Die Partei der Freiheit
Die Partei der Freiheit
Die Partei der Freiheit
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
146 Ralph Raico: <strong>Die</strong> <strong>Partei</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
XII. Ab- o<strong>der</strong> Auflosung des deutschen Liberalismus?<br />
<strong>Die</strong> endgultige Kapitulation des deutschen Liberalismus bewirkte Friedrich<br />
Naumann (s. Kap. 6 des vorliegenden Werkes), del' heutzutage in einigen liberalen<br />
Kreisen Deutschlands als eine Art Heiliger gilt. Naumann war ein schalfsinniger,<br />
umtriebiger und hochst ehrgeiziger Politiker, <strong>der</strong> fruh erkannte, wie sich<br />
mit dem Einzug <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>interessen in den Wahlkampf die politischen Spielregeln<br />
gean<strong>der</strong>t hatten. Auch Richter erkannte dies. Der Unterschied zwischen ibm<br />
und Naumann war jedoch, daB letzterer die neuen Spielregeln bejahte und bestatigen<br />
wollte (Naumann, 1964b, S. 257f.).<br />
Unter dem EinfluB seines groBen Freundes Max Weber versuchte Naumann<br />
einen den Verhaltnissen des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts "angepaBteren" Liberalismus zu<br />
kreieren. <strong>Die</strong> Voraussetzung dafur war, daB das ganze Richtersche Erbe uber<br />
Bord ging. Ungleich dem ganz and gar prosaischen Richter, wuBte Naumann eine<br />
politische Vision zu entwerfen und sie <strong>der</strong> neuen, dem klassischen Liberalismus<br />
entfremdeten Generation vorzuhalten, allerdings ohne groBen Erfolg. 72 Nach seiner<br />
Auffassung sollte sich <strong>der</strong> Linksliberalismus <strong>der</strong> Sozialdemokratie annahern,<br />
indem er die Sozialpolitik und an<strong>der</strong>e "Anspruche" <strong>der</strong> Arbeiter unterstiitzte.<br />
Naumann war insbeson<strong>der</strong>e ein groBer For<strong>der</strong>er <strong>der</strong> Gewerkschaften, wahrend<br />
Richter zwar das Koalitionsrecht <strong>der</strong> Arbeiter bejahte, doch aufgrund <strong>der</strong> bewahrten<br />
okonomischen Theorie daran zweifelte, daB die Gewerkschaften die Lohne<br />
<strong>der</strong> Arbeiterklasse als ganze tiber das Marktniveau heben konnten. 73<br />
Del' neue Liberalismus sollte Naumann zufolge nicht nur auf die Sozialpolitik<br />
und zu den Gewerkschaften blicken, son<strong>der</strong>n gleichzeitig den Konservativen und<br />
Nationalliberalen die nationale Sache entreiBen, indem er zum eifrigsten Verfechter<br />
<strong>der</strong> Weltpolitikund des Imperialismus werde und den deutschen Trieb nach<br />
"Weltgeltung" schatzen Ierne. Del' neue Liberalismus musse daher sowohl<br />
"staatssozialistische Elemente aufnehmen" (Naumann, 1964b, S. 252), als auch<br />
ein Verstandnis fur den "Machtkampf <strong>der</strong> Volker" untereinan<strong>der</strong> entwickeln<br />
(Naumann, 1964b, S. 224) - kurz, del' Liberalismus solle "national-sozial" werden.<br />
Natiirlich war Naumann auch ein starker Befurwo11er <strong>der</strong> Flottenpolitik. Bereits<br />
im Jahre 1900 erwartete er den Krieg mit England, den er als eine "GewiBheit"<br />
(Kennedy, 1980, S. 340) ansah.<br />
Naumann begriff recht gut, daB, urn seiner Vision von <strong>der</strong> Zukunft des Liberalismus<br />
willen, Richter "bestimmt zu bekampfen" sei (Naumann, 1964b, S. 234).<br />
Zumindest aus politischen Grunden zeigte er fiir ihn oft eine Art gutmutiger Verachtung.<br />
So erklarte er auf einer Versammlung del' Nationalsozialen:<br />
72 Muller-Plantenberg (1971, S. 89) schreibt sehr treffend tiber Richter: "In seinen politischen<br />
ABC-Buchem fur freisinnige Wahler verarbeitete er eine Fulle von Statistiken, Daten, Fakten,<br />
Gesetzparagraphen zu rationalen Argumenten, die mangels eines Ganzen, das dahinter<br />
hatte zum Vorschein kommen mussen, doch nie voll durchschlagen konnten."<br />
73 Richter bemerkte, daB die Arbeiter, die wahrend eilles Streikes weiter arbeiten wollten, mit<br />
bewaffnetell Begleitwachen gegen Gewalttatigkeiten zu schutzen seien. SBR (l884c, S. 471).