Die Partei der Freiheit
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Kapitel 3: Eugen Richter: Seine Laujbahn, seine Gedanken und seine Kritiker 103<br />
zuge politischer Koalitionen liege in einer scharf umgrenzten und gemeinsam<br />
akzeptierten Oberzeugung. <strong>Die</strong>se sei allerdings bereits verraten worden:<br />
,,1m Volke geht clas Bewuf3tsein cler tiefen Gegensatze auf politischem Gebiet verloren;<br />
das 6ffentliche Leben verfallt in dieselbe PassiviHit; die Machthaber werden<br />
im Volke urn so machtiger und, wenn sie noch dazu Interessenfragen energisch<br />
aufrufen, unwi<strong>der</strong>stehlich. So ist unter Bennigsens Ftihrung <strong>der</strong> Liberalislnus von<br />
KompromiB zu KompromiB gesunken". (Eickhoff, 1927, S. 14)<br />
Vieles mag angeftihrt werden, urn die Vernunftigkeit und Klugheit zu vel1eidigen,<br />
mit <strong>der</strong> die Nationalliberalen Bismarck seit <strong>der</strong> Indemnitatsvorlage in <strong>der</strong><br />
Gesetzgebung des Reichstags des Norddeutschen Bundes und warn"end <strong>der</strong> ersten<br />
Jahre des kaiserlichen Reichstages Ruckhalt gewahrten, urn so die Glundlagen<br />
fur eine modelne Industriegesellschaft zu legen. Nichtsdestoweniger zeigt ihre<br />
Politik ab 1878 - angefangen von <strong>der</strong> Unterstiitzung <strong>der</strong> Sozialistengesetze und<br />
<strong>der</strong> Einfuhrung von Schutzzollen, im weiteren ihr Eintreten fur Sozialpolitik und<br />
schlie13lich fiir Weltpolitik - den Zerfall einer <strong>Partei</strong>, <strong>der</strong>en Richtung angeblich<br />
von liberalen Grundsatzen bestimmt wurde. Ftir Richter war das 1884 verabschiedete<br />
Heidelberger Programm <strong>der</strong> Nationalliberalen <strong>der</strong> logische AbschiuB<br />
einer Foige von Treubriichen gegenuber dem Liberalismus, die 1867 mit <strong>der</strong> Genehmigung<br />
<strong>der</strong> Indemnitatsvorlage begonnen harte. 27<br />
c) Richter als Etatkritiker<br />
1m Reichstag war Richter vor allem als <strong>der</strong> Etatkritiker par excellence bekannt.<br />
Wie ein Zeitgenosse bekundet: "Richters Reden zum Etat waren die parlamentarischen<br />
Jahresereignisse." (Miiller-Meiningen, 1926, S. 186) Naumann nannte ibn<br />
ironisch den "Staatsanwalt <strong>der</strong> Reichsfinanzen" und den "freiwillige[n] Oberkontrolleur<br />
<strong>der</strong> Reichssmillionen," aber er erkannte die Bedeutung <strong>der</strong> Rolle, die<br />
Richter sich auferlegt harte an: "Damit machte er erst das parlamentarische Recht<br />
<strong>der</strong> Finanzkontrolle zu einem wirklichen Recht, denn was hilft es, wenn <strong>der</strong><br />
Reichstag zwar formell tiber Einnabmen und Ausgaben zu beschIieBen hat, wenn<br />
aber von allen 397 VolksveltretelTI kein einziger sich fachmannisch und berufsmaBig<br />
in das Labyrinth von Zahlen hineinarbeitet?" (Naumann, 1919, S. 48)<br />
Richter kannte sich in den Finanzangelegenheiten Preu13ens und Deutschlands<br />
wie kein Zweiter aus (Rac~fahl, 1912, S. 274f.). Seine Oberlegenheit griindete<br />
sich sowohl auf Faktenkenntnis wie auf Beherrschung statistischer Techniken;<br />
Ietztere war so ausgepragt, daB sich Richter, wie bei einer Reichstagsrede aus<br />
dem Jahre 1882, keck uber Bismarcks unbeholfene Versuche lustig machen<br />
konnte, es ibm auf diesem Gebiet gieichzutun: "Nun, meine Hen"en, was ist das<br />
27 Wie Richter es in einer Reichstagsrede ausdriickte, war es insbeson<strong>der</strong>e das Heidelberger Progranun,<br />
"welches einen tiefen Grenzgraben zwischen uns und ihr [die Nationalliberale <strong>Partei</strong>]<br />
gezogen hat." Dennoch gab er zu, daB "es Gebiete gibt, in denen wir als <strong>Partei</strong> zu einan<strong>der</strong><br />
am nachsten stehen [...] beispielweise, in Fragen des komtnunalen Lebens und des Unterrichtswesens<br />
[oo.]" (SBR, 1892, S. 3842).