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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 3: Eugen Richter: Seine Lau.fbahn, seine Gedanken und seine Kritiker 119<br />

tragen haben, <strong>der</strong> sozialistischen Agitation einen Damm entgegenzusetzen."<br />

(SBR, 1878, S. 239)<br />

Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite miBt er <strong>der</strong> Religion keinen groBen Wert als Schranke<br />

gegen den Sozialismus zu, eine Hoffnung, die von vielen gehegt wurde. In seiner<br />

Sieht schreibt keine Religion eine bestimmte Regierungsfonn o<strong>der</strong> ein bestimmtes<br />

Wirtschaftssystem vor. Der sozialistische Aufruhr werde nur dann ein Ende<br />

finden, wenn in hinreichend weiten Kreisen begriffen werde, daB das sozialistische<br />

Programm "kein Fortschritt, sondem ein Ruckschritt ware." Rier konnte<br />

Richter <strong>der</strong> Versuchung nicht wi<strong>der</strong>stehen, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e liberale Fursprecher eines<br />

offentlichen Bildungswesens im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t anheim fielen: die offentlichen<br />

Schulen zur Vermittlung liheraler Ideen zu nutzen. 46<br />

Beson<strong>der</strong>s interessant ist es, daB fur Richter "die Privatschule noch eine letzte<br />

mogliche Zuflucht" vor den Zwangen zur Anpassung an den autoritaren Staat<br />

bleibt (Miiller-I>lantenberg, 1971, S. 201). 1m Gegensatz zur Mehrheit deutscher<br />

- und auch franzosischer und an<strong>der</strong>er - Liheraler seiner Zeit war er nicht willens,<br />

Privatschulen, einschlieBlich konfessioneller Schulen, Hindetuisse in den Weg zu<br />

legen, urn so seine eigene, sakulare Weltanschauung zu fordem. Er dliickt das so<br />

aus:<br />

"Wenn es auch wirklich ware, daB mit dem Gebrauch des freien Privatunterrichtswesens<br />

Schulen entstunden, die meiner Richtung weniger genehm waren, so wiirde<br />

ich mich dadurch nicht beirren lassen, nicht davon ablassen aus Katholikenfurcht<br />

o<strong>der</strong> aus Sozialistenfurcht". (Miiller-Plantenherg, 1971, S. 201)<br />

<strong>Die</strong>se Verteidigung privater Erziehung stammt aus dem Jahre 1892, zwanzig<br />

Jahre nach Richters ebenso naiver wie begeisterter Billigung staatlicher preuBischer<br />

Schulen zur Zeit des Schulaufsichtsgesetzes. DaB er aus Erfahrung gelemt<br />

hatte und nun urn die politischen Gefahren wuBte, die selbst mit dem preuBischen<br />

Erziehungswesen, so herausragend es auf seine Weise auch war, einhergingen, ist<br />

eine interessante Hypothese, wenngleich sie heute wahrscheinlich nicht mehr zu<br />

belegen ist.<br />

Was die <strong>Freiheit</strong> deutscher Juden angeht, so war Richters Haltung wesentlich<br />

eindeutiger. Er zieht gegen den au:fkommenden Antisemitismus zu Felde, wahrend<br />

Bismarck mit <strong>der</strong> neuen Bewegung kokettiert, urn den Liberalen ein weiteres<br />

Mal das Wasser abzugraben. Richter brandmarkt den Antisemitismus als "antinational"<br />

und nennt ibn eine "unsere nationale Ehre schadigende Bewegung."47 <strong>Die</strong><br />

Antisemiten ihrerseits etikettierten die Linksliberalen urn Richter als "Judenschutzuuppe."<br />

(Stern, 1987, S. 524) Nach dem Vorbild <strong>der</strong> Sozialdemokraten<br />

versuchten die Antisemiten liberale Versammlungen in Berlin gewaltsam aufzu-<br />

46 SBR (1878, S. 239). Siehe auch dazu, daB das Christentum def Politik keine Nonnen vOfgibt,<br />

SBR (l881b, S. 700).<br />

47 Richter (1896, S.176ff., 200f.) und seine Artikel, "Antisemiten" und "luden," in Richter<br />

(1898, S. 17ff. und 174ff.)~ auchLow (1979, S. 392ff.).

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