20.11.2013 Aufrufe

Die Partei der Freiheit

Die Partei der Freiheit

Die Partei der Freiheit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Kapitel 3: Eugen Richter: Seine Lau..fbahn, seine Gedanken und seine Kritiker 139<br />

Ais Bismarck offen verkundete, daB die Tage <strong>der</strong> auf Prinzipien beruhenden<br />

<strong>Partei</strong>en gezahlt seien und daB die <strong>Partei</strong>en, ob sie dies nun wollten o<strong>der</strong> nicht,<br />

"mehr als bisher Interessenpolitik treiben" muBten, sah er klarer als Richter:<br />

"Es liegt das im Geiste def Zeit, <strong>der</strong> starker ist, als sie [die grundsatztreuen <strong>Partei</strong>en]<br />

sein werden. [...] Sie werden gen6tigt sein, sich nach neuen Programmen auf<br />

wirtschaftlichem Gebiete umzusehen, und [...] die Wahler, die das gleiche Interesse<br />

haben, [werden] sich zusammenfinden [... ] Ich glaube, wir werden es noch erleben,<br />

daB man aufden heutigen Standpunkt, <strong>der</strong> [... ] mehr an die Zeitperiode def dfeiBiger<br />

anschlie13t als an die wirkliche RealiHit des menschlichen Lebens, mit Achselzucken<br />

zUrUckblicken wird: jedenfalls werden unsere Kin<strong>der</strong> und Enkel [es tun].<br />

(SBR, 1884b, S. 75)<br />

Ironischelweise zeigten sich am Ende sowohl die Freihandler (die Bismarck<br />

vertl"auten), als auch die entschiedenen Liberalen wie Richter (die ihn erbitteli<br />

bekampften) ratIos angesichts einer Entwicklung, die er so kuhl vorhersagte. Keines<br />

del' Lager konnte angesichts del' Bismarckschen Strategien eine angemessene<br />

Lasung fur das Problem tinden, daB del' demokratische Kampf urn staatIiche Privilegien<br />

- und mithin urn wohlfahrtsstaatIiche MaBnahmen - auf lange Sicht mit<br />

<strong>der</strong> dauerhaften Existenz einer Marktwilischaft unvereinbar ist.<br />

a) Der Kampfgegen die Weltpolitik<br />

XI. Krieg, Frieden nnd Imperialismus<br />

Vielleicht als Folge <strong>der</strong> in <strong>der</strong> deutschen Literatur ublichen Geringschatzung<br />

fur Richter, fuhlen sich auslandische Gelehrte zuweilen frei, ihn auf uben"aschend<br />

albelne Weise zu behandeln. Leonard Krieger wurde diesbezuglich bereits<br />

genannt. Ein neueres Beispiel ist <strong>der</strong> britische Gelehtie Nicholas Stargardt.<br />

In einer Arbeit uber radikale und sozialistische Kritiker des deutschen Militarismus<br />

von 1866 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs elwahnt er Richter in den<br />

Kautsky und Karl Liebknecht gewidmeten Kapiteln fast nie. Ein Hauptglund fur<br />

die Vemachlassigung eines herausragenden radikalen Kritikers des Militarismus<br />

liegt offensichtIich im Glauben des Verfassers, daB Richter bereits zur Zeit von<br />

Bismarcks EntIassung gestorben sei o<strong>der</strong> sich zuruckgezogen habe (Stargardt,<br />

1994, S. 30). Richter diente jedoch noch fast an<strong>der</strong>thalb Jahrzehnte in den Parlamenten<br />

des Reiches und PreuBens - eine entscheidende Periode, in die <strong>der</strong> Beginn<br />

<strong>der</strong> Weltpolitik Wilhelms II. und Tirpitzens Flottenplane fiel.<br />

Zu seiner Zeit war Richter fur seinen Kampf gegen Militarismus und Weltpolitik<br />

genauso beriihmt wie fur seine Angriffe auf den Sozialismus. Obwohl er keineswegs<br />

ein Pazifist war und Kriege zur Vereinigung einer Nation - wie jene, die<br />

PreuBen von 1864 bis 1871 fuhrte - unterstiitzte, teilte er im groBen und ganzen<br />

die Ansichten <strong>der</strong> europaischen Radikalliberalen des 19. Jahrhundelis. Viele Liberale<br />

gingen sicherlich weiter als Richter: Unter britischen Liberalen war unbedingter<br />

Wi<strong>der</strong>stand gegen die Wehrpflicht ublich, und Bastiat befulWoliete sogar

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!