Die Partei der Freiheit
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156 Ralph Raico: <strong>Die</strong> <strong>Partei</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
versicherung, kamen <strong>der</strong> Kanzler, seine Minister und die Konservativen im<br />
Reichstag hinzu.<br />
Vetreter <strong>der</strong> Regierung sprachen verachtlich von "Kuponabschneidem" und<br />
gebrauchten sogar Begriffe wie "kapitalistische Produktionsweise" in ihrer marxistischen<br />
Bedeutung (Bamberger, SBR, 1881a, S. 679). Ais er im Reichstag den<br />
Reden folgte, die die Rechten tiber die Missetaten des Kapitals und die Schrecken<br />
<strong>der</strong> freien Konkurrenz hielten, ftihlte sich Ludwig Bamberger an die von ihm<br />
"langst vergessenen" Schmahungen von Marx und Engels aus seinen alten Tagen<br />
als radikaler 48er erinnert (SBR, 1888, S. 578).<br />
Bamberger war eine Zeit lang tiber die antikapitalistische Rankeschmie<strong>der</strong>ei<br />
unterrichtet, die einfluBreiche Konservative im Umfeld Bismarcks betrieben.<br />
Dazu zahlten Lothar Bucher, RobeI1 Meyer und vor aHem HeImann Wagener,<br />
<strong>der</strong> "konservative Sozialist" und erbitterte Feind des Wil1schaftsliberalismus, seines<br />
Zeichens "<strong>der</strong> engste Mitarbeiter Bismarcks auf sozialpolitischem Gebiete."6<br />
Wie Bamberger bemerkt, entlehnten diese Konservativen ihre Schlagwol1e von<br />
Marx, Engels, Lassalle und Schaffle, urn vom "Recht auf Arbeit", von "unproduktiven<br />
Klassen", tiber "die auf dem Kehricht o<strong>der</strong> dem Mist verhungemden<br />
Proletarier" o<strong>der</strong> vom "Urbrei <strong>der</strong> in Atome aufgelosten Gesellschaft" (gegen<br />
Gewerbefreiheit) zu reden (Bamberger, 1886, S. 11). Eine Begliffswelt sei geschaffen<br />
worden,so Bamberger, die die Grenzen festlegte, innerhalb <strong>der</strong>en gesellschaftliche<br />
Fragen erortert werden durften. Dabei sei es hochst bedeutungsvoll,<br />
daB diese Begriffswelt ihren Ursprung im "kommunistischen Jargon" habe,<br />
<strong>der</strong> das "amtliche" wie auch das "hochkirchliche Deutsch" durchdrang und <strong>der</strong><br />
ins "akademische Worterbuch" aufgenommen wurde bevor er Eingang in das<br />
"offizielle Worterbuch" fand (Bamberger, 1886, S. 12, 14f.).<br />
Bamberger zufolge waren Angriffe auf die vorhandene Wirtschaftsordnung<br />
von den hochsten Stellen im Staat aHtaglich geworden. Der preuBische Finanzminister<br />
erklarte z.B., daB private Industrien zumindest genauso gut yom Staat<br />
geftihrt werden konnten. Wenn dies tatsachlich <strong>der</strong> Fall war, welche Argumente<br />
blieben dann noch gegen die Sozialdemokratie? Da <strong>der</strong> Minister seine Behauptung<br />
auf das Beispiel <strong>der</strong> Annee stiitzte, konnte Bamberger erwidem: "Dabei war<br />
nur die Kleinigkeit vergessen, daB <strong>der</strong> Privatbetrieb jahrlich 350 Millionen verdienen<br />
und sich absparen muB, urn dies Anneegeschaft in Bltite zu erhalten."<br />
(Bamberger, 1886, S. 15) 1m Reichstag zeigte sich Bamberger erschtittert tiber<br />
das "Odium, das uberhaupt je<strong>der</strong> privaten Tatigkeit heutzutage hier entgegengesetzt<br />
wird." (SBR, 1881d, S. 1540)<br />
6 Vgl. Vogel (1951, S. 27)~ sowie Schoeps (1956, S. 196), <strong>der</strong> Wagener als "Mentor und Berater<br />
Bismarcks fur aBe Fragen <strong>der</strong> Sozialpolitik'" bezeichnet. Bamberger beobachtete:<br />
"Durch Hennann Wagener und Bucher stand Bismarck von lange her unter dem EinfluB eines<br />
gewissen sozialistischen Damonismus.Beide haBten die Welt des prosaischen burgerlichen<br />
Erwerbs.'" Bamberger (l898a, S. 89). Vgl. auch Saile (1958), sowie Wagener (1884).