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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 3: Eugen Richter: Seine Laufbahn, seine Gedanken und seine Kritiker 89<br />

Der Hohepunkt von Richters politischer Laufbahn kam im Jahre 1884, als er<br />

zum Vorsitzenden einer vereinigten linksliberalen <strong>Partei</strong> gewahlt wurde, namlich<br />

zu dem <strong>der</strong> Deutschen Freisinnigen <strong>Partei</strong>, die mit mehr als hun<strong>der</strong>t Mandaten die<br />

groBte Fraktion im Reichstag stellte. <strong>Die</strong> Stunde des Liberalismus in Deutschland<br />

schien gekommen zu sein: Kaiser Wilhelm I. war 87 Jahre alt, und <strong>der</strong><br />

Kronzprinz Friedrich war <strong>der</strong> freiheitlichste aller Hohenzollern. Aber es kam an<strong>der</strong>s,<br />

als es vielleicht fur die Deutschen zu wiinschen gewesen ware: Das politische<br />

Geschick Bismarcks sorgte dafur, daB die Freisinnige <strong>Partei</strong> in zwei Wahlen<br />

zertriimmert wurde, und als Friedrich 1888 endlich den Thron bestieg, war er<br />

todkrank. <strong>Die</strong>se WechselHille haben jedoch <strong>der</strong> politischen Einstellung Richters<br />

nichts anhaben konnen. Fur weitere an<strong>der</strong>thalb Jahrzehnte hielt er eisem an seinen<br />

Grundsatzen fest, welche allerdings seinen zahllosen Kritikem zunehmend<br />

uberholt und belanglos erschienen. Unglucklicherweise ist <strong>der</strong> Verfall des deutschen<br />

Liberalismus mit Eugen Richters Laufbahn eng verknupft. Am Ende war er<br />

<strong>der</strong> letzte echt liberale Fuhrer, <strong>der</strong> im Parlament einer groBen Nation verblieben<br />

war.<br />

* * *<br />

Jenseits eines engeren Freundes- und Mitarbeiterkreises waren die uber<br />

Richter geauBerten Meinungen und Stellungnahmen sowohl zu seinen Lebzeiten<br />

als auch spater unter Historikern auBergewohnlich negativ. Das ist auch weiterhin<br />

<strong>der</strong> Fall. Verstandlich ist das seitens seiner damaligen politischen Feinde: Ob<br />

Rechte o<strong>der</strong> Linke - Richter ersparte ihnen niemals die Hiebe seiner ansehnlichen<br />

analytischen Fahigkeiten und seines beiBenden Sarkasmus, und er konnte sie bis<br />

aufs Blut reizen. Maximilian Harden nennt einige Feinde, die sich Richter gemacht<br />

hatte:<br />

"Von denen, die [...] unter Bambergers Fiihrung zu ihm gekolnmen waren, wie<strong>der</strong><br />

verlassen und unheilbarer Tyrannis angeklagt. Von den Sozialdemokraten geschmaht,<br />

wie sonst nur die urn Fingersbreite vom Dogmenwege gewichenen Genossen.<br />

[...] Wie schalten und hohnten wir ihn! Fanden ihn, wenn wir ihn angeschwarzt,<br />

noch immer nicht schwarz genug. Hie13en ihn rUckstandig, einen Kalkulatorkopt:<br />

blind, fossil" (Harden, 1906, S. 419).<br />

Kronprinz Wilhelm, <strong>der</strong> spatere Wilhelm II., heckte sogar einen - allerdings<br />

niemals velwirklichten - Plan aus, Richter von sechs Unteroffizieren "durchhauen"<br />

zu lassen. 7<br />

Bismarck, <strong>der</strong> "den Fortschritt resp. dessen Nachfolgerin, die deutsch-freisinnige<br />

<strong>Partei</strong>, als seinen schlimmsten Feind" (Wagener, 1884, S. 78) ansah, ging so<br />

weit, Richter und die an<strong>der</strong>en FUhrer <strong>der</strong> Fortschrittspartei "die deutsche Version<br />

<strong>der</strong> russischen Nihilisten" zu nennen. Es vertraute dem greisen Kaiser Wilhelm 1.<br />

an, unter Mannem wie Richter sei "das Material fur Conventsdeputierte" zu finrung<br />

und sozialistischer Opposition." Damit wird angedeutet, daB Adenauer einem eher<br />

Bismarckschen Ansatz folgte.<br />

7 Nach dem Bericht des Kronprinzen Rudolf von Osterreich-Ungarn~ Hamann (1978, S. 333).

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