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als Nahrung und Wasser.<br />
Der Satz „wie im Himmel so auf<br />
Erden“ stellt eine Maxime <strong>des</strong> Handelns<br />
dar. Zuerst der Himmel dann<br />
die Erde. Aber es handelt sich hier<br />
wohl um ein Komparativ, also um<br />
einen qualitativen Gleichstand. Von<br />
was? Es heißt „Dein Wille“. Wieder<br />
bricht der „Du-Raum“ empor als<br />
erste Aufforderung. Nicht mein Wille,<br />
sondern Dein Wille geschehe,<br />
ereigne sich hier wie dort.<br />
Wir gehen also in zweifacher Weise<br />
aus uns heraus: Mit „Dein“ und<br />
mit „wie im Himmel“. Dort wo dein<br />
Name beheimatet ist, dort sollst Du<br />
Deine Absicht äußern, damit sie<br />
hier so wird wie dort.<br />
Erst wird der Atemimpuls als dem<br />
Jenseits zugehörig empfunden und<br />
soll als Name <strong>des</strong> Herrn geheiligt<br />
werden. Der Raum wird in uns offen<br />
werden für das Ereignis <strong>des</strong><br />
Kommens Seines Reiches. Dieses<br />
Eintreten ruft das Manifestieren<br />
eines Willens hervor, das nicht in<br />
mir, sondern im inneren „Du-Raum“<br />
zu vernehmen ist.<br />
Die weitere Bitte richtet sich an die<br />
Angleichung dieser jenseitigen Bewegung<br />
mit dem diesseitigen Leben<br />
zu einer Einheit <strong>des</strong> Willens,<br />
das sich beim Betenden bilden soll.<br />
Wir hören auf den schöpferischen,<br />
unwillkürlichen Atemimpuls, wir<br />
stimmen uns auf diesen Raum,<br />
der sich in uns ereignet und uns<br />
mit sich hinein nehmen kann. Das<br />
Kommen <strong>des</strong> Reiches soll die Absicht<br />
von “drüben“, vom Verborgenen,<br />
mitbringen.<br />
„Unser tägliches Brot gib uns<br />
heute.“<br />
Wenn dies erfüllt wird, dann wird,<br />
dem Menschen wahre Nahrung zuteil:<br />
Den göttlichen Atem als Brot,<br />
das täglich eingenommen wird.<br />
„Unser tägliches Brot“ eröffnet uns<br />
die Wahrheit, dass diese Nahrung<br />
für uns alle da zu sein hat. Für dich<br />
und für mich. Für uns.<br />
„Gib uns“ macht uns wieder passiv<br />
im Empfangen. „heute“ ist jetzt. „Gib<br />
uns heute“ heißt unmittelbar jetzt,<br />
in diesem Augenblick. Wir bitten für<br />
unsere Brüder und unsere Schwestern.<br />
Es handelt sich nicht um ein<br />
Ich, sondern um ein “Uns“, dem das<br />
Brot <strong>des</strong> Lebens zugeteilt werden<br />
soll. Gib uns heute das, was uns alle<br />
miteinander am Leben erhält. Ohne<br />
dieser liebende Anteilnahme am Du<br />
kann die spirituelle Leiberfahrung<br />
nicht zu Ende geführt werden. Der<br />
Schritt zum Wir bringt das komplexe<br />
Beziehungsgeflecht zwischen uns<br />
und unseren zwischenmenschlichen<br />
Beziehungen zum Vorschein.<br />
Die Einheit im Atem erfordert von<br />
uns die Entbindung von einer Art<br />
der Anhaftung, die uns hindert, zum<br />
Ziele zu gelangen.<br />
„Und vergib uns unsere Schuld,<br />
wie wir auch vergeben unsern<br />
Schuldigern“<br />
Vorhin war „wie im Himmel so auf<br />
Erden“. Hier taucht dieses “wie“ in<br />
dem folgenden Gebetspassus: „wie<br />
auch wir vergeben“ auf. Vergeben<br />
heißt gehen lassen. Das, was der<br />
Atem mit sich bringt. Nicht sein initialer,<br />
schöpferischer Impuls, sondern<br />
das, was auf ihn lastet, als<br />
Gewicht, Last oder gar Bürde. Wir<br />
machen uns los von den Gedanken<br />
<strong>des</strong> Gegenausgleiches. Statt<strong>des</strong>sen<br />
sprechen wir all unsere gescheiterten<br />
oder erschwerten Atembeziehungen<br />
mit ihren Erscheinungen<br />
von Grimm, Groll, Missgunst oder<br />
Neid frei. Es ist eine aktive Hingabe<br />
damit verbunden. Ein Hingebenwollen<br />
unter dem Aufruf seiner Vergebung,<br />
die als Gnade, als ein Kommen<br />
zu erwarten ist.<br />
Der Atem kommt und geht. Dazwischen<br />
ist Raum, ist eine Pause, die<br />
den Rhythmus skandiert. Ein Raum,<br />
aus dem das Einatmen kommt und<br />
ein Raum, wohin das Ausatmen<br />
geht. Wenn wir die Augen zuschließen,<br />
wird dieser Raum unermesslich<br />
groß: Ein Atemraum, eingespannt<br />
zwischen dem Jenseitigen, aus dem<br />
der Atem kommt, und dem Diesseitigem<br />
zu dem der Atem, hingeht und<br />
wieder umgekehrt.<br />
Gebundener Atem bzw. Atembindung,<br />
ist ein Hindernis auf dem Weg<br />
zur Heilerfahrung „Deines Namens“,<br />
zur Einkehr und Einwohnung <strong>des</strong><br />
Numinosums im Leib. Der „Du-<br />
Raum“ außerhalb von uns stellt die<br />
Grundlage dieser Erfahrung dar, die<br />
als gereinigte Stätte zu pflegen ist.<br />
Es tut not, dieses „Du“ aus dem<br />
ganzen Herzen zu sagen und sich<br />
nach ihm von der ganzen Seele zu<br />
sehnen.<br />
„Und führe uns nicht in Versuchung,<br />
sondern erlöse uns von<br />
dem Bösen.“<br />
Wenn dieser „Du-Raum“ in mir abgesondert<br />
und vom geheiligten<br />
Atem gereinigt wurde, ruft er unwiderruflich<br />
die Versuchung auf den<br />
Plan. Diese Versuchung konfrontiert<br />
den Betenden, mit seinem eigenen<br />
Schatten und dieses Dunkel hat einen<br />
Namen: „Macht“.<br />
Die Macht kommt dem Betenden<br />
durch den Zuwachs an Kraft entgegen,<br />
den er durch die Freigabe<br />
von schlechten Atembindungen am<br />
eigenen Leib erfuhr. Es handelt sich<br />
um einen Wachstumsprozess, eine<br />
Verwirklichung von “Atempotenz“.<br />
Durch den Zugang zum göttlichen<br />
Namen kommt die letzte Hürde auf<br />
dem Weg <strong>des</strong> atmenden Gebets<br />
zum Vorschein. Sie ist Teil <strong>des</strong> göttlichen<br />
Plans und verlangt nach der<br />
Aufgabe von eigenem Machtstreben,<br />
von eigener Willkür. Die Teilhabe<br />
am Reich Gottes bedeutet bereits<br />
einen Zugang zum Jenseitigen<br />
im Diesseitigen zu erlangen. Diese<br />
28 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 2010-4