieden von denen des Volkes<br />

sind. In Wirklichkeit, so Richter, hat <strong>der</strong> "Staat [...] aber wie<strong>der</strong> nichts, was er<br />

nicht an<strong>der</strong>weitig den Steuerzahlem wie<strong>der</strong> fOltnimmt." (SBR, 1881d, S. 1534)<br />

Auch Bamberger war sich des sprachlichen Tricks bewuBt, den Ausdruck<br />

"Staat" zu mystifizieren. Es wtirde <strong>der</strong> Klarheit dienen, "wenn man jedesmal da,<br />

wo es heiBt, ,<strong>der</strong> Staat' solI etwas tun, eine bessere Terminologie einftihrte und<br />

hineinsetzte: die Steuerzahler sollen daftir sorgen." In diesem Fall "wtirde die<br />

Debatte einen ganz an<strong>der</strong>en Laufnehmen in den meisten Fragen." (SBR, 1883, S.<br />

2333. Hervorhebung im Original) Wahrscheinlich harte Bamberger, <strong>der</strong> ergebene<br />

Anhanger Bastiats, hier den bertihmten Aphorismus des franzosischen Okonomen<br />

im Sinn, nach dem <strong>der</strong> Staat die groBe Fiktion ist, durch die je<strong>der</strong> versucht, auf<br />

Kosten aller an<strong>der</strong>en zu leben.<br />

19 In1 Ausland kritisierte <strong>der</strong> italienische liberale Okonom Vilfredo Pareto das Programm<br />

Bismarcks: "Es stimmt, daB Bismarck dem Reichstag die Sozialgesetzgebung vorlegte, doch<br />

zuerst lieB er das Gesetz tiber Abgaben auf Getreide und Fleisch verabschieden, wodurch das<br />

Yolk den Landbesitzem Tributezahlte [...] <strong>Die</strong>se mildtatige Besorgtheit des Staates um das<br />

Yolk ist <strong>der</strong> <strong>der</strong> Monche sehr ahnlich, die - wie Boccaccio spottete - im Tausch gegen das<br />

enorme Vermogen, das sie den Glaubigen abnotigten, ein paar Schalen Suppe an den Ttiren<br />

ihrer Kloster verteilten." Bucolo (1980, S. 47).<br />

20 Richter, SBR (l881d, S. 1534). Wie oben erwahnt wurde, waren sich die Liberalen <strong>der</strong> Tatsache<br />

nicht bewuBt, daB <strong>der</strong> sogenannte Arbeitgeberbeitrag auch ein Lohnabzug war.

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