Die Partei der Freiheit
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Kapitel 3: Eugen Richter: Seine Laufbahn, seine Gedanken und seine Kritiker 151<br />
XIII. Richter heute<br />
Funfundzwanig Jahre nach Richters Tod warf <strong>der</strong> Historiker Erich Eyck im<br />
Jahre 1931 die Frage auf, ob Eugen Richter "uns heute noch etwas bedeutet."<br />
(Eyck, 1963, S. 47) Nach dem Untergang von Bismarcks Reich beantwortet Eyck,<br />
<strong>der</strong> die verbreitete Auffassung tiber Richters "Doktrinarisus" und "Negativismus"<br />
teilt, seine Frage wie folgt:<br />
"Aber heute sehen wir die Vorziige dieser Fehler und [... ] wissen wir ein~n Mann<br />
doppelt zu schatzen, <strong>der</strong> nie seine in ernster Gedankenarbeit erworbene Uberzeugung<br />
verleugnete und mit ungebrochenem Mut fur sie kampfte, auch wenn Wind<br />
und Wetter gegen ihn waren" (Eyck, 1963, S. 49).<br />
Nach allem, was die Deutschen seit diesen Worten durchmachen muBten, ist<br />
es vielleicht leichter, Richters· eigentliche Bedeutung zu erfassen. Er war in<br />
Deutschland <strong>der</strong> groBe politische Advokat <strong>der</strong> liberalen Weltrevolution, die den<br />
Sinn <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Geschichte ausmacht. Ober vier Jahrzehnte hinweg hat er als<br />
Publizist und Politiker ftir ein Wertesystem gekampft, das Werner Sombart als<br />
"englischen Handlergeist" verwarf, das aber nichtsdestotrotz tiefe Wurzeln im<br />
deutschen Boden hat: fur den Rechtsstaat; fur Privateigentum; fur Marktwirtschaft<br />
und Freihandel; fur Pluralismus und friedliche Diskussion anstelle gewaltsamer<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzung zwischen den Weltanschauungen; fur staatsburgerliche<br />
Selbstachtung statt Untertanenmentalitat; fur Frieden statt Imperialismus und<br />
Krieg. Entgegen allen konservativen Vorwiirfen war Richter ein stolzer Patriot.<br />
Nur hat er niemals verstehen konnen, warum ausgerechnet Deutsche weniger<br />
<strong>Freiheit</strong>srechte genieBen sollten als die an<strong>der</strong>en.<br />
Sicher ist Richter "gescheitert". Aber wenn dies als Grund zur Vernachlassigung<br />
des wichtigsten politischen Vertreters des deutschen Liberalismus angesehen<br />
wird, so ist zu fragen, welche Politiker in <strong>der</strong> neueren deutschen Geschichte<br />
vor Adenauer and Erhard eigentlich nicht letztendlich gescheitert sind? Nationalliberale<br />
wie Bennigsen und Miquel? Sozialistische Fuhrer in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Zweiten<br />
Internationale, wie Bebel, Kautsky und Rosa Luxemburg? Das konservative<br />
Establishment vor 1914? Der Hohepriester des Zeitgeistkultes Friedrich<br />
Naumann? O<strong>der</strong> gar Bismarck selbst?<br />
Fur das, was Richter war, was er vertreten hat und - wenn ein Auslan<strong>der</strong> wagen<br />
darf, dies zu sagen - fur die bloBe Tatsache, daB dieser Deutsche "keiner Regierung<br />
je vertraut hat" (Muller-Plantenberg, 1971, S. 200), verdient <strong>der</strong> rheinische<br />
Liberale eine bessere Behandlung seitens <strong>der</strong> Historiker; und seitens <strong>der</strong><br />
Deutschen verdient er, daB er nicht vergessen wird.