Die Partei der Freiheit
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120 Ralph Raico: <strong>Die</strong> <strong>Partei</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
losen; gegen diese Angriffe muBten die FOlischrittler zu einer Ali Privatpolizei<br />
Zuflucht nehmen (Richter, 1896, S. 203).<br />
<strong>Die</strong> Beziehung <strong>der</strong> deutschen Judenschaft zu den Linksliberalen, vor allem zu<br />
den Liberalen Richterscher Pdigung, war von beson<strong>der</strong>er Art. Jiidische Wahler<br />
zogen nicht-judische Kandidaten aus Richters Fraktion sogar den judischen Kandidaten<br />
an<strong>der</strong>er liberaler <strong>Partei</strong>en vor. Richters starker Wi<strong>der</strong>stand gegen die aufkommende<br />
antisemitische Bewegung und seine Treue zum Grundsatz <strong>der</strong> Trennung<br />
von Kirche und Staat erkHiren dies zum Teil, aber wahrscheinlich spielen<br />
an<strong>der</strong>e Faktoren hinein, z.B. Richters Antimilitarismus und Antisozialismus. Jedenfalls<br />
bildete <strong>der</strong> deutschjtidische Mittelstand - beson<strong>der</strong>s in Berlin - bis zum<br />
Ende von Richters Laufbahn einen wesentlichen Teil seiner Gefolgschaft (Pulzer,<br />
1976, S. 179f.; Low, 1979, S. 389f.). Interessanterweise war die Herrschaft <strong>der</strong><br />
Freisinnigen in <strong>der</strong> Stadt Berlin dem konservativen Establishment solch ein Dom<br />
im Auge, daB Gustav Schmoller noch 1916 tiber den Berliner kommunalen Freisinn<br />
klagen konnte, ,,[...] <strong>der</strong> sozial auf semitischer Millionarbasis beruhend, unsere<br />
Hauptstadt mehr o<strong>der</strong> weniger beherrscht." Schmoller fuhrt den Wunsch <strong>der</strong><br />
liberalen Juden nach Demokratisierung <strong>der</strong> deutschen Gesellschaft darauf zuriick,<br />
daB "ihr eng zusammenhalten<strong>der</strong> Kreis die Universitaten, das Heer, das hohe Beamtentum<br />
noch nicht so unbedingt beherrsche, wie das beztiglich <strong>der</strong> Stadt Berlin<br />
und ihrer Verwaltung <strong>der</strong> Fall sei."48<br />
Eine wichtige rechtsstaatliche Streitfrage betraf die polnische Bevolkelung in<br />
den ostlichen Gebieten PreuBens. Sie wurde in den letzten Jahren des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
immer scharferen Gesetzen und Regulierungen untelworfen. Fur Richter<br />
wie fur seine <strong>Partei</strong> kam die Unabhangigkeit o<strong>der</strong> Autonomie <strong>der</strong> Polen nicht in<br />
Frage, und nationalistische polnische Agitatoren muBten unterdruckt werden.<br />
Doch im Rahmen dieser Vorgaben wi<strong>der</strong>setzte er sich aus verschiedenen Grunden<br />
<strong>der</strong> staatlichen Gelmanisierungspolitik - Enteignung polnischer Glundbesitzer,<br />
Ansiedlung deutscher "Kolonisten", Verdrangung <strong>der</strong> polnischen Sprache<br />
aus den Schulen usw. Der wichtigste Grund lag darin, daB die jeweiligen Gesetze<br />
- in direktem Wi<strong>der</strong>spruch zu Artikel 4 <strong>der</strong> Verfassung - Ausnahmegesetze waren,<br />
die sich gegen einen Teil <strong>der</strong> Bevolkerung richteten und damit Menschen<br />
betrafen, die letzten Endes doch preuBische und deutsche Burger und SteuerzahleI'<br />
waren. Abel' Richter und seine Kollegen legten auch dar, daB <strong>der</strong> Feldzug <strong>der</strong><br />
Regierung Ressentiments und HaB zwischen den beiden VolkelTI erzeugte, die in<br />
Posen, Oberschlesien, Ost- und WestpreuBen zusammen lebten und arbeiteten.<br />
Auf diese Weise wurde die wirtschaftliche Entwicklung <strong>der</strong> Ostgebiete, wie auch<br />
die stufenweise und langfristige Assimilierung <strong>der</strong> Polen verhindeti. Nicht <strong>der</strong><br />
48 Schmoller (1922, S. 24). <strong>Die</strong> Sorge tiber den jiidisch-liberalen EinfluB war den Kathe<strong>der</strong>sozialisten<br />
und den ihnen Nahestehenden gemein~ Adolph Wagners Antisemitismus ist z.B. gut<br />
belegt. Ais Albert Schaffle 1870 die Gelegenheit zu einer Unterredung mit Kaiser Franz Josef<br />
hatte, warnt er ihn vor <strong>der</strong> "Minoritatsherrschaft [...] des Grosskapitals mit Unterstiitzung des<br />
doktrinaren Liberalismus," und stellt heraus, daB <strong>der</strong> liberale GroBbesitz "iiberwiegend<br />
jiidisch" war. Schajjle (1905, S. 201).