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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 3: Eugen Richter: Seine Lau.fbahn, seine Gedanken und seine Kritiker 133<br />

"So dreht sich die Wilischaftspolitik immer im Kreise, indem sie immer eine<br />

Medizin verschreibt zur Heilung des Obels, das sie selbst hervonuft." (SBR,<br />

1879a, S. 976)<br />

Hinter dem Drang zum Sozialismus machte Richter die geistige Obereinstimmung<br />

zwischen Konservativen und Sozialisten aus, die sich wie<strong>der</strong>holt in konservativen<br />

Angriffen auf Gewinnstreben, Dividenden und Spekulation zeigte.<br />

Hierzu gehorte auch Bismarcks Unterscheidung zwischen "produktiven" und<br />

"unproduktiven" Gesellschaftsklassen: Erstere umfaBte Klassen wie jene, die sich<br />

mit Landwirtschaft o<strong>der</strong> Industrie befassen, letztere jene Bevolkelungsschicht,<br />

die "von Tausch und Austausch lebt odeI' nur mit <strong>der</strong> Kouponschere ihre Tatigkeit<br />

abschlieBt." (SBR, 1884c, S. 502) Richter war verbliifft durch die Reden<br />

eines politischen Reprasentanten einer Nation, <strong>der</strong>en System auf Privateigentum<br />

und privatem Untemehmertum bemhte und del' zugleich einen Kreuzzug gegen<br />

den Sozialismus fiimie, del' abel' wahllos mit Bemerkungen diesel' Ati urn sich<br />

warf. Es war in <strong>der</strong> Tat ein unheilvolles Vorzeichen, daB Deutschland - an<strong>der</strong>s als<br />

an<strong>der</strong>e westliche Nationen, wie GroBbritannien, Frankreich, Belgien usw. - eine<br />

groBe Klasse einfluBreicher Eigenmmer beherbergte, die bereit waren, das ganze<br />

Repertoire sozialistischer Schlagworte und At-gumente zu nutzen, urn auf Kosten<br />

del' Allgemeinheit Privilegien durchzusetzen.<br />

b) <strong>Die</strong> (Jeburt des Woh!fahrtsstaates<br />

Richter war nicht gegen aIle Atten staatlicher Eingriffe in das At-beitsverhaltnis~<br />

er befurwortete Sicherheitskontrollen in Fabriken und die Begrenzung <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong>arbeit.57 Doch das Bismarcksche Programm ging weit dariiber hinaus. Das<br />

Ziel <strong>der</strong> kaiserlichen Botschaft von 1881, erklarte <strong>der</strong> Kanzler, bestiinde darin,<br />

die Politik <strong>der</strong> preuBischen Monarchen aus dem 18. Jahrhundeli neu aufleben zu<br />

lassen; wie Friedrich <strong>der</strong> GroBe wollte Wilhelm I. "roi des gueux" sein, "Schiitzer<br />

<strong>der</strong> wirtschaftlichen Schwachen." (SBR, 1884c, S. 503)<br />

Ais Bismarck jene MaBnahmen einfiihrte, mit denen das Fundament des neuzeitlichen<br />

Wohlfahrtsstaates gelegt wurde, war Richter neben Ludwig Bamberger<br />

<strong>der</strong> Hauptredner <strong>der</strong> Opposition, und er blieb seiner Auffassung auch treu, als an<strong>der</strong>e<br />

Liberale sich zur Sozialpolitik bekannten. 58 Es ist diese Opposition gegen<br />

57 SBR (1879b, S. 1300). Vor Richter gestattete Prince-Smith, trotz seines Rufs als uneingeschrankter<br />

Anhanger des Laissez-faire, "eine polizeiliche Einschrankung <strong>der</strong> Frauenarbeit,<br />

und ein Verbot <strong>der</strong> Verwendung von Kindem unter einem gewissen Alter"~ Prince-Smith<br />

(1877, S. 409).<br />

58 Einen Anhaltspunkt fur die Denkweise heutiger Historiker zu dieser Frage liefert <strong>der</strong> Aufsatz<br />

von Theiner (1985, S. 50), wo er sich ob <strong>der</strong> von ilun erwahnten Tatsache, daB "noch lange<br />

nach dem Inkrafttreten <strong>der</strong> Bismarckschen Sozialversicherungsgesetze [...] <strong>der</strong> politisch organisierte<br />

Liberalismus, namentlich auf seinem linken FIGgel" solche Sozialpolitik weiterhin bekampfte,<br />

befleiBigt fuhlt, seine unglaubigen Leser zu beruhigen: "<strong>Die</strong>s mag sich heute erstaunlich<br />

anhoren [...]"

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