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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 3: Eugen Richter: Seine Laufbahn, seine Gedanken und seine Kritiker 145<br />

Es ware interessant, zu horen, warum genau Baumgart das Richtersche "Nein"<br />

zur Wilhelminischen Weltpolitik unangemessen findet und was Fleck zufolge<br />

jene "Erfordemisse" des Deutschen Reiches urn die Jahrhun<strong>der</strong>twende waren.<br />

Richter bevorzugte und stimmte ftir Militarbudgets, die zur Verteidigung des<br />

Reiches gegen potentielle kontinentale Angreifer gereicht hatten, und er beftirwortete<br />

eine Marine, die die deutschen Kiisten zu verteidigen in del' Lage war.<br />

Doch er war iiberzeugt, daB die wahren Interessen seines Vaterlandes nicht darin<br />

lagen, irgendeinem triigerischen Schicksal als "Weltmacht" zu folgen, sondem un<br />

Frieden mit den an<strong>der</strong>en GroBmachten, Val' aHem mit England, zu leben. Aus diesem<br />

Grund trat er Militarbudgets entgegen, <strong>der</strong>en GroBe RuBland und Frankreich<br />

beunruhigen muBten, und er wi<strong>der</strong>setzte sich leidenschaftlich del' Schaffung einer<br />

groBen Hochseeflotte, die unvenneidlich aus England einen Feind machen wiirde.<br />

Indem er "die Erfordnisse des nationalen Machtstaates" heraufbeschwort,<br />

schreibt Fleck nach del' Art seines HeIden Friedrich Naumann - und zwar so wie<br />

diesel' schrieb, bevor del' August 1914 ibn dariiber belehrte, wie verhangnisvoll<br />

die Wunschgebilde waren, die er, Naumann, yom Zeitgeist del' Wilhelminischen<br />

Ara in sich aufgenommen hatte.<br />

Wahrend die Beschuldigungen des "Dogmatismus" und des "Doktrinarimus"<br />

wenigstens nachvollziehbar sind, fallt es schwer, die Klage tiber Richters "Negativismus"<br />

zu verstehen. Das gilt VOl' allem yom Standpunkt des elementaren<br />

Grundsatzes del' Logik, daB jede negative Aussage in eine positive umgewandelt<br />

werden kann (z.B. "er war gegen hohere Steuem" iibersetzt sich als "er war flir<br />

niedrigere Steuem, d.h. daftir, daB die Leute mehr von ihrem eigenen Geld behalten";<br />

o<strong>der</strong> "Er war gegen die Sozialistengesetze" bedeutet "Er war in diesel'<br />

Hinsicht ftir die <strong>Freiheit</strong> del' Sozialisten"). Zweitens unterstellt die Klage tiber<br />

"Negativismus" die modeme - von Ludwig Pohle aufgedeckte und heftig angegriffene<br />

- Haltung, daB es Aufgabe del' politischen Klasse sei, einen unendlichen<br />

Strom gesetzgeberischer MaBnahmen fur jeden tatsachlichen o<strong>der</strong> bloB venneintlichen<br />

"sozialen MiBstand" vorzuschlagen. SchlieBlich war del' Vorwurf "Negativismus"<br />

des "ewigen Nein-Sagers" ein eher durchsichtiges politisches Manover<br />

Bismarcks, das dauemd wie<strong>der</strong>holt wurde. Sein taktischer Zweck in Bismarcks<br />

Kampf gegen den Linksliberalismus wurde von Richter entlalvt. Er bestritt zum<br />

Beispiel, daB sich seine <strong>Partei</strong> "negativ" verhielt,<br />

"indem wir fur die Aufrechterhaltung <strong>der</strong> schwer errungenen Rechtsgleichheit gegeniiber<br />

<strong>der</strong> Durchbrechung durch ein Ausnahmegesetz positiv eintreten. [...] Das<br />

ist es ja eben, daB <strong>der</strong> Herr Reichskanzler positiv und negativ immer nur nach seiner<br />

eigenen Auffassung nimmt~ was er will, ist positiv, und was er nicht will, ist negativ."<br />

(SBR, 1878, S. 241)<br />

<strong>Die</strong> Verbannung solcher Begriffe wie "Negativismus", "Doktrinarismus" und<br />

"Dogmatismus" hatte den Vorteil, eine Diskussion del' Vor- und Nachteile von<br />

Richters Stellungnahmen zu den jeweiligen Sachfragen zu ermoglichen.

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