Die Partei der Freiheit
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134 Ralph Raico: <strong>Die</strong> <strong>Partei</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
die Sozia1po1itik, die Richter vor aHem vorgeworfen wird. 1m Deutschland vor<br />
1914, als del' Richtersche Liberalismus noch in lebhafter Erinnerung war, urn<br />
wirkliche Abneigung hervorzurufen, konnte ein bekannter Gelehrter vom "eiskalte[n]<br />
Laissez-faire auf dem Gebiete del' Arbeiterfrage" sprechen und behaupten:<br />
"Der [Richtersche] Liberalismus stand dem Interesse del' groBen Masse<br />
gleichgultig und gefuhlIos gegenuber." (Stillich, 1911, S. 125) In unseren Tagen<br />
begnugen sich Historiker damit, Richters Opposition u.a. auf seine "manchesterliche<br />
Blindheit" (Langewiesche, 1988, S. 196) zUrUckzufuhren, wie das etwa<br />
<strong>Die</strong>ter Langewiesche tut.<br />
Ais beson<strong>der</strong>s beruchtigt galt und gilt noch Richters Behauptung: "Eine beson<strong>der</strong>e<br />
soziale Frage existiert fur uns nicht. <strong>Die</strong> soziale Frage ist die Gesamtheit<br />
aller Kulturfragen." (Richter, 1896, S. 124£.) Wie eigentlichje<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Historiker,<br />
<strong>der</strong> diese Ha1tung Richters kommentiel1 hat, ereifel1 sich Hans-Peter<br />
Goldberg:<br />
"Wirtschafts- und sozialpolitisch hing Richter eisern dem Manchestertum an. Sozialpolitik<br />
blieb reduziert auf die Theorie <strong>der</strong> Selbsthilfe, das Genossenschaftswesen<br />
[ ] sowie den garantierten, individuellen Aufstieg durch FleiB und Sparsamkeit<br />
[ ] Fur jeden weiteren sozialen Fortschritt wurde <strong>der</strong> Harer von Richter auf ,allgemeine<br />
Kulturentwicklung' verwiesen. Schlimmer noch [...]" (Goldberg, 1993, S.<br />
57f.)<br />
Doch Historiker haben vielfach nicht verstanden, was Richter unter "Gesamtheit<br />
aller Kulturfragen" und <strong>der</strong> "alIgemeinen Kulturentwicklung" subsumierte.<br />
Wenn er von del' sozialen Frage sprach, so benutzte Richter diese Begriffe im<br />
gleichen Sinne wie Prince-Smith und die an<strong>der</strong>en Freihandler, wie Bamberger<br />
und wie die ganze Schule del' deutschen Wirtschaftsliberalen. Sie bezogen sich<br />
auf die Summe all del' Faktoren, die dazu geeignet sind, die Produktivitat <strong>der</strong> Arbeit<br />
zu steigem und die Reallohne zu erhohen, wie etwa eine erhohte Kapitalakkumu1ation<br />
(und die Faktoren, die wie Sicherheit <strong>der</strong> Eigentumsrechte und niedrige<br />
Steuem wiedelum positiv auf die Akkumulation einwirken), effizientere Kapitalmarkte,<br />
verstarkte gesellschaftliche Arbeitsteilung einschlieBlich des Freihandels<br />
(del' regionale und intemationale Spezialisierung mit sich bringt), die<br />
Verbreitung del' Alphabetisielung und an<strong>der</strong>e Investitionen in Humankapital, sowie<br />
intemationaler Frieden. Richter gestand zu, das ObelsHinde existiel1en. Doch<br />
er weigerte sich, das modeme politische Spiel mitzumachen und den Burgem<br />
mehr zu versprechen, als die Politik zu halten in <strong>der</strong> Lage war:<br />
"Wir sagen delTI Arbeiter: die Verbesserung eures Loses hangt von euch selbst und<br />
dem Gesamtfortschritt <strong>der</strong> Kulturverhaltnisse abo Was wir tun konnen als Abgeordnete,<br />
beschrankt sich darauf: wir konnen sehen, daB sparsam gewirtschaftet wird,<br />
daB etwas weniger Steuern bezahlt werden, daB die Militarlast etwas geringer<br />
wird, daB die Kosten des Staates gerechter verteilt werden, aber [... ] daruber hinaus<br />
geht unsere Macht nicht." (SBR, 1884c, S. 472; siehe auch SBR, 1881b, S.<br />
710)<br />
<strong>Die</strong> liberale Haltung war, daB letzten Endes del' Lebensstandard del' Arbeiterklasse<br />
- wie <strong>der</strong> aller Gesellschaftsklassen - einzig durch hohere Produktivitat