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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 3: Eugen Richter: Seine Laufbahn, seine Gedanken und seine Kritiker 113<br />

lich sagt, war dieser "Reichsenthusiasmus" am deutlichsten bei den Nationalliberalen<br />

ausgepragt, selbst auf ihrem "linken Flfigel", d.h. bei denen, die mit besten<br />

Griinden als echt liberal bezeichnet werden konnen. Es war dieser "Reichsenthusiasmus,"<br />

<strong>der</strong> es Ihnen erlaubte, Bismarck viele seiner Vergehen nachzusehen, so<br />

etwa bei Karl Braun, einem eingefleischten Feind des "Partikularismus" o<strong>der</strong> bei<br />

Ludwig Bamberger, <strong>der</strong> spater Sezessionist und Richtelfeindlicher Freisinniger<br />

wurde und <strong>der</strong> bekannte, wie er von Jugend auf vom "Sinn fur die geistige Erziehungskraft<br />

des GroBstaates [angetan war ...] Der breite und starke Luftstrom,<br />

welcher die Millionen eines groBen Staates gleichzeitig und gleichmaBig in Bewegung<br />

setzt, und dies GesamtbewuBtsein auf <strong>der</strong> Hohe des groBen Lebens halt,<br />

war rur mich und blieb das Ideal des politischen Lebens, selbst mit <strong>der</strong> Gefahr,<br />

die Zentralisation mit einigen ihrer Schattenseiten zu fardem." (Bamberger,<br />

1899, S. 43) <strong>Die</strong> grundlegende Uneinigkeit uber die Zentralisierungsfrage und<br />

ihrer Folgen enthfillt Unterschiede zwischen den Liberalismusauffassungen von<br />

Mannem wie Richter und Bamberger, die von groBer Bedeutung fur die Geschichte<br />

des europaischen und westlichen Liberalismus im allgemeinen sind.<br />

In del' gleichen Rede, in <strong>der</strong> Richter den Grundsatz <strong>der</strong> Dezentralisierung postuliert,<br />

driickt er auch seine Gegnerschaft zur Idee des Nachtwachterstaates aus:<br />

"Ich halte die sogenannte Nachtwachteridee vom Staate fur eine durchaus nicht<br />

richtige und sie ist auch praktisch bei uns nicht durchgefuhrt [...] das kOlnmunale<br />

Budget hat fast ausschlieI31ich Aufwendungen, die tiber den Rechtsschutz hinausgehen,<br />

die eine positive Ftirsorge erhalten". (SBR, 1881b, S. 709)<br />

£1' legt zum Beispiel dar, daB sich die von den Fortschrittlichen regierte Stadt<br />

Berlin gebtihrenfreier Grundschulen, Tumhallen, Spielplatze und offentlicher<br />

Garten riihmte. Del' springende Punkt sei, daB - abgesehen vom Schulunterricht,<br />

del' ein <strong>Die</strong>nst fur die Unmundigen und daher ein weiterer Bereich gerechtfertigtel'<br />

Staatsaktivitat sei - "aBe diese Anstalten fur aBe Burger gleichmaBig getroffen<br />

werden." Bismarcks Sozialpolitik hingegen sei auf einen "Klassengegensatz [gegriindet],<br />

<strong>der</strong> die Arbeiter in einen Gegensatz zu allen an<strong>der</strong>en Burgem bringt."38<br />

SchlieBlich fuhIt sich Richter dem Begriff del' btirgerlichen Teilhabe an <strong>der</strong><br />

Regielung als einem Wert an sich verpflichtet. 1m Gegensatz zur Freihandler­<br />

Schule und den franzosischen lndustrialistes erwartete er nicht, daB man tiber die<br />

Politik in dem Sinne hinauskommen kanne, daB das Netzwerk des Tausches eines<br />

Tages fast alles, was in del' Gesellschaft existiert, in sich aufsaugt. Bis in die<br />

feme Zukunft hinein wiirde die Politik weiterhin das Leben <strong>der</strong> Nation formen.<br />

Daher sei es unerlaBlich, daB die Menschen in die Welt <strong>der</strong> Politik eintreten, daB<br />

sie Subjekte und nicht bloB Objekte politischen Handelns werden. Als er bei<br />

38 SBR (1881 b, S. 709). <strong>Die</strong>se Position solite als Grundlage fur die Zuruckweisung des<br />

Wohlfahrtsstaates problematisch werden, da Sozialprogramme sich mit <strong>der</strong> Zeit allgemein<br />

verbreiteten. Richter setzte jedoch auch an<strong>der</strong>e Argumente gegen den Wohlfahrtsstaat ein~<br />

siehe das 4. Kapitel <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit.

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