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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 3: Eugen Richter: Seine Laufbahn, seine Gedanken und seine Kritiker 129<br />

Richters beruhmter "Stan'sinn" und "Doktrinarismus" hatten groBtenteils Schuld<br />

daran, daB eine solche Vereinigung nicht zustande gekommen sei. 54<br />

Doch wenn es zutrifft, daB die deutsche Sozialdemokratie eine "sich radikal<br />

gebende Ideologie" mit einer "sozialreformerischen Praxis" (Steinberg, 1967, S.<br />

150) in sich vereinte, dann mussen jene, die aus welchen Grunden auch immer<br />

behaupten, einer echt marxistischen Bewegung vorzustehen, auch das Gros <strong>der</strong><br />

Schuld am Nichtzustandekommen einer solchen gemeinsamen Front tragen. Aber<br />

gesetzt den Fall, daB sich Richter in Bezug auf die im wesentlichen refolmerische<br />

Natur <strong>der</strong> deutschen Sozialdemokratie irrte, so heiBt das nicht, wie einige annehmen,<br />

daB Naumann, Barth und ihre Kollegen letzten Endes auch nur einen Deut<br />

realistischer waren.<br />

b) "Sozialdemokratische Zukunjisbil<strong>der</strong>"<br />

Als die Sozialistengesetze 1890 schlieBlich nicht mehr verlangert wurden, verhohnte<br />

Vorwarts, das Organ <strong>der</strong> sozialistischen Pa11ei, die Gegner des Sozialismus,<br />

die "voll Zittem und Zagen dem heutigen Tage entgegensehen haben<br />

[...][denn] wo ist <strong>der</strong> ,geistige Kampf', den sie uns angekundigt haben? Sie zetem<br />

nach <strong>der</strong> Polizei, dem Staatsanwalt, nach <strong>der</strong> Ultima ratio <strong>der</strong> Kanonen [...] Das<br />

sind ihre geistigen Waffen! An<strong>der</strong>e haben sie nicht!" (Wolf, 1892, S. v-vi. Hervorhebung<br />

im Original.)<br />

Natiirlich entsprach das nicht <strong>der</strong> Wahrheit. Der intellektuelle Angriff hatte<br />

insbeson<strong>der</strong>e bereits an <strong>der</strong> Flanke eingesetzt, an <strong>der</strong> die Sozialisten am verwundbarsten<br />

waren. 1879 veroffentlichte Theodor Barth eine Streitschrift mit<br />

dem Titel Der sozialistische Zukunftsstaat und kritisierte darin das Modell <strong>der</strong><br />

Sozialisten, soweit es <strong>der</strong> Darlegungen ihrer alIgemeinen Grundsatze entnommen<br />

werden konnte (Barth, 1890). <strong>Die</strong>se Kritik war in den Augen Barths unerlaI3lich,<br />

obwohl die Sozialdemokraten "es zum Teil geradezu ftir eine Unverschamtheit<br />

[erklaren], daB man von ihnen eine Darstellung ihres Staatsideals verlangt."<br />

(Barth, 1890, S. 27)<br />

Auch Richter war dartiber besttirzt, daB die Sozialisten zum Wesen ihres Zukunftsstaates<br />

fast ganzlich schwiegen: "<strong>Die</strong> Sozialdemokraten sind sehr redselig<br />

in <strong>der</strong> Kritik <strong>der</strong> heutigen GeselIschaft, htiten sich aber, das Ziel, welches durch<br />

Zerstorung <strong>der</strong>selben erreicht werden solI, irgendwie naher klarzustellen."<br />

(Richter, 1898, S. 307) Sie fUhren als Entschuldigung an, daB es "verfruht" sei,<br />

ein Bild <strong>der</strong> sozialistischen Zukunft zu entwelfen. Hatten sie erst einmal "die<br />

Klinke <strong>der</strong> Gesetzgebung in <strong>der</strong> Hand," so wtirden sie schon zeigen, was zu tun<br />

sei. Das emporte Richters gesunden Menschenverstand: "Was in alIer Welt kann<br />

denn jemand veranlassen, den Sozialdemokraten die Klinke <strong>der</strong> Gesetzgebung in<br />

54 Aus marxistischer Sicht ist natiirlich nicht Richter personlich, sondem die zu jener Zeit herrschende<br />

Klassensituation daran Schuld, daB keine gemeinsame antimilitaristische Front zustande<br />

kam. Das hin<strong>der</strong>t marxistische Historiker allerdings nicht, Richters Stellungnahme zu<br />

riigen~ siehe Seeber (1968, S. 333ff. und 355ff., beson<strong>der</strong>s S. 351f., 358f.).

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