Die Partei der Freiheit
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116 Ralph Raico: <strong>Die</strong> <strong>Partei</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
denen er in seiner Jugend verkehrte. In seiner ganzen Laufbahn kampft er gegen<br />
MiBbrauche <strong>der</strong> Polizeigewalt und Verletzungen <strong>der</strong> Biirgerrechte. Er bekampft<br />
Vorlagen, "welche durch ihren kautschukartigen Charakter die Zulassigkeit je<strong>der</strong><br />
offentlichen Kritik <strong>der</strong> Behorden, <strong>der</strong> politischen und <strong>der</strong> sozialen Zustande in<br />
das diskretionare Ennessen <strong>der</strong> Staatsanwalte und Gerichte stellten." Zu solchen<br />
Vorlagen zahlen Beschrankungen <strong>der</strong> "Schmahungen o<strong>der</strong> Verhohnungen von<br />
Staatseinrichtungen o<strong>der</strong> Anordnungen <strong>der</strong> Behorden, [...] offentliche Angriffe<br />
auf das Institut <strong>der</strong> Ehe, <strong>der</strong> Familie o<strong>der</strong> des Eigentums." (Richter, 1896, S.<br />
128f) Ais 1871 im Reichstag Protest gegen die Verhaftung August Bebels erhoben<br />
wurde, <strong>der</strong> als Reichstagsabgeordneter ein Recht auf Immunitat besa13, war<br />
Richters Unterschrift eine <strong>der</strong> ftinfzehn erfor<strong>der</strong>lichen; das Ergebnis war die Befreiung<br />
Bebels und zweier seiner Kollegen. (Herrmann/Emmrich, 1989, S. 129f)<br />
Richter trat auch gegen die bertichtigten Sozialistengesetze auf, mit denen<br />
Bismarck die Sozialdemokratie zu vemichten suchte. Fur ihn waren diese Gesetze<br />
"die bloBe Bekampfung <strong>der</strong> Ideen". Doch "eine Dberzeugung veltreibt man<br />
nicht an<strong>der</strong>s, als daB man eine bessere Oberzeugung an ihre Stelle setzt." (SBR,<br />
1884c, S. 471) Es stimmt, daB Richter zumindest einmal zu verstehen gab, daB es<br />
hier eher urn eine Frage <strong>der</strong> Klugheit denn urn eine glundsatzliche Frage ging, da<br />
die Sozialdemokraten s~lber keine sauberen Hande hatten:<br />
"<strong>Die</strong> sozialistische <strong>Partei</strong> erntet jetzt nichts an<strong>der</strong>es als die Gewalt, die sie damals<br />
selbst gesat hat an<strong>der</strong>en <strong>Partei</strong>en gegeniiber, indem sie ihre Versammlungen und<br />
Vereine sprengte. Moralisch hat die Sozialdemokratie also kein Recht, sich tiber<br />
das Gesetz zu beklagen, nur die Zweckmal3igkeit <strong>der</strong> gewahlten Ma13regeln kann<br />
ihr gegentiber in Frage kommen".40<br />
<strong>Die</strong> Klage tiber die von den Sozialisten betriebene Zersetzung wird iibrigens<br />
auch von Rudolf Virchow erhoben. Er verurteilt die Agenten <strong>der</strong> sozialistischen<br />
<strong>Partei</strong>, die "in unsere Versammlungen eindrangen, unsere Versammlungen<br />
sprengten, unsere Verhandlungen durch Geschrei und wiiste Eingriffe hin<strong>der</strong>ten."<br />
(Vasold, 1988, S. 360) Nichtsdestoweniger spricht und schreibt Richter gegen das<br />
Gesetz als ein Ausnahmegesetz, als es 1878 zum ersten Mal eingebracht wird und<br />
danach bei je<strong>der</strong> seiner Verlangerungen. Sein Verhalten bei <strong>der</strong> 1884 anstehenden<br />
VerHingerung bringt ihm viel Kritik ein (Lorenz, 1980, S. 141ff). Ihm ist<br />
klar, daB Bismarck bereit war, die Ablehnung <strong>der</strong> Verlangerung zum AnlaB zu<br />
nehmen, den Reichstag aufzulosen, urn dann Propaganda gegen die Liberalen als<br />
sozialistenfreundliche Reichsfeinde zu machen. Richter ftirchtet eine vemichtende<br />
Nie<strong>der</strong>lage beim Umengang:<br />
"Wenn es zur Wahl kommen soUte, nach <strong>der</strong> Ablehnung [...] Es handelt sich urn<br />
weit mehr, als urn das Sozialistengesetz, es wird sich dann in dem Katupfe einzig<br />
und aUein darum handeln, ob <strong>der</strong> Liberalismus in <strong>der</strong> nachsten Zeit in Deutschland<br />
noch eine Zukunft hat, o<strong>der</strong> ob es dem Herrn Reichskanzler gelingt, detu Liberalismus<br />
diese Zukunft zu verbauen". (SBR, 1884c, S. 500)<br />
40 SBR (1878, S. 238). Siehe auch Richter (1894, S. l35ff.) wo er feststellt, daB die St6rungen<br />
"unter Zulassung des Ministers des Innem" erfolgten.