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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 3: Eugen Richter: Seine Laufbahn, seine Gedanken und seine Kritiker 95<br />

- obgleich keinesfalls "doktrinaren" - Position, was sich in den verschiedenen<br />

Ausgaben seines einfluBreichen Lehrbuches wi<strong>der</strong>spiegelt. Richter traf Rau<br />

wahrscheinlich auf dem Hohepunkt seines Wirtschaftsliberalismus. Was die<br />

Wirtschaftspolitik angeht, konnen wir auch sehen, daB viele von Richters eigenen<br />

Ansichten auf vorangehenden Darstellungen in den Schriften seines Lehrers beruhen:<br />

"gut individualistisch sind die leitenden sozialpolitischen Grundsatze,"<br />

wie ein Kenner von Raus Denken schreibt. 19 Sozialistische Bestrebungen lehnt<br />

Rau als "Wahngebilde" (Neumann, 1927, S. 75) ab - eine SchluBfolgerung, die<br />

auch <strong>der</strong> kunftige Autor <strong>der</strong> Sozialdemokratischen Zukunfisbil<strong>der</strong> zog.<br />

Schlie13lich mag Rau Richter durchaus noch auf eine weitere Ali beeinflu13t haben,<br />

die den liberalen Fuhrer spater <strong>der</strong> Kritik aussetzte. Karl Neumann registrieli<br />

"die etwas kleinliche und pedantische Wesensart Raus," die schon fruh durch<br />

"den kameralistischen Erziehungsgang in die ihr zusagenden Bahnen gedrangt<br />

[worden .. und], allen spekulativen Gedankengangen, allen ,luftigen Brucken <strong>der</strong><br />

Philosophie', abhold [war]." (Neumann, 1927, S. 12f.) Hier liegt womoglich ein<br />

Vorbot <strong>der</strong> "Faktenbesessenheit" und des "Mangels an einer weiteren Sicht," die<br />

Richter haufig vorgeworfen wurde.<br />

Richter verfaBte Vortrage fur Raus Studierstube, die er alsbald als Artikel an<br />

Zeitungen schickte. In einem von diesen, <strong>der</strong> sich gegen die Wuchergesetze richtet,<br />

druckt <strong>der</strong> Zwanzigjahrige bereits aus, was die Saule seiner liberalen Sozialphilosophie<br />

werden sollte - die Hannonie <strong>der</strong> langfristigen Interessen aller Gesellschaftsklassen:<br />

"Je<strong>der</strong> Unbefangene aber muB einsehen, wie ohne das Kapital,<br />

das <strong>der</strong> Sparsame aufhauft, uberhaupt keine Produktion denkbar ist." Kapital und<br />

Arbeit sind daher letztlich Verbundete, und ihre Interessen befinden sich im Einklang<br />

(Seeber, 1986, S. 305).<br />

An <strong>der</strong> Berliner Universitat nahm Richter am Seminar des Statistikers Carl<br />

Friedrich Wilhelm <strong>Die</strong>terici teil. Doch weit mehr als von den Vorlesungen fiihlte<br />

sich Richter von den Sitzungen des Preu13ischen Abgeordnetenhauses angezogen.<br />

Der Aufenthalt in Berlin verschaffte auch Gelegenheit zum Kontakt mit jenen<br />

Mannem, die damals den Kongre13 deutscher Volkswitie ins Leben gelufen hatten,<br />

daluuter John Prince-Smith und seinen Kreis. Er besuchte mehrere <strong>der</strong> jahrlichen<br />

Treffen des Kongresses und hielt sogar Ansprachen. Zudem liefelie er Beitrage<br />

fur die Viertelj"ahrschrift fur Volkswirtschaft, PoUlik und Kulturgeschichte,<br />

die damals zu erscheinen begann. Viele Jahre spater erinneli sich Richter <strong>der</strong> Ansprache,<br />

die Karl Braun, <strong>der</strong> Vorsitzende aller Tagungen des Kongresses, 1859 in<br />

Frankfurt a. M. hielt und <strong>der</strong>en Hauptpunkt lautete: "Hatten wir auch noch kein<br />

deutsches Reich, so gabe es doch eine deutsche Nation, <strong>der</strong>er allgemeinen wirt-<br />

19 Neumann (1927, S. 95). Rau bevorzugte Selbsthilfe und gegenseitige Hilfe zur Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Lage <strong>der</strong> Arbeiter: "insbeson<strong>der</strong>e ist zu wiinschen, daB die Arbeiter die volkswirtschaftlichen<br />

Gesetze kennen lemen, urn sich vor Irrwegen zu hilten." Er empfahl Arbeitervereine zur<br />

Unterstiitzung von bedilrftigen Mitgliedem, Verbrauchergenossenschaften und "Hilfskassen<br />

[...] mit freiwilligem Beitritt und Beteiligungsmass'" fur Invaliditat und Alter, sowie fur die<br />

Hinterbliebenen. (Neumann, 1927, S. 95f.)

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