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Die Partei der Freiheit

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Einfiihrung<br />

XI<br />

Socialpolitik zusammen. Sie gewannen schnell politischen EinfluB und ebneten<br />

den Weg zur Abkehr von del' liberalen Wirtschaftspolitik. Gleichzeitig<br />

bekampften sie die Laissez-faire-Lehre des "Manchestertums", die sie in einer<br />

vollig verzerrten Version darstellten. 1m Zuge diesel' Entwicklung und beson<strong>der</strong>s<br />

in del' Flottenfrage, d.h. des Aufbaus einer deutschen Kriegsflotte, wurden sie<br />

spater zu Stiitzen <strong>der</strong> nationalen Expansions- und Kolonialpolitik. Das<br />

langfristige Erbe del' damals eingeleiteten Abkehr yom Liberalismus und del'<br />

offentliche Ruckhalt, den seine Gegner gewannen, ist die tiefsitzende<br />

StaatsgHiubigkeit vieleI' Deutscher, die allzu oft im gesellschaftlichen ProzeB<br />

auftauchende Probleme mit dem einfallslosen Ruf nach dem Staat beantwortet.<br />

Friedrich Naumann (1860-1919) gilt vielen als del' letzte groBe liberale·Reprasentant<br />

des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundelts und als del'<br />

Schopfer eines neuen Liberalismus. Raico halt jedoch Naumanns "Neudeutsche<br />

Wiltschaftspolitik" fur ein Werk, dem - andel's als den Schriften des klassischen<br />

Liberalismus - die theoretische Glundlage und VOl' allem die Fundielung in del'<br />

Okonomik fehlt. Naumanns bertihmteste Arbeit, sein Buch "Mitteleuropa",<br />

thematisiert allerdings einen Aspekt, dem heute wie<strong>der</strong> Aufmerksamkeit wi<strong>der</strong>fahrt,<br />

namlich die Schaffung eines mittel- und osteuropaischen Wi11schaftsraumes,<br />

del' in <strong>der</strong> Vision des Autors in einen vierten Weltstaat neben Amerika,<br />

RuBland und dem britischen Empire einmunden sollte. Eine recht imperialistische<br />

Sicht.<br />

<strong>Die</strong> Geschichte nach dem ersten und erst recht dem zweiten Weltkrieg ist zwar<br />

ganzlich andel's verlaufen. Das schlieBt nicht aus, daB die ungekla11en Fragen <strong>der</strong><br />

Finalitat Europas und die Sorgen ob neuer deutscher Hegemoniebestrebungen im<br />

Rahmen einer vertieften Europaischen Union emeut offentliche Aufmerksamkeit<br />

beanspruchen. <strong>Die</strong> klassisch-liberale Antwort auf ein System konkurrieren<strong>der</strong><br />

Machtblocke durfte im Lichte <strong>der</strong> Arbeiten von Eric L. Jones nicht darin zu<br />

sehen sein, daB eine Weiterentwicklung zu einem Weltstaat befurwortet wird. Sie<br />

durfte vielmehr im Verlangen nach del' Sicherung des friedlichen Wettbewerbs<br />

del' Staaten untereinan<strong>der</strong> bestehen. Naumann selbst abel', so meint Raico, kann<br />

nicht als ein Liberaler im klassischen Sinne bezeichnet werden, denn dafur waren<br />

seine Meinungswechsel zu haufig und seine nationalistische Begeistelung fur den<br />

Kriegskommunismus zu groB.<br />

Raicos Buch ist aus dem Blickwinkel eines vorzuglich informie11en Kennel's<br />

del' deutschen Geschichte des 19. Jahrhundelts geschrieben. Es bekundet groBen<br />

Respekt vor den Liberalen des vorigen Jahrhunde11s, ohne <strong>der</strong>en theoretische<br />

Schwachen wie auch - in einigen Fallen - <strong>der</strong>en Sinneswandel zugunsten staatssozialistischer<br />

Modelle zu verschweigen. Es ist zu hoffen, daB Raicos Werk die<br />

deutsche Diskussion befruchtet und die Verzenungen, die sich mittlelweile in die<br />

allgemeine Beurteilung des deutschen Liberalismus eingeschlichen haben, nachhaltig<br />

zu korrigieren hilft.<br />

Koln, im Januar 1999<br />

Christian Watrin

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