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nicht mehr fließt, ist dem Untergang<br />
geweiht.<br />
Die Kunst, in uns selber dieses Du<br />
wachzurufen und im alltäglichen Leben<br />
zu pflegen und zu erhalten, verändert<br />
uns Menschen zutiefst.<br />
Im Buch der Schöpfung, im leiblichen<br />
Dasein, erfahren wir die tiefe<br />
Wahrheit unseres wahren Abbil<strong>des</strong>.<br />
Das christliche „Vater Unser“ kann<br />
als ein Weg zu diesem göttlichen<br />
Abbild betrachtet werden. Als Abbild,<br />
das Gott als ein Du, als ein Gegenüber,<br />
anzusprechen weiß.<br />
Das „Vater Unser“ enthält Kernsätze<br />
spiritueller Atemerfahrung. Es liegt<br />
in diesem Gebet eine Art verschlüsselte<br />
Aufzählung von wichtigen<br />
Empfehlungen vor, die vom Meister<br />
dem Schüler zur Tiefen - Erfahrung<br />
<strong>des</strong> Numinosums (ein Begriff von<br />
Rudolf Otto) weitergegeben wurden.<br />
Mit den folgenden Sätzen werde<br />
ich versuchen, einen kleinen Abriss<br />
von dem wiederzugeben, was<br />
ich als Atem-Exerzitien bezeichne.<br />
Sie eignen sich für die kontemplative<br />
Betrachtung <strong>des</strong> „Vater-Unser“<br />
als Atemgebet, als Gebet <strong>des</strong> atmenden<br />
Ursprungs im Menschen.<br />
„Unser Vater im Himmel!“<br />
Die Anerkennung <strong>des</strong> Vaters, der<br />
uns allen den Odem in der Nase einbläst,<br />
als eine Bewegung, die nicht<br />
von hier ist, nicht dem Diesseits<br />
zuzuordnen ist. Der Ursprung der<br />
atmenden Bewegung ist ein Impuls<br />
aus jenseitiger Quelle: Der auslösende<br />
Moment, der jedem Atemzug<br />
innewohnt. Leitsatz hierfür ist: “Es<br />
atmet in mir“. Es kommt und es geht<br />
unabhängig von meinem Willen. Es<br />
geschieht unablässig, überall und zu<br />
jederzeit. Alles atmet, Alles ist von<br />
seinem Odem erfüllt. Atem ist Leben<br />
und Leben kommt nicht von hier, es<br />
stammt nicht von dieser Welt, sondern<br />
vom Himmel, dem Ort <strong>des</strong> Vaters.<br />
Von dort kommt der Atem her,<br />
und er wird uns von Ihm in unsere<br />
Nasen eingeblasen. Unsere Bruderschaft<br />
und Schwesternschaft untereinander<br />
ist auf diesen jenseitigen,<br />
himmlischen Ursprung begründet.<br />
Diese Zugehörigkeit zur Atemgemeinschaft<br />
kommt im Gebet durch<br />
den Ausruf <strong>des</strong> “Unser“ zum Ausdruck.<br />
Damit wird ein Bekenntnis<br />
<strong>des</strong> Betenden zu dieser Gemeinschaft<br />
von Brüdern und Schwestern<br />
unter dem Ruf nach dem gemeinsamen<br />
All-Vater offenbar. Es handelt<br />
sich um ein Rufen nach dem<br />
Gehör aus der jenseitigen Quelle,<br />
dem verborgenen Ort <strong>des</strong> Vaters,<br />
der als unmerklicher, leiser Impuls<br />
zur Entstehung der Atemwelle im<br />
Körper führt.<br />
„Dein Name werde geheiligt“<br />
Dein ist nicht mir zugehörig. Dein ist<br />
Du-Wendung, ist außerhalb meiner<br />
selbst. Nicht in mir finde ich dich,<br />
sondern in der aktiven Anrede, also<br />
wenn ich dich anspreche. Name ist<br />
Wirkkraft und Zuordnung zugleich.<br />
Benennend tritt der Mensch in Erscheinung.<br />
Mit der Erscheinung wird die Eigenart,<br />
die Eigenschaft mit dem Nutzen<br />
<strong>des</strong> Wortes festgelegt. „Dein Name<br />
werde...„ Außerhalb meiner Reichweite<br />
werde Dein Name geheiligt,<br />
abgesondert aus dem allgemein<br />
Gültigen, aus dem rein kausalen<br />
und rationalen Standpunkt normierter<br />
Handlungen. Es entsteht<br />
ein Raum in mir, wodurch das geliebte<br />
Du vom Gewohnten ausgegrenzt<br />
wird. Gewohnheit neigt zum<br />
Stumpfsinn. Dem kann der Mensch<br />
nur durch Heiligung <strong>des</strong> großen Du<br />
als Wirkkraft der tätigen Atembewegung<br />
begegnen. Diese gilt Dir.<br />
„Dein Reich komme“<br />
Nachdem der Name in mir selber<br />
abgesondert, ja von mir abgetrennt<br />
wird (der Atem wird nicht mehr als<br />
mir zugehörig erkannt, sondern als<br />
ein selbstständiges „Du-Sein“, das<br />
in mir als Ursprung <strong>des</strong> Lebens, als<br />
innewohnende Quelle wirkt), bitte<br />
ich um das Kommen Deines Reiches.<br />
Das Kommen als ein von mir,<br />
Betenden, zu Empfangenden, also<br />
nicht willentlich zu Nehmenden.<br />
Das rezeptive Verhalten <strong>des</strong> Bittenden<br />
stellt die Voraussetzung für<br />
das Eintreffen <strong>des</strong> Reiches, das<br />
mit Seinem Namen verbunden ist:<br />
„Dein Reich“. Im Atemgeschehen<br />
beinhaltet dies das „Kommen-Lassen“<br />
<strong>des</strong> Atemstromes, das „Geschehen-<br />
Lassen“. Ein immer währen<strong>des</strong><br />
Kommen und Gehen, das<br />
mich durchflutet.<br />
In diesem empfangenden Raum<br />
kann sich das Kommen als Ereignis<br />
der Parusie manifestieren, die ihre<br />
messianischen Richtung anpeilt.<br />
„Wie ein Dieb in der Nacht“ wird<br />
dieser Vorgang zu erleben sein,<br />
völlig unerwartet und vollkommen<br />
überraschend.<br />
„Dein Wille geschehe wie im<br />
Himmel so auf Erden“<br />
Der Atemimpuls entspringt der<br />
himmlischen Quelle, die jenseitiger<br />
Natur ist. Dieser Impuls erhält uns<br />
am Leben. Leben ist aber am Diesseits<br />
orientiert. Leben geschieht im<br />
Hier und Jetzt. Erde ist Diesseits,<br />
Erde ist Körperraum, wo Atem sich<br />
ereignen kann. Der Atemimpuls,<br />
der von selbst kommt, ist aber unter<br />
unserem Willen beeinflussbar. Wir<br />
können den Rhythmus beschleunigen<br />
oder verzögern, wir können<br />
sogar den Atem, anhalten.<br />
Wille ist die Brücke zwischen dem<br />
Jenseitigen, dem Ort <strong>des</strong> Vaters<br />
und der Erde, das Diesseitige, das<br />
am Leben erhalten werden muss.<br />
Unser Körper braucht unbedingt<br />
den Atem um zu existieren. Mehr<br />
2010-4 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 27