Die Partei der Freiheit
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Kapitel 3: Eugen Richter: Seine Laz{/bahn. seine Gedanken und seine Kritiker 123<br />
war, daB die Konservativen die Unkenntnis <strong>der</strong> Sozialisten uber die komplexe<br />
Funktion <strong>der</strong> Preise und des Preissystems teilten, sowie <strong>der</strong>en altertiimliche Vorliebe<br />
nach einer Produktion fur den "Bedarf' (SBR, 1881b, S. 705). Wer so gegen<br />
das private Untemehmelium argumentiert wie es die Konservativen getan haben,<br />
"<strong>der</strong> kann sich nicht wundem, wenn die sozialistischen Vorstellungen als logische<br />
Konsequenz eine weitere Verbreitung finden." (SBR, 1884c, S. 472)<br />
VII. Gegen die Konservativen<br />
In Richters Denken war die Unterscheidung zwischen konservativen und liberalen<br />
Positionen glasklar: Sie lief auf den Gegensatz zwischen einer auf Gewalt<br />
und einer auf freiwilliger Kooperation ihrer Mitglie<strong>der</strong> beluhenden Gesellschaftsordnung<br />
hinaus. <strong>Die</strong> konservative Neigung zu autoritaren Regielungsformen in<br />
<strong>der</strong> Politik - mit den traditionellen aristokratischen Klassen als Beherrschem des<br />
Staates und Vormundem del' Burger - ging einher mit ihrer Vorliebe fur die<br />
staatlich Lenkung des Wirtschaftslebens. Richter dtiickte es so aus:<br />
"Meine Herren, das ist ub~rhaupt del' fundamentale Unterschied del' konservativen<br />
und liberalen <strong>Partei</strong>: Ihre Uberschatzung des Zwangs, del' Einwirkung def Polizei,<br />
del' polizeiliche Bevormundung, und auf unserer Seite die Hochhaltung und Wurdigung<br />
dessen, was freiwillig und aus eigenem Interesse geschieht, was die Konkuffenz<br />
def Intel'essen von selbst mit sich bl'ingt. [...] Wil' sind umgekehrt del' Meinung<br />
[...] daB del' Staat ubel'haupt nul' sehl' el'ganzend eintl'eten kann~ daB el' abel'<br />
leicht viel mehr ver<strong>der</strong>ben als helfen kann". (SBR, 1881b, S. 704)<br />
So sehr neigen die Konservativen dazu, sich zur Losung von Problemen an die<br />
Staatsgewalt zu wenden, daB sie, so Richter, ironischerweise den velmeintlichen<br />
Gipfel ihrer eigenen Sozialphilosophie aushohlen. Denn, wie Richter darlegte, ist<br />
"das korporative, genossenschaftliche Leben [...] das Ziel <strong>der</strong> modemen konservativen<br />
Wirtschaftspolitik." Doch indem sie staatliche Sozialversicherungsmodelle<br />
for<strong>der</strong>ten, gaben die Konservativen ihr eigenes Anliegen auf. Wahrend del'<br />
konservative Gesetzgeber einerseits versucht, einigen Genossenschaften durch<br />
das kunstliche Mittel des Staatseingriffs Leben einzuhauchen, greift <strong>der</strong>selbe Gesetzgeber<br />
an<strong>der</strong>erseits "in die bestehenden Genossenschaften hinein, reiBt ein<br />
StUck heraus und organisiert eine burokratische Schablone, die an Stelle <strong>der</strong> bestehenden<br />
Genossenschaften gesetzt wird." Doch die historische Tatsache ist, daB<br />
genossenschaftliche Organisationen, die sich unter namrlichen Umstanden als<br />
lebensHihig erwiesen haben und sich einen Platz im industriellen Leben schafften,<br />
typischerweise mit "gegenseitiger Untersmtzung, gegenseitiger Versicherung"<br />
begannen. Das ist es, was Menschen zunachst zusammenbringt, "alles fibrige<br />
wachst erst daraus heraus." Anstatt diese Entwicklung zu nahren, haben die<br />
Konservativen ihre selbsterkHirten Ziele ven'aten: "hier wird nun die namrliche<br />
Grundlage zu Gunsten einer burokratischen Schablonisierung entzogen." (SBR,<br />
1881b, S. 704)