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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 3: Eugen Richter: Seine Lau;fbahn, seine Gedanken und seine Kritiker 127<br />

deutschen Sozialismus darauf, daB funfzig Millionen Deutsche unter solch einem<br />

Regime leben und zu Wohlstand gelangen konnten. Richter hatte guten Grund,<br />

yom Gegenteil iiberzeugt zu sein.<br />

Richter wuBte, daB es Wandlungen in <strong>der</strong> sozialistischen Bewegung gegeben<br />

hatte, seitdem er zum ersten Mal den Kampf mit ihr aufgenommen hatte. Doch<br />

am auffallendsten war fur ihn <strong>der</strong> Wandel yom Lassallschen "Allheilmittel <strong>der</strong><br />

Produktivgenossenschaften," welches die deutschen Sozialisten beinahe achtundzwanzig<br />

Jahre predigten, zum orthodoxen Marxismus des Erfurter Programms<br />

von 1891 (Richter, 1893, S. 96f.). Franz Mehring, wahrscheinlich <strong>der</strong> prominenteste<br />

Publizist <strong>der</strong> damaligen sozialistischen Bewegung, war ein Vetreter des vorherrschenden<br />

sozialdemokratischen Standpunkts, mit dem sich Richter konfrontiert<br />

sah. Noch 1903 schrieb Mehring in <strong>der</strong> Neuen Zeit uber die deutsche "Bourgeoisie"<br />

(einschlieBlich ihrer liberalen Verteidiger): "Sie muBte sich damber klar<br />

sein and war sich im Grunde damber klar, daB sie ohne Hilfe <strong>der</strong> Arbeiterklasse<br />

den Absolutismus und Feudalismus nicht besiegen konne. Sie muBte sich femer<br />

damber klar sein and war sich im Grunde auch damber klar, daB sie im Augenblick<br />

des Sieges den bisherigen Bundesgenossen als Gegner sich gegeniiber haben<br />

werde," urn diesem dann in <strong>der</strong> letzten, endgiiltigen Auseinan<strong>der</strong>setzung zu<br />

erliegen. Das war es letzten Endes, was nach den Geschichtsgesetzen geschehen<br />

mu/Jte, und zwar "mit <strong>der</strong> Unvermeidlichkeit eines Naturgesetzes," wie d~e Marxisten<br />

prophezeihten.<br />

Nichtdestoweniger bestand Mehring darauf, die "Bourgeoisie" hatte aus diesem<br />

angeblichen Tatbestand den SchluB ziehen sollen, "daB ein Pakt mit <strong>der</strong> Arbeiterklasse<br />

auf leidliche Bedingungen fur sie die einzige Moglichkeit biete."<br />

(Mehring, 1966, S. 553) Da fur Liberale wie Richter aber das marxistische Szenario<br />

gar nicht so "leidlich" war, ist es verstandlich, daB Richter den "sozialdemokratischen<br />

Zukunftsstaat" als zwar im Augenblick weniger gefahrlich, im Wesen<br />

aber "weit schlimmer" als den bestehenden "Militarstaat" bezeichnete. 51<br />

Ais Liberaler sah Richter den Sozialismus als eine Art Gegenrevolution an, als<br />

ein verzweifelter und einfaltiger Aufstand gegen die Privatsrechtsordnung. <strong>Die</strong><br />

Kritik, die <strong>der</strong> Sozialismus an <strong>der</strong> auf Privateigentum beruhenden Wirtschaftsordnung<br />

ubte, war in ebenso grundlegenden wie verhangnisvollen Irrtiimem befangen:<br />

In einer auf Wettbewerb beruhenden Wirtschaft gibt es keine Ausbeutung<br />

<strong>der</strong> Arbeiter, keinen angeeigneten Mehrwert, keinen ihr innewohnenden Klassenkampf,<br />

keine namrliche Tendenz zur Herrschaft <strong>der</strong> Monopole. Doch die Verbreitung<br />

solch irriger Ansichten blieb nicht ohne Folgen. Selbst wenn es nur<br />

darum ging, dem Yolk ein rationales Verstandnis <strong>der</strong> modemen Gesellschaft beizubringen,<br />

muBte <strong>der</strong> Sozialismus bekampft werden - ganz abgesehen von <strong>der</strong><br />

51 Gilg (1965, S.135ff.). Gilg fiigt hinzu: "Zu dieser Gegnerschaft [Richters gegen die Sozialdemokraten]<br />

trug naturlich die Revolutionstheorie des sozialdemokratischen Programms, die<br />

jede Zusammenarbeit nur als Mittel zur Gewinnung <strong>der</strong> Alleinherrschaft gelten lieB, und auf3erdem<br />

die erfolgreiche Konkurrenz <strong>der</strong> Sozialdemokratie im Ringen urn die stadtischen<br />

Wahlermassen wirksarn bei."

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