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Die Partei der Freiheit

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110 Ralph Raico: <strong>Die</strong> <strong>Partei</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />

"Solche Personlichkeiten haben wir sehr viele in Berlin," fugt Richter hinzu<br />

"und hatten wir <strong>der</strong>er noch melli-ere, es ware noch besser." Auf die Gefahr hin,<br />

sich nicht nur dem Spott des Bismarckschen Lagers auszusetzen, sondem auch<br />

dem <strong>der</strong> Sozialisten, legt Richter dar, was unzweifelhaft stimmte, namlich daB<br />

"auch Borsig, <strong>der</strong> Millionar, [...] ursprunglich ein so kleiner Mann mit <strong>der</strong> yom<br />

Rerm Reichskanzler getadelten Unzufriedenheit [war], als er mittelst <strong>der</strong> Freizugigkeit<br />

hier in Berlin einwan<strong>der</strong>te." (SBR, 1878, S. 237)<br />

Richter begriff, daB die Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem Sozialismus in groBem<br />

MaB eine Schlacht urn ethische Ideale war, wie sie in real existierenden sozialen<br />

Erscheinungen verkarpe11 waren. "Es ist dies gerade diejenige Klasse, welche die<br />

Sozialdemokratie am meisten haBt und die sie glaubt verachtlich mit dem Namen<br />

,Bourgeoisie' brandmarken zu kannen." (SBR, 1878, S. 238) Es sei kaum ein<br />

Wun<strong>der</strong>, daB die Mittelklasse den ZOln <strong>der</strong> Sozialisten auf sich ziehe, da sie ­<br />

und nicht die Regierung - das wichtigste Rindelnis fur das sozialistische Experiment<br />

darstelle: "<strong>Die</strong>se Klassen sind auch hier in Berlin vorzugsweise <strong>der</strong> Wall<br />

gegen die Sozialdemokratie, <strong>der</strong> uns noch in <strong>der</strong> Hauptsache schutzt." Zudem sei<br />

die Mittelklasse <strong>der</strong> Haupttdiger <strong>der</strong> Ideale burgerlicher Verantwol11ichkeit, die<br />

eine Voraussetzung <strong>der</strong> Selbstregierung in einem freien Staat sei. Aus ihren Reihen<br />

kommen die Stadtverordneten, die unbesoldeten Magistratsmitglie<strong>der</strong> usw.:<br />

Allein in Berlin, schatzt Richter, gabe es 10.000 unbesoldete Kommunalamter,<br />

die von Freiwilligen aus del' Mittelklasse besetzt seien. Sie stellten die Zukunft<br />

eines freien und wohlhabenden Deutschland dar, weil "in diesen Klassen des<br />

hiirgerlichen Fortschritts [...] auch so viel Sinn und Verstandnis fur politischen<br />

Fortschritt" (SBR, 1878, S. 238) zu finden ist.<br />

<strong>Die</strong> wirtschaftliche Seite del' burgerlichen Gesellschaft ist die Marktwirtschaft,<br />

und Richter war ein Verfechter jener Politik, die <strong>der</strong> freien, wettbewerblichen<br />

Marktwi11schaft ihren Gang laBt. Seine Oberlegungen grundeten sich auf den bekannten<br />

liberalen Grundsatz: "<strong>der</strong> Wetteifer <strong>der</strong> Privatbesitzer, <strong>der</strong> Wetteifer <strong>der</strong><br />

Privatuntemehmer untereinan<strong>der</strong> wird sie auch zwingen [...] dem offentlichen Interesse<br />

mehr zu dienen, als es die Staatsverwaltung, <strong>der</strong> Staatsbesitz tut." (SBR,<br />

1881b, S. 705)<br />

Doch innerhalb dieses Rahmens zeigt Richter deutlich seine Vorliebe fur die<br />

kleine und mittlere Industrie gegenuber <strong>der</strong> groBen. Daher sind Beschuldigungen,<br />

daB Richter ein Agent des "GroBkapital" sei, beson<strong>der</strong>s verwun<strong>der</strong>lich. Ein Argument,<br />

das Richter gegen den von Bismarck gefordel1en StaatszuschuB zur Unfallversicherung<br />

vorbrachte, lautete, daB diese Subvention eine Privilegielung <strong>der</strong><br />

Schwerindustrie darstelle. Da del' Gesetzesentwulf eine Versichelung nul' fur die<br />

Industriearbeiter vorsah, bedeutete je<strong>der</strong> StaatszuschuB, daB die Mittel auch von<br />

den alweren Klassen aufgebracht werden wiirden, beson<strong>der</strong>s von den Landarbeiteln<br />

im Osten. <strong>Die</strong> Lebensbedingungen del' letzteren waren so viel schlechter als<br />

diejenigen <strong>der</strong> Industriearbeiter, daB sie in groBer Zahl zu den Fabriken im Westen<br />

wan<strong>der</strong>ten. Foiglich bedeutete je<strong>der</strong> zusatzliche Beitrag des Staates eine<br />

"Subvention zu Gunsten des Westens, zu Gunsten diesel' GroBindustrie [...] aus

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