Die Partei der Freiheit
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Kapitel 3: Eugen Richter: Seine Lau.fbahn, seine Gedanken und seine Kritiker 147<br />
"Eugen Richter ist unveran<strong>der</strong>lich, und das ist seine GroBe. [Heiterkeit] Aber unter<br />
diesem Mann mit <strong>der</strong> einzigartigen Arbeits- und Willenszahigkeit, die selbst <strong>der</strong> bewun<strong>der</strong>n<br />
muB, <strong>der</strong> ihn fur eine eigentumliche Versteinerung halt, gibt es eine ganze<br />
Reihe von Leuten, die in Versammlungen und privatim sagen: Naturlich sind wir<br />
fur die Flotte, aber solange Richter lebt - <strong>der</strong> Mann hat doch einmal seine GroBe<br />
[...] [Heiterkeit]" (Naumann, 1964b, S. 232)<br />
Es war nicht schwer, den bereits unzufriedenen liberalen Politiker Theodor<br />
Barth, <strong>der</strong> auch auf eine Offnung zu den Sozialisten und zur Klasse <strong>der</strong><br />
Industriearbeiter drangte, als Verbtindeten zu gewinnen. In Barths Fall konnte,<br />
genau wie bei Naumann seIber, ein rastloser Ehrgeiz von <strong>der</strong> Sorte, wie er<br />
Richter - zum Guten wie zum Schiechten - niemais zu eigen war, am Werk gewesen<br />
sein. 74<br />
Maximilien Harden steHte tiber Barth und· seine KoHegen in <strong>der</strong> Freisinnigen<br />
Vereinigung eine scharfsinnige Dberlegung an:<br />
"Das Wahnen <strong>der</strong> ZeitgemaBeren, die damals, als Bambergers Gemeinde, selbst die<br />
sanfteste Form des Kathe<strong>der</strong>sozialismus verponten und bald danach, als Herbergsvater<br />
des Herrn Naumann, dicht an die roten Genossen heranruckten, das Wahnen,<br />
eine Bourgeoispartei konne in absehbarer Zeit "die Arbeiter zUrUckgewinnen," hat<br />
ihn [Richter] nie geblendet." (Harden, 1906, S. 432)<br />
Der politische Veteran Richter besaB zumindest einen weitaus groBeren Sinn<br />
fur politische Moglichkeiten wie die vollkommen fehlgeschlagene Strategie<br />
Naumanns und Barths.<br />
Entwe<strong>der</strong> aus personlichem Ehrgeiz o<strong>der</strong> aus ideologischen Grunden o<strong>der</strong> aus<br />
beidem entwickelte sich bei den jiingeren Fiihrem von Richters eigener Splitterpartei<br />
wachsende Kritik an seinem Wi<strong>der</strong>stand gegen Kolonien und Ktiegsfiotte.<br />
75 1m Jahre 1902 hat Richters Protege Richard Eickhoff "im Name seiner<br />
Wahler dem Kriegsminister gedankt. Gleichzeitig nahm er die Gelegenheit wahr,<br />
weitere Kontrakte zu verlangen, denn: ,1'appetit vient en mangeant, - <strong>der</strong> Appetit<br />
kommt beim Essen." (C:hickering, 1975, S. 255) <strong>Die</strong> Tatsache, daB wir heute am<br />
Ende des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts, nichts von alledem iiben"aschend o<strong>der</strong> befremdlich<br />
finden, zeigt vielleicht den Unterschied zwischen unseren politischen MaBstaben<br />
und denjenigen, die Richter noch zu bewahren versuchte.<br />
74 Zumindest ist das die Ansicht von Ernst Muller-Meiningen (1926, S. 189f.), <strong>der</strong> beobachtete:<br />
"<strong>Die</strong> Aussichtlosigkeit fur einen liberalen Mann, in eine maBgebende Stellung in dem damaligen<br />
PreuBen und im Reiche zu gelangen, reizte Naturen wie die Theodor Barths zu immer<br />
groBerem Radikalismus.'" Der einstige strikte Individualist und "Manchestennann" hatte sich<br />
so "auBerordentlich nahe'" zu den Sozialisten hinubergelehnt, daB, wenn Barth nicht friihzeitig<br />
gestorben ware, so die Spekulation Muller-Meiningens, er durchaus wie sein junger Schuler<br />
Breitscheid als Sozialdemokrat geendigt haben konnte.<br />
75 Muller-Meiningen (1926, S. 187), wo <strong>der</strong> Autor uber "schwere innere Kampfe" unter den<br />
Freisinnigen zwischen Richter und den "Jungen" spricht, "vor allem auch in <strong>der</strong> Marine- und<br />
Kolonialpolitik."