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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 3: Eugen Richter: Seine Lau.fbahn, seine Gedanken und seine Kritiker 99<br />

Liberaler, bekannte seiner Tochter, daB es fur ihn, verglichen mit den forensischen<br />

Fahigkeiten von sechs Progressiven, weit interessanter war, wenn<br />

Bismarck nieste o<strong>der</strong> "Gesundheit" sagte (Remak, 1964, S. 47). Den einzigen<br />

Fortschrittler, fur den Fontane eine Ausnahme machte, <strong>der</strong> einzige Liberale, dessen<br />

Wissen, Witz und Schlagfe11igkeit er mit Bismarcks vergleichbar fand, war<br />

Eugen Richter (Eyck, 1963, S. 47f.).<br />

<strong>Die</strong> erste Halfte von Richters Laufbahn als linksliberaler Politiker im Reichstag<br />

war yom standigen "Duell" zwischen ibm und Bismarck beherrscht. <strong>Die</strong> Rededuelle<br />

waren ein herausragen<strong>der</strong> Zug <strong>der</strong> deutschen Politik in den spaten<br />

1870er Jahren und in den Folgejahren bis zu Bismarcks Entlassung im Jahre<br />

1890. 22 Fur viele seiner Zeitgenossen war Richter ganz einfach, wie Naumann es<br />

fonnulierte, "<strong>der</strong> Kritiker Bismarcks," <strong>der</strong> "mit Hartnackigkeit von Winter zu<br />

Winter mit dem Riesen" (Naumann, 1919, S. 47) kampfte.<br />

Richters Attacken gegen den Kanzler waren unbannherzig; fur ihn war<br />

Bismarck niemand geringeres als <strong>der</strong> Anstifter, <strong>der</strong> Vollstrecker und die Hauptsttitze<br />

je<strong>der</strong> falschen Wendung, die das deutsche politische Leben nahm.<br />

Bismarck seinerseits war genauso unerbittlich. Er verachtete alle Ideengebaude<br />

im allgemeinen und den Liberalismus im beson<strong>der</strong>en. "<strong>Die</strong> <strong>Freiheit</strong> ist ein yager<br />

Begriff," versiche11e er, ein Begriff, <strong>der</strong> "die <strong>Freiheit</strong> zu verhungem" einschlieBt.<br />

<strong>Die</strong> Linksliberalen wiirden niemals mude, die <strong>Freiheit</strong> zu beschworen, doch was<br />

sie in Wirklichkeit meinten, sei "Herrschaft." Mit einer Beweisfuhtung, die im<br />

20. lahrhun<strong>der</strong>t zum Standardrepertoire <strong>der</strong> Feinde <strong>der</strong> offenen Gesellschaft werden<br />

sollte, behauptete Bismarck, daB fur die Liberalen die "<strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> Rede" <strong>der</strong><br />

"Herrschaft <strong>der</strong> Redner" gleichkomme und daB sie "unter <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> Presse [...]<br />

den vorherrschenden und vorwiegenden EinfluB <strong>der</strong> Redaktionen und <strong>der</strong> Zeitungen"<br />

(SBR, 1884b, S. 76) verstehen.<br />

Wenn Bismarck die liberale Rhetorik verachtete, so war sein Urteil uber die<br />

politische Rolle des Linksliberalismus keineswegs gunstiger. <strong>Die</strong> Fortschrittspartei<br />

hatte nach ihrer ZUrUckweisung <strong>der</strong> Reichsverfassung (1867) alles<br />

in ihrer Macht stehende getan, "urn den Gang <strong>der</strong> Maschine zu erschweren." Das<br />

traf vor allem auf Richter zu: "Der Herr Abgeordnete Richter will immer das Gegenteil<br />

von dem, was die Regierung will." (Harden, 1906, S. 416)<br />

Auch wenn Bismarck als erster den Vorwurf des "Negativismus" gegen<br />

Richter lancierte, <strong>der</strong> dann von so vielen Historikem nachgeredet wurde, so war<br />

dies doch nicht <strong>der</strong> eigentliche Grund fur seine Antipathie. 1884, anlaBlich <strong>der</strong><br />

Reichstagsdebatte uber die Verlangerung <strong>der</strong> Sozialistengesetze, forde11e Richter<br />

Bismarck offen heraus. Dem Schein zum Trotz wai' es klar geworden, "daB es<br />

dem Herrn Reichskanzler weit mehr urn Bekampfung <strong>der</strong> Folischrittspartei o<strong>der</strong><br />

22 Goldberg (1993, S. 57 Anm. 14) spricht vom "groBe[n], die parlamentarische Szenerie <strong>der</strong><br />

1880er Jahre pragende[n] Dauerkonflikt Bismarck-Richter [... J'"

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