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<strong>Strahlen</strong><br />
<strong>des</strong> <strong>Lichts</strong><br />
Wintersonnenwende 19. Jahrgang 2010-4<br />
« ein urteilsfähiger Intellekt « ein fühlen<strong>des</strong> Herz « ein gesunder Körper «<br />
Eine Zeitschrift der christlichen Esoterik<br />
für Freunde der Rosenkreuzerlehren
Editorial<br />
Inhalt<br />
Liebe Freunde,<br />
das Jahr 2010 geht nun zur Neige und die<br />
Geburt <strong>des</strong> Jahres 2011 steht bevor. Ein<br />
Zyklus, in dem wir ebenfalls eingebunden<br />
sind und selbst dabei neu geboren werden<br />
können.<br />
Nach einer Vorbereitungszeit in Ruhe und<br />
Zurückgezogenheit, wird aus der Summe<br />
<strong>des</strong> Bisherigen das Neue geboren, um<br />
sich zart und umhegt zu entwickeln und zu<br />
einem eigenständigen Wesen zu wachsen.<br />
Nutzen wir nun die gegenwärtige dunkle<br />
Zeit und bereiten wir uns auf eine neue<br />
Geburt vor. Bringen wir Licht in das Dunkel,<br />
denn Dunkelheit ist nur die Abwesenheit<br />
von Licht!<br />
Öffnen wir unsere Augen und betrachten<br />
wir alle Dinge, Ereignisse und Bewegungen<br />
um uns herum. Analogie und Symbolik<br />
helfen uns dabei, Zusammenhänge<br />
zu erkennen.<br />
Wachsen wir an Erkenntnis und bauen wir<br />
das Erkannte in unser Leben ein, bis es in<br />
uns Wohnung gefunden hat – Gewohnheit<br />
geworden ist.<br />
Reinigen wir alles an und in uns wie ein<br />
Goldsucher, und suchen wir nach dem<br />
Edelsten und Wertvollstem. Bringen wir<br />
dieses Wertvollste in uns zur Geburt.<br />
Hegen und pflegen wir es. Beschützen wir<br />
es, damit es wachsen kann und zu leuchten<br />
beginnt, zu einem starken energiegeladenen<br />
eigenständigen Wesen sich entwickeln<br />
kann, das Licht in unsere Finsternis<br />
bringt und dadurch die Dunkelheit auflöst.<br />
Wir wünschen Ihnen eine besinnliche<br />
Weihnachtszeit und einen erfolgreichen<br />
Jahresanfang.<br />
Ihr Redaktionsteam<br />
2 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 2010-4<br />
02 Editorial<br />
Impressum<br />
03 Die heilige Weihnachtszeit<br />
07 Wintersonnenwende<br />
10 Corinne Heline<br />
11 Farbe und Musik im<br />
Neuen Zeitalter<br />
18 Darstellung und Symbolik<br />
von Weihnachten<br />
20 Essen Sie sich gesund<br />
21 Über den Weg zum<br />
AtemSelbst<br />
29 Heilungsdaten<br />
30 Erbauer, materiell und<br />
geistig<br />
36 RCF Intern<br />
Impressum:<br />
RCF Rosenkreuzer Freun<strong>des</strong>kreis, Redaktion<br />
<strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> Licht, c/o Werner Chlouba,<br />
Humboldtstraße 39, 30890 Barsinghausen,<br />
Tel. 05105 84380, Mail: info@rosen-kreuzer.<br />
eu, www.rosen-kreuzer.eu, Spendenkonto:<br />
Nr. 211 469 00 BLZ 694 900 00 Volksbank Villingen,<br />
IBAN DE 19 6949 0000 0021 1469 00,<br />
BIC-Code: GENO DE 61 VS1, Namentliche<br />
Artikel werden vom Verfasser verantwortet,<br />
Fotos: www.pixelio.de, www.picspack.de, Die<br />
Zeitschrift <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> wird kostenlos<br />
an alle interessierten Freun<strong>des</strong> der Rosenkreuzerlehren<br />
verteilt. Zur Unterstützung der<br />
Vervielfältigung und <strong>des</strong> Versands, bitten wir<br />
um Spenden an obige Adresse oder Überweisung<br />
auf unser Spendenkonto.
Die heilige Weihnachtszeit<br />
Peter Rosegger<br />
Wenn der Städter über Feiertage etwas<br />
Sicheres wissen will, so muss<br />
er sich bei den Bauern anfragen.<br />
Der städtische Arbeiter genießt den<br />
Feiertag, ohne viel darüber nachzugrübeln;<br />
der Bauer, der sonst<br />
nicht gerade gewohnt ist, den Grund<br />
und Zweck der Dinge zu erfassen,<br />
will jedoch wissen, warum er rastet,<br />
in die Kirche geht oder sich einen<br />
Rausch antrinkt. Er hat seine Feiertagswissenschaft<br />
und seine Feiertagsstimmung.<br />
Ich will von mir nicht reden, sagt<br />
man, wenn man von sich selbst zu<br />
reden beginnt. Allein um das zu sagen:<br />
Ich war, so lange mich die Bauernfeiertage<br />
noch etwas angingen,<br />
ein gar radikaler Patron. Mir waren<br />
der Kirchenkalender und darin die<br />
einzelnen Feste chronologisch zu<br />
sehr verschoben. Ich wollte, dass<br />
das kirchliche Jahr und das Sonnenjahr<br />
gleichen Schritt halten sollten,<br />
wie sich‘s auch gehört, wenn Himmel<br />
und Heiland mit einander harmonieren<br />
wollen. Da die Sonne nun<br />
aber einmal nicht nachgibt, so sollte<br />
die Kirche nachgeben. Sie hätte,<br />
wie ich einmal gelesen, ihre größten<br />
Feste ohnehin auf willkürliche<br />
Tage gesetzt. Und wenn am 22. Dezember,<br />
als an dem Tage, da die so<br />
tief gesunkene Sonne ihre Umkehr<br />
hält, schon der Advent nicht beginnen<br />
will, so hätte ich es min<strong>des</strong>tens<br />
gern gesehen, dass am selben Datum<br />
der Christtag gewesen wäre.<br />
Daran hätte sich ohne Einschub<br />
schicksam gereiht alle Feste, die<br />
sich auf die Kindheit Jesu beziehen,<br />
als das Fest der Beschneidung, der<br />
Opferung, der Heiligen drei Könige,<br />
der Unschuldigen Kinder u. s. w. so<br />
dass wir mit den Weihnachtsfeiertagen<br />
bequem vor dem Fasching<br />
fertig geworden wären. Nach derselben<br />
Fortsetzung alle weiteren<br />
Feste, mit denen man bis Ende Juni<br />
zu Rande gekommen sein würde.<br />
Die zweite Hälfte <strong>des</strong> Jahres könnte<br />
den Heiligenfesten gewidmet wer-<br />
den, und das Durcheinander wäre<br />
einmal nicht Not! - Und die Richtigschiebung<br />
der Zeit könnte auf die<br />
einfachste Weise bewerkstelligt<br />
werden, wenn man vierzig Jahre<br />
lang den Schalttag aus dem Spiele<br />
ließe. Durch das zehnmalige Wegfallen<br />
<strong>des</strong> Schalttages wäre das<br />
bürgerliche Jahr um zehn Tage<br />
verrückt und fiele mit dem Sonnenjahr<br />
zusammen. - Ich habe diese<br />
Reformpläne auch richtig einmal<br />
meinem Beichtvater, dem guten<br />
alten Pfarrer Johann Plesch in Kathrein<br />
am Hauenstein, vorgelegt;<br />
dieser meinte, wie er die Gelehrten<br />
und auch die Katholische Kirche<br />
kenne, würden sie auf eine solche<br />
Änderung nicht eingehen wollen.<br />
Es hätten die Franzosen einmal<br />
bei einer großen Revolution mit<br />
Feuer und Schwert die Sonn - und<br />
Feiertage verlegt, wäre doch aber<br />
schließlich die heilige Kirche mit ihrem<br />
alten Brauch Herr geblieben.<br />
So sollte ich als einfältiger Bauernbub<br />
von solchen Sachen hübsch<br />
still sein.<br />
Sonach beschäftigte ich mich heute<br />
mit dem, wie es ist, und nicht mit<br />
dem, wie es sein sollte.<br />
Die Weihnachtszeit hebt - wie die<br />
Weltgeschichte überhaupt - mit<br />
Adam und Eva an. Diese unsere<br />
lieben Eltern haben dem Kalender<br />
nach am 24. Dezember ihren Namenstag.<br />
Daher könnten schlechte<br />
Christen die Weihnachtsgeschenke<br />
auch so auslegen, als ob am Tage<br />
ihrer ersten Eltern, als am Erinnerungstage<br />
ihres eigenen Entstehens,<br />
die Menschheit mit Liebesgaben<br />
sich selber gratulierten. Weil ihr<br />
in der Tat zu gratulieren wäre, wenn<br />
sie sich täglich so benähme, wie<br />
am Weihnachtsabende.<br />
Die eigentliche Weihnachtsvorahnung<br />
beginnt mit dem „Nikolo“ und<br />
vollends mit der Thomasnacht, die<br />
Christnacht und die Silvesternacht<br />
sind die Nächte der fragenden<br />
Jungfrauen. In der Thomasnacht<br />
2010-4 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 3
werfen sie ihre Schuhe nach der<br />
Kammertür; bleiben die Schuhe so<br />
liegen, dass die Spitzen in die Kammer<br />
weisen, so kommt im nächsten<br />
Jahr ein Bräutigam; stehen<br />
die Schuhspitzen gegen die Tür,<br />
so kann auch einer kommen, geht<br />
aber wieder fort. In der Christnacht<br />
tragen die Jungfrauen vom Holzgelass<br />
einen Arm voll Scheiter ins<br />
Haus; sind die Scheiter paarweise,<br />
heißt das: In gerader Zahl, so wird<br />
im nächsten Jahr geheiratet. In der<br />
Neujahrsnacht endlich soll beim<br />
Bleigießen ein Figürlein die Hoffnung<br />
bestätigen. Das liebe Dirndl<br />
im Hochreithhofe! Die Schuhe<br />
versprachen ihn, die Scheiter versprachen<br />
ihn und das Blei ließ die<br />
günstige Auslegung zu. Er kam, sie<br />
saß ihm auf und - blieb sitzen. Jetzt<br />
weiß man nicht, sind die Männer<br />
nichts nutz, oder die Gebräuche!<br />
Das heilige Schauern, das am<br />
Christabend durch die Welt geht,<br />
empfindet auch der Bauer. Auch<br />
ihm wird warm. Ist‘s doch als ob an<br />
diesem Tage die Naturgesetze andere<br />
geworden wären. Fast bangt<br />
man um das Gleichgewicht der<br />
Welt, da so plötzlich alles Freude ist<br />
und überall die Charitas herrscht.<br />
Zum Glück ist der Tag bald vorüber,<br />
dem großen Feste ducken sich<br />
St. Stefan und Johannes an; der<br />
Erstere will als Erzmärtyrer an der<br />
Weihnachtsfeier Anteil haben, der<br />
Letztere beruft sich auf seine besondere<br />
Freundschaft mit dem Heiland;<br />
der erstere macht sich bei den<br />
Bauern durch sein Stefaniewasser<br />
wichtig, der Letztere weiß sich mit<br />
dem Johanneswein einzuschmeicheln<br />
- aber zu dem eigentlichen<br />
Weihnachtsgefolge gehört keiner<br />
von beiden. Erst der Unschuldige -<br />
Kindertag ist wieder echt; er bringt<br />
in den süßen Weihnachtsfrieden die<br />
schreckbare Kunde von dem Kindermassenmord<br />
<strong>des</strong> Hero<strong>des</strong>. Das<br />
Volk feiert dieses Gedächtnis durch<br />
Rutenstreiche, mit denen eins das<br />
Andere am Morgen <strong>des</strong> achtundzwanzigsten<br />
Tages im Dezember<br />
unter den Worten: „Frisch und gesund!“<br />
aus dem Bette peitscht.<br />
Nach den unschuldigen Kindern<br />
kommt ein heiliger Thomas, geborener<br />
Londoner, ein Bischof zu<br />
Kandelberg, der sich so wacker und<br />
unbiegsam den Staatsgesetzen seines<br />
Vaterlan<strong>des</strong> widersetzt hatte,<br />
dass ihn die Kirche heilig gesprochen.<br />
Unsere Bauern nennen den<br />
Mann „Thoma Windfeier“ und sagen,<br />
wenn sie an diesem Tage nicht<br />
arbeiten, so werden sie im kommenden<br />
Jahre von kalten Winden<br />
und Stürmen verschont bleiben. Sie<br />
machen daraus den fünften Weihnachtsfeiertag.<br />
Als sechster folgt einer aus dem<br />
alten Testament - ein berühmter<br />
Poet und Saitenspieler - der liebenswürdige<br />
König David. Der alte<br />
Herr hat in der Tat auch ein Recht,<br />
Weihnachtsbesuch zu machen bei<br />
dem Kinde, das ja seinem - dem<br />
Geschlechte Davids entstammt.<br />
Heiligen - Legenden und antisemitische<br />
Kalender ignorieren den Alten<br />
und protegieren an diesem Tage die<br />
heilige Witwe Melania. Von dieser<br />
Witwe steht‘s in der Hauspostille<br />
<strong>des</strong> Bauers gar schon zu lesen: Sie<br />
war eine reiche Römerin, aus Liebe<br />
zu Gott etwas störrig gegen ihren<br />
Mann, bis sie dann beide ins Kloster<br />
gingen, wo der Gatte bald starb,<br />
Melania sich jedoch den göttlichen<br />
Wissenschaften hingab und mit großer<br />
Beredsamkeit der Frauen gegen<br />
die Irrlehren kämpfte. Vor so einer<br />
muss der jüdische Harfenist freilich<br />
zurück stehen.<br />
Endlich ist Silvester da. Dieser<br />
Mann war bekanntlich römischer<br />
Papst; er hatte stark mit den Juden<br />
zu kämpfen. Ich erinnere mich<br />
an ein Geschichtlein. Eines Tages<br />
brachten die Juden einen wilden<br />
Ochsen zu ihm und sagten: Der<br />
Name ihres Gottes sei so groß und<br />
schrecklich, dass, wenn sie selben<br />
dem Ochsen ins Ohr sagten das<br />
Tier auf der Stelle tot zusammen<br />
stürzen müsse. Der Papst ließ es<br />
auf eine Probe ankommen, und in<br />
der Tat, der Ochse fiel bei der Nennung<br />
<strong>des</strong> Judengottes um und war<br />
tot. Nun sagte der Papst Silvester:<br />
„Wenn der Name eures Gottes so<br />
schrecklich ist, ein Tier zu töten, so<br />
ist der Name <strong>des</strong> meinen so mächtig,<br />
es wieder zum Leben zu erwecken.“<br />
Er rief das Wort aus - und das<br />
Tier wurde wieder lebendig.<br />
In<strong>des</strong> hat Silvester seine große Berühmtheit<br />
weniger dieser Auferweckung<br />
zu danken, als dem Umstand,<br />
dass er der Schlusswart <strong>des</strong> Jahres<br />
geworden ist. Das ist aber beziehungsweise<br />
seit kurzer Zeit; erst<br />
im Jahre 1583, also vor dreihundert<br />
Jahren, hat der gregorianische Kalender<br />
im katholischen Deutschland<br />
Eingang gefunden, wonach Silvester<br />
als Torschließer angestellt wurde<br />
und als solcher mancherlei Gratifikation<br />
bezieht.<br />
Das Neujahrsfest ist der achte in der<br />
Reihe der Weihnachtsfeiertage. An<br />
diesem Tage schiebt der Bauer seinem<br />
Vaterunser folgenden Satz an:<br />
„Wölln Gott bittn um a glückseliges<br />
neus Jahr; und dass er‘s verflossni<br />
Johr glückseli g‘schenkt hot, donksogn!“<br />
Der Kracher Martin auf der<br />
Niederlenthen ist so gottergeben<br />
zufrieden, dass er, als ihm in einem<br />
Jahr ein reicher Oheim, zwei Weiber<br />
und eine Schwiegermutter starben,<br />
in dem Satz <strong>des</strong> darauf folgenden<br />
Neujahrsgebetes: „S verflossni Johr<br />
glückseli g‘schenkt hot, donksogn‘<br />
nicht eine Silbe änderte.<br />
Nun kommen vier Werktage, die<br />
aber, weil sie noch in der Weihnachtszeit<br />
liegen, eine gewisse Ausnahmestellung<br />
genießen; es soll in<br />
denselben weder gedroschen noch<br />
gesponnen werden. Der Abend <strong>des</strong><br />
5. Jänner gebärdet sich als ob mit<br />
ihm das hohe Fest von neuem beginnen<br />
wollte. Wie am Christ - und<br />
am Silvesterabend, so geht der<br />
4 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 2010-4
Bauer mit dem Weihrauchgefäß und<br />
dem Sprengwedel durch Haus und<br />
Hof; nur der Unterschied, dass er<br />
diesmal mit der Kreide an jede Tür<br />
und je<strong>des</strong> Tor drei Kreuze zeichnet,<br />
und auf die Türstirne seiner Stube<br />
oder den Trambaum folgende Zeichen<br />
malt: C + M + B +. Mancher,<br />
der‘s leider selber nicht kann, entlehnt<br />
sich irgendwo einen Schriftgelehrten,<br />
der ihm die „heiligen drei<br />
Könige“ aufschreibt.<br />
Mich ließ einst für dieses Geschäft<br />
unsere Nachbarin, die alte Riegelbergerin,<br />
holen; nun war im Hause<br />
ein Stück Kreide von der Größe<br />
einer Erbse, so dass ich es kaum<br />
zwischen den Fingern zu halten<br />
vermochte. Das C und das M gelangen<br />
mit Mühe, dann sprang das<br />
weiße Körnchen plötzlich ab, verkollerte<br />
sich auf dem Fletz und war<br />
nicht mehr zu finden. Was jetzt? Ich<br />
zeichnete das B mit einem Stück<br />
Holzkohle. Die Riegelbergerin erschrak,<br />
denn gerade als Schutz gegen<br />
den „Schwarzen“ hatte sie sich<br />
die heiligen Zeichen machen lassen.<br />
Fragte ich denn, ob sie diese Sache<br />
je mit besserem Schick und Sinn<br />
ausgeführt gesehen? Ob sie nie etwas<br />
davon gehört, von den heiligen<br />
drei Königen der eine der Balthasar,<br />
ein Mohr gewesen?<br />
Der Ausspruch hat mir ein Stück<br />
Kletzenbrot eingetragen; was weiter<br />
war, weiß ich nicht mehr.<br />
Wenn ihr brave Kinder wäret meine<br />
lieben Leser, ich würde euch viel<br />
Anmutiges erzählen von den heiligen<br />
drei Königen. Es sollen, sagt<br />
eine Auslegung, nicht sowohl Könige<br />
als Weise gewesen sein, aber<br />
man hat erwogen, dass man vor<br />
dem Volke mit goldschimmernden<br />
Königen mehr Ehre einlegt, als mit<br />
Weisen. Der Prophet Balaam hatte<br />
einst gesagt: Es wird aus dem<br />
Reiche Jakobs ein Stern aufgehen,<br />
und der wird einen mächtigen König<br />
bedeuten über Juden und Heiden.<br />
Hierauf stellten die Heiden Wächter<br />
auf einen Berg, den Stern zu erspähen,<br />
und diese wachten anderthalb<br />
tausend Jahre. Aber in einer Nacht,<br />
da von der Wüste der warme Hauch<br />
heranwehte und aus der Ferne das<br />
Meer rauschte, schliefen sie ein. Da<br />
ging der Stern auf. Das kündeten<br />
sie den Ländern. Und hierauf machten<br />
sich drei Könige auf den Weg,<br />
den Stern zu suchen. Es war nächtig<br />
und der Stern zuckte vor ihnen<br />
über den Erdeboden dahin, und weil<br />
sie Weise waren, so gingen sie dem<br />
neuen, unbekannten Lichte nach,<br />
Tage und Tage lang; es gesellten<br />
sich ihnen auch andere Könige und<br />
Herren bei mit großem Gefolge, bis<br />
sie in die Stadt Jerusalem kamen.<br />
In dieser Stadt sprachen sie beim<br />
Hero<strong>des</strong> vor, fragend, wo der große<br />
König sei, auf den der Stern deute?<br />
Der Judenkönig heehrte die Gäste<br />
mit Pomp und antwortete: Der<br />
große König sei er selber und einen<br />
andern kenne er nicht in diesem<br />
Lande. Sie möchten aber suchen,<br />
fänden sie einen, der größer wäre<br />
als er, so sollten sie es ihn wissen<br />
lassen, dann sei er der erste, der<br />
sich neige. Sie wanderten weiter.<br />
Der Stern glühte über die Auen<br />
dahin und stand still über einem<br />
Dache, das eine reisende Handwerksfamilie<br />
barg. Und ein Kindlein<br />
war da in der größten Armut und<br />
Bedürfnislosigkeit, und hatte helle,<br />
freundliche Augen. Die Könige,<br />
da sie müde waren und nicht mehr<br />
hoffen konnten, den Gesuchten zu<br />
finden, legten ihre besten Gaben<br />
dem Kinde hin. Aber die armen<br />
Leute sagten: „Wozu brauchen wir<br />
euer Gold, euren Weihrauch, Eure<br />
Myrrhen? Die Erde ist unser Bett,<br />
der Himmel ist unser Hut. Dieses<br />
Kind, welches so hablos ist, dass<br />
wir es auf das Heu <strong>des</strong> Rin<strong>des</strong> legen<br />
mussten, ist nicht gekommen<br />
zu empfangen, es ist gekommen zu<br />
geben.“<br />
Da flüsterten die Könige zueinander:<br />
„Wir haben ihn gefunden. Lasst<br />
es uns eilig dem Herrn Bruder melden!“<br />
Einer von ihnen, der schwarz<br />
an Farbe war, gab die Meinung ab,<br />
Hero<strong>des</strong> scheine nicht dazu angetan,<br />
sich in seinem Lande vor einem<br />
andern zu beugen. Es würde klug<br />
sein, ihm das Kind nicht zu verraten.<br />
Sie kehrten auf anderem Wege<br />
in ihre Länder zurück. Hero<strong>des</strong><br />
hatte trotzdem erfahren, dass sich<br />
unter den kleinen Kindern zu Bethlehem<br />
eines befinde, das nach der<br />
Weissagung der Juden größter König<br />
werden würde, und da es ihm<br />
nicht gelang, dasselbe herauszufinden,<br />
so ließ er in und um Bethlehem<br />
alle Knaben ermorden.<br />
Schlaft ihr? Oder weint ihr? Oder<br />
belächelt ihr den Erzähler? Ach,<br />
ihr habt die Botschaft schon allzu<br />
oft und in allzu absichtlicher Weise<br />
gehört, um die göttliche Lieblichkeit<br />
und wilde Größe, die darinnen liegt,<br />
noch zu empfinden! Von den drei<br />
wirklichen Weihnachtsfesten - der<br />
Geburt, der Beschneidung und der<br />
Erscheinung der Könige - birgt das<br />
letztere den grandiosesten Inhalt,<br />
die unbegreiflichsten Wunder. Warum<br />
kamen die mächtigsten Herren<br />
und knieten vor dem armen Kinde?<br />
Weil sie Weise waren. Als ob sie<br />
wussten, dass sich im Wohlleben<br />
und Prunk kein Gottmensch entwickeln<br />
kann, dass die Armut und die<br />
Einsamkeit und die Verlassenheit,<br />
und alles Liebe und alles Leid <strong>des</strong><br />
Volkes dazu gehört einen groß angelegten<br />
Menschen zu einem Heros<br />
und Erlöser zu machen.<br />
Wenn ich wieder einmal auf der<br />
Tenne stehen sollte und den Korngaben<br />
predigen, wie einst als<br />
zehn- bis vierzehnjähriger Junge,<br />
da ich den Strohköpfen die Weihnachtspredigten<br />
hielt, bis mir unser<br />
Knecht Markus einmal im Vertrauen<br />
mitteilte, ich sei der schönste<br />
Pfaff für die Hauskapelle in einem<br />
Narrenturm wenn ich wieder einmal<br />
so vor Strohköpfen predigen<br />
sollte (kein Mensch kann‘s wissen,<br />
2010-4 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 5
was ihm bevorsteht) ich wollte die<br />
Geschichte von den drei heiligen<br />
Königen und ihrem Stern so verwegen<br />
ausspinnen, wie ich es an<br />
dieser Stelle nicht tun darf.<br />
Am zweiten Tage nach Heiligen-<br />
Drei-König ist das Gedächtnis <strong>des</strong><br />
heiligen Erhard, der im steirischen<br />
„Mannelkalender“ mit einem Bischofsstabe<br />
und einer Holzaxt angedeutet<br />
steht.<br />
Die Legende erzählt, dass die<br />
Holzaxt das Marterwerkzeug wäre,<br />
mit welchem der heilige Bischof<br />
getötet worden sei; aber der Bauer<br />
weiß es, dass Sankt Erhard<br />
die Axt hat, um damit endlich die<br />
Weihnachtsfeiertage abzuhacken,<br />
nachdem solche mit leichten Unterbrechungen<br />
zwei volle Wochen<br />
gedauert haben. Andere Auslegungen<br />
sind, dass Erhard mit der<br />
Axt die eingeeisten Mühlräder enteisen<br />
und dann in den Wald Brennholz<br />
hacken gehen will.<br />
Und so ist Werktagzeit geworden.<br />
In der Kirche klingt die Weihnachtsstimmung<br />
noch bis Maria Lichtmess<br />
fort. Hier außen tobt der Karneval;<br />
wer nicht arbeitet und nicht<br />
betet, der mag tanzen, der Erdeboden<br />
ist eingeölt, der Himmel drückt<br />
ein Auge zu.<br />
Und mich wollen jetzt, da ich diese<br />
Betrachtung beschließe, die Profanen<br />
haben und die Frommen.<br />
Beide, um mich zu verbrennen. Ich<br />
entschlüpfe den geringen Krallen<br />
wie ein Schmetterling. Ich liebe die<br />
Blumen. Und die holde, die selige<br />
Weihnachtszeit, mit ihren heiligen<br />
Mythen, ist eine Blume mitten im<br />
Winter <strong>des</strong> Jahres und <strong>des</strong> Lebens<br />
- eine Blume, die an meinem Busen<br />
blühen möge, wenn ich freie<br />
und wenn ich sterbe. Oder weiß<br />
einer von Euch Frommen und Profanen<br />
im Himmel und auf Erden<br />
schöneres zu denken, als eine junge<br />
keusche Mutter mit dem Kinde?<br />
Als ein Kind, das mit dem Fleisch<br />
gewordenen Wort: „Tue Gutes denen,<br />
die dich hassen; liebe deinen<br />
Nächsten wie dich selbst“ die Welt<br />
erlösen will?<br />
Zweiter Teil<br />
Über der Waldlandschaft liegt eine<br />
starre, blasse Winternacht. Am<br />
Himmel steht der Mond, aber der<br />
Schnee auf den Fichtenbäumen<br />
flimmert nicht, denn der Mond und<br />
die Sterne sind durch eine matte<br />
Wolkenschicht verdeckt. In solcher<br />
Dämmerung sind die Höhenrücken<br />
und die Täler und Schluchten nur<br />
unbestimmt zu sehen, hier ragen<br />
die schwarzen Zacken der Bäume<br />
schärfer auf, weiterhin verschwimmen<br />
die Umrisse der Berge und<br />
Bäume teils in Frohlust, teils im<br />
Schleier eines sachte beginnenden<br />
Schneiens.<br />
Durch diese Nacht zittert ein Klingen.<br />
Es kommt von allen Seiten her,<br />
es ist, als ob die Schneeflocken in<br />
der Luft klängen. Es steigt von den<br />
Tälern herauf, wo Dörfer und Kirchen<br />
stehen, es sind die Glocken<br />
der heiligen Weihnacht.<br />
Welch eine wunderbare Erscheinung<br />
an diesem Tage! Wenn eines<br />
Tages am Himmel zwei Sonnen stehen,<br />
so ist das Wunder nicht größer,<br />
als jenes, das sich am Weihnachtsfeste<br />
vollzieht. Das ist ein Tag, an<br />
welchem von all den eigennützigen<br />
Menschen keiner an sich, jeder an<br />
andere denkt. Einer den andern mit<br />
Freuden zu überraschen, mit Gaben<br />
zu überhäufen, das ist das Ziel<br />
dieses Tages. Es ist kalter Winter,<br />
aber keinen friert, denn die Kerzen<br />
sind warm. Es gibt heimliche Arbeit<br />
Tag und Nacht, keiner ermüdet,<br />
keinen hungert, die Liebe zum Mitmenschen<br />
stärkt und sättigt alle. Es<br />
ist, als ob die Naturgesetze andere<br />
wären, und fast bangt man um<br />
das Gleichgewicht der Welt, da so<br />
plötzlich alles in Freude ist, da so<br />
plötzlich die Allgewalt der Charitas<br />
herrscht. Wenn ich am Morgen <strong>des</strong><br />
Weihnachtsabends erwache und<br />
mein Auge auf den Christbaum fällt,<br />
der in Erwartung der nahen Jubelstunde<br />
still auf dem weiß gedeckten<br />
Tische steht, da werden mir die Augen<br />
feucht. O Weihnachtsfest, das<br />
du die Herzen der Menschen erweckest<br />
und mit himmlischem Maienhauch<br />
die Erde zum Heiligtum<br />
wandelst, sei gegrüßt! Sei gegrüßt,<br />
du göttliches, du unbegreifliches<br />
Weihnachtsfest.<br />
Der heilige Abend und der Christtag!<br />
Zwei Tage haben wir im Jahre,<br />
an welchem die Liebe herrscht,<br />
die vor nahezu zweitausend Jahren<br />
der Heiland geoffenbart hat. Wenn<br />
je<strong>des</strong> neue Jahrtausend auch nur<br />
einen Tag der selbstlosen Liebe in<br />
das Jahr dazulegte, so brauchen wir<br />
nur mehr dreihundertdreiundsechzigtausend<br />
Jahre, bis die Erde - vorausgesetzt,<br />
dass sie so lange das<br />
Leben hat - ein Himmelreich ist.<br />
Übrigens, wenn manche Leute das,<br />
was sie für den „Himmel“ tun, ohne<br />
dass die Mitmenschen davon einen<br />
Vorteil haben, für diese Welt und<br />
ihre Bewohner üben wollten, wir<br />
kämen noch um ein Bedeuten<strong>des</strong><br />
früher zum heiß ersehnten Reiche<br />
Gottes auf Erden. -<br />
Ihr kennt die Geschichte, wie der<br />
arme Gregor hinausging in den<br />
Wald, um für seine lieben Kinder ein<br />
Christbäumchen zu holen. Dabei ergriff<br />
ihn der Förster und ließ ihn als<br />
einen Dieb und Waldfrevler sofort in<br />
den Arrest stecken. Das bürgerliche<br />
Gesetzbuch sagt, der Förster hätte<br />
recht getan. Das ist mir schon ein<br />
Verdächtiger, der immer nur aufs<br />
bürgerliche Gesetzbuch schaut und<br />
auf nichts anderes. Wir tragen ein<br />
anderes Gesetzbuch in unserem<br />
Herzen. Als ich einst in jungen<br />
Jahren aus dem Waldhause in die<br />
Fremde ging, unwissend und unerfahren,<br />
nahm mich meine Mutter an<br />
der Hand und sagte: „Peter, wenn<br />
6 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 2010-4
Wintersonnenwende<br />
du einmal einem anderen etwas tun<br />
willst und weißt nicht, ob‘s recht oder<br />
unrecht ist, so mache auf ein Vaterunser<br />
lang die Augen zu und denk‘,<br />
du wärest der andere.“ - Da habt ihr<br />
das Evangelium, den Katechismus<br />
und das bürgerliche Gesetzbuch in<br />
wenigen Worten beisammen.<br />
Finden denn die Weihnachtsglocken<br />
nimmer Harmonie in unserer Seele?<br />
Heute ausgelassene Schenkfreude,<br />
morgen wieder Lieblosigkeit.<br />
Wäre denn die Treue, das herzliche<br />
Anschließen <strong>des</strong> Menschen nicht<br />
selbstverständlich auf dieser Welt,<br />
wo die Elemente jede Stunde tausend<br />
Waffen gegen uns bereithalten?<br />
Wahrlich, es ist nicht klug, sich<br />
Feinde zu schaffen unter den Brüdern<br />
und hohlen Phantomen nachzujagen<br />
und Herzen zu verwunden<br />
die kurze Zeit, da wir das Sonnenlicht<br />
schauen über den Gräbern. Die<br />
Lichter am Weihnachtsbaum, sie<br />
brennen genauso feierlich ernst und<br />
still, wie jene dereinst an der Totenbahre!<br />
-<br />
Peter Rosegger, 1843 - 1918<br />
Wir befinden uns nun in der Zeit der<br />
Wintersonnenwende, der Zeit, in der<br />
das Licht der Sonne fast verblasst<br />
und die nördliche Erdhalbkugel kalt<br />
und düster geworden ist.<br />
Aber in der längsten und dunkelsten<br />
Nacht wendet sich die Sonne ihrem<br />
aufwärtsführenden Pfad zu,<br />
das Christuslicht wird wieder in der<br />
Erde geboren und die ganze Welt<br />
freut sich. Die Welle geistigen <strong>Lichts</strong><br />
und Lebens, die die Grundlage <strong>des</strong><br />
Wachstums und Fortschritts <strong>des</strong><br />
nächsten Jahres sein wird, ist nun<br />
auf ihrem Höhepunkt und hat ihre<br />
größte Stärke erreicht.<br />
Die Erde ist jetzt der Sonne am<br />
nächsten. Die geistigen <strong>Strahlen</strong><br />
fallen auf der nördlichen Erdhalbkugel<br />
im rechten Winkel auf die Erdoberfläche<br />
und fördern damit die<br />
Spiritualität, während physische Aktivitäten<br />
ruhen, da die <strong>Strahlen</strong> der<br />
physischen Sonne die Erdoberfläche<br />
in einem schrägen Winkel treffen.<br />
Es ist von großer Bedeutung für den<br />
esoterischen Schüler, dass er die<br />
besonders günstigen Bedingungen<br />
kennt und versteht, die zur Weihnachtszeit<br />
vorherrschen. So kann<br />
er in dieser Zeit all seine Energien<br />
dem geistigen Streben zuwenden<br />
und auf diese Weise eine viel größere<br />
Wegstrecke mit weniger Anstrengung<br />
zurücklegen, als zu irgendeiner<br />
anderen Zeit.<br />
Der Apostel gab uns eine wunderbare<br />
Definition der Gottheit als er<br />
sagte: „Gott ist Licht.“ Deshalb wird<br />
das „Licht“ verwendet, um in den<br />
Rosenkreuzerlehren die Wesensart<br />
<strong>des</strong> Göttlichen zu veranschaulichen,<br />
besonders das Mysterium<br />
der Dreifaltigkeit in der Einheit.<br />
In den heiligen Schriften aller Zeiten<br />
wird klar und deutlich gelehrt, dass<br />
Gott eins und unteilbar ist. Gleichzeitig<br />
stellen wir fest: gera<strong>des</strong>o wie<br />
das weiße Licht in drei Grundfarben<br />
gebrochen wird (rot, gelb und blau),<br />
so erscheint auch Gott während<br />
einer Schöpfungsphase durch das<br />
Ausüben der drei göttlichen Funktionen<br />
<strong>des</strong> Erschaffens, Bewahrens<br />
und Auflösens in einer dreifachen<br />
Rolle.<br />
2010-4 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 7
Wenn Er die Funktion <strong>des</strong> Erschaffens<br />
ausübt, erscheint Gott als Jehova,<br />
der Heilige Geist. Er ist dann<br />
der Herr <strong>des</strong> Gesetzes und der<br />
Zeugung und sendet die Fruchtbarkeit<br />
der Sonne indirekt durch<br />
die Monde aller Planeten dorthin,<br />
wo sie erforderlich ist, um Körper<br />
für die sich entwickelnden Wesen<br />
bereitzustellen.<br />
Wenn Er die Funktion <strong>des</strong> Bewahrens<br />
ausübt, um die von Jehova<br />
unter den Naturgesetzen erzeugten<br />
Körper zu erhalten, erscheint Gott<br />
als der Erlöser, Christus, und strahlt<br />
die Prinzipien der Liebe und Erneuerung<br />
direkt in jeden Planeten hinein,<br />
wo die Geschöpfe Jehovas<br />
diese Hilfe benötigen, um sich aus<br />
der Verstrickung der Sterblichkeit<br />
und <strong>des</strong> Egoismus entwinden zu<br />
können, damit sie Altruismus und<br />
ewiges Leben erlangen.<br />
Wenn Gott die göttliche Funktion<br />
<strong>des</strong> Auflösens ausübt, erscheint<br />
Er als der Vater, der uns in unsere<br />
himmlische Heimat zurückruft, um<br />
die Früchte der Erfahrung und <strong>des</strong><br />
Seelenwachstums zu assimilieren,<br />
die wir während <strong>des</strong> Schöpfungstages<br />
aufgespeichert haben. Die<br />
universelle Auflösung, der Strahl<br />
<strong>des</strong> Vaters, geht dann von der unsichtbaren,<br />
geistigen Sonne aus.<br />
Diese göttlichen Vorgänge der<br />
Schöpfung und Geburt, der Bewahrung<br />
und <strong>des</strong> Lebens, der<br />
Auflösung, <strong>des</strong> To<strong>des</strong> und der<br />
Rückkehr zum Urheber unseres<br />
Daseins, sehen wir überall um uns<br />
herum, und wir erkennen, dass sie<br />
Tätigkeiten <strong>des</strong> Dreieinigen Gottes<br />
in der Schöpfung sind.<br />
In der geistigen Welt gibt es keine<br />
festgeschriebenen Ereignisse, keine<br />
gleichbleibenden Bedingungen!<br />
Anfang und Ende aller Zeiten im<br />
ewigen „Hier“ und „Jetzt“ sind immer<br />
gegenwärtig.<br />
Aus dem Herzen <strong>des</strong> Vaters strömt<br />
immerwährend der Same der Dinge<br />
und Ereignisse und betritt den Bereich<br />
von „Zeit“ und „Raum“. Dort<br />
kristallisiert er allmählich und wird<br />
träge, was schließlich seine Auflösung<br />
erforderlich macht, damit für<br />
andere Dinge und Ereignisse Raum<br />
geschaffen wird.<br />
Vor diesem kosmischen Gesetz gibt<br />
es kein Entrinnen. Das gilt für alles<br />
im Bereich von „Zeit“ und „Raum“,<br />
den Christusstrahl eingeschlossen.<br />
Wie der See, der sich in den Ozean<br />
ergießt, wieder aufgefüllt wird, wenn<br />
das Wasser, das ihn verlassen hat,<br />
verdunstet ist und als Regen zu ihm<br />
zurückkehrt, um erneut endlos dem<br />
Meer zuzufließen, so wird der Geist<br />
der Liebe ewig aus dem Vater geboren,<br />
Tag für Tag, Stunde für Stunde,<br />
endlos in das Universum unseres<br />
Sonnensystems fließend, um uns<br />
von der Welt der Materie zu erlösen,<br />
die uns in ihren To<strong>des</strong>griff verstrickt.<br />
Welle um Welle wird so von der<br />
Sonne aus zu allen Planeten gesandt,<br />
um den sich dort entwickelnden<br />
Wesen einen rhythmischen Impuls<br />
zu geben.<br />
Und so ist es wirklich im wahrsten<br />
Sinne <strong>des</strong> Wortes ein neugeborener<br />
Christus, den wir bei jedem nahenden<br />
Weihnachtsfest begrüßen,<br />
und Weihnachten ist das wichtigste<br />
jährliche Ereignis für die ganze<br />
Menschheit, ob wir uns <strong>des</strong>sen bewusst<br />
sind oder nicht. Es ist nicht<br />
nur das Gedenken an die Geburt<br />
unseres geliebten Älteren Bruders<br />
Jesus, sondern die Ankunft - der Advent<br />
- der verjüngenden Lebenskraft<br />
aus der Liebe unseres Himmlischen<br />
Vaters, die von Ihm ausgesandt wird,<br />
um die Welt aus dem winterlichen<br />
To<strong>des</strong>griff zu erlösen. Ohne diesen<br />
neuen Zustrom göttlichen Lebens<br />
und göttlicher Energie müssten wir<br />
bald physisch zugrunde gehen, und<br />
unser ordnungsgemäßer Fortschritt<br />
würde vereitelt werden, soweit es<br />
unsere gegenwärtigen Entwicklungslinien<br />
betrifft.<br />
Doch endlos quillt die göttliche Liebe<br />
hervor. Wie ein Vater seine Kinder<br />
liebt, so liebt uns unser Himmlischer<br />
Vater; denn Er kennt unsere<br />
physische und spirituelle Schwäche<br />
und Abhängigkeit. Deshalb erwarten<br />
wir jetzt voll Vertrauen die mystische<br />
Geburt <strong>des</strong> Christus <strong>des</strong><br />
nächsten Jahres, der beladen mit<br />
neuem Leben und neuer Liebe vom<br />
Vater gesandt wird, um uns vor der<br />
physischen und geistigen Hungersnot<br />
zu bewahren, die folgen würde,<br />
wenn es das jährliche Liebesopfer<br />
nicht gäbe.<br />
Mit der Zeit wird die ganze Welt erkennen,<br />
dass „Gott“ Geist ist und im<br />
Geist und in der Wahrheit angebetet<br />
werden soll.<br />
Wir können uns kein Bild von Ihm<br />
machen, das Ihn beschreiben<br />
könnte, denn Er gleicht nichts im<br />
Himmel und auf Erden.<br />
Wir können die physischen Träger<br />
Jehovas sehen, die als Monde um<br />
die verschiedenen Planeten kreisen.<br />
Wir können auch die Sonne<br />
sehen, die der sichtbare Träger<br />
<strong>des</strong> Christus ist. Aber die unsichtbare<br />
Sonne, die der Träger <strong>des</strong> Vaters<br />
und die Quelle von allem ist,<br />
erscheint auch dem größten der<br />
menschlichen Seher nur als die höhere<br />
Oktave der Photosphäre der<br />
Sonne, als ein Ring von blau-violettem<br />
Glanz hinter der Sonne.<br />
Aber wir brauchen Ihn nicht zu sehen.<br />
Wir können Seine Liebe fühlen,<br />
und dieses Gefühl ist nie so<br />
stark wie zur Weihnachtszeit, wenn<br />
8 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 2010-4
Er uns das größte aller Geschenke<br />
gibt, den Christus <strong>des</strong> Neuen Jahres.<br />
Von der physischen Sonne kommt<br />
je<strong>des</strong> Teilchen physischer Energie.<br />
Von der geistigen, unsichtbaren<br />
Sonne kommt unsere gesamte spirituelle<br />
Energie.<br />
Gegenwärtig können wir es nicht<br />
ertragen, direkt in die Sonne zu sehen.<br />
Wir würden erblinden. Aber wir<br />
können in das reflektierte Sonnenlicht<br />
sehen, das vom Mond kommt.<br />
In gleicher Weise können wir dem<br />
direkten spirituellen Impuls, der<br />
von der Sonne kommt, nicht standhalten.<br />
Deshalb musste er über den<br />
Mond zu uns geschickt werden,<br />
durch die Hände und die Mittlerschaft<br />
Jehovas, <strong>des</strong> Regenten <strong>des</strong><br />
Mon<strong>des</strong>, als Religionen für die verschiedenen<br />
Menschen.<br />
Nur durch die Einweihung war es<br />
möglich, in direkten Kontakt mit<br />
dem spirituellen Sonnenimpuls zu<br />
kommen, denn ein Vorhang hing vor<br />
dem Tempel.<br />
So war es bei den Weisen - denjenigen,<br />
die über der gewöhnlichen<br />
Menschheit stehen - der Brauch,<br />
in der Heiligen Nacht, die wir Weihnacht<br />
nennen, diejenigen, die im Begriff<br />
waren, ebenfalls weise zu werden,<br />
und daher einen Anspruch auf<br />
die Einweihung hatten, in die Tempel<br />
zu rufen. Es wurden bestimmte<br />
Zeremonien ausgeübt mit denen die<br />
Kandidaten eingeführt wurden.<br />
In Vorzeiten konnte ihnen keine Einweihung<br />
im vollen Wachzustand gegeben<br />
werden. Sie musste in Trance<br />
erfolgen.<br />
Wenn das geistige Wahrnehmungsvermögen<br />
dann in ihnen erweckt<br />
war, konnten sie durch die Erde<br />
hindurchsehen - sie sahen keine<br />
Details, aber die Erde wurde gewissermaßen<br />
transparent - und sie sahen<br />
den Mittemachtsstern. Später<br />
konnte der Mensch den spirituellen<br />
Impuls direkter aufnehmen.<br />
Als die Zeit gekommen war und wir<br />
uns so weit entwickelt hatten, dass<br />
der Christusgeist auf unserer Erde<br />
aufgenommen werden konnte, inkarnierte<br />
sich ein Strahl <strong>des</strong> kosmischen<br />
Christus in dem Körper<br />
unseres Älteren Bruders Jesus. Der<br />
Christusgeist ist damit das erste<br />
Einströmen eines direkten spirituellen<br />
Impulses.<br />
Exoterisch betrachtet wird die Sonne<br />
schon seit undenklichen Zeiten<br />
als Spender <strong>des</strong> Lebens verehrt,<br />
weil der größte Teil der Menschheit<br />
nicht imstande war, hinter dem<br />
materiellen Symbol eine große geistige<br />
Wahrheit zu erblicken. Aber<br />
außer denen, die den Himmelskörper<br />
verehrten, den man mit dem<br />
physischen Auge sieht, gab und<br />
gibt es auch heute eine kleine,<br />
aber anwachsende Minderheit, eine<br />
Priesterschaft, die ihre Weihe mehr<br />
durch Rechtschaffenheit als durch<br />
Riten erfährt. Sie sah und sieht die<br />
ewigen geistigen Wahrheiten hinter<br />
den zeitweiligen und vergänglichen<br />
Formen, die diese Wahrheiten in<br />
die wechselnden Gewänder von Zeremonien<br />
kleiden, den Zeiten und<br />
Menschen entsprechend, denen sie<br />
ursprünglich gegeben wurden. Für<br />
sie erstrahlt der legendäre Stern von<br />
Bethlehem je<strong>des</strong> Jahr als mystische<br />
Mittemachtssonne, die zur Wintersonnenwende<br />
in unseren Planeten<br />
eintritt und dann beginnt, vom Mittelpunkt<br />
unseres Globus aus Leben,<br />
Licht und Liebe, die drei göttlichen<br />
Eigenschaften, auszustrahlen.<br />
Diese <strong>Strahlen</strong> spiritueller Herrlichkeit<br />
und Macht erfüllen unseren<br />
Globus mit einem übernatürlichen<br />
Licht, das jeden Menschen auf Erden<br />
umhüllt, vom geringsten bis<br />
zum bedeutendsten, ohne Ansehen<br />
der Person.<br />
Zu der Zeit, wenn die Tage am kürzesten<br />
und die Nächte am längsten<br />
sind, in jener Heiligen Nacht, wie<br />
wir sie nennen, wenn Christus als<br />
eine Sonne geboren wird, um unsere<br />
Finsternis zu erhellen, ist der spirituelle<br />
Einfluss am stärksten und<br />
am leichtesten erreichbar.<br />
Diese große Wahrheit lag dem Erscheinen<br />
<strong>des</strong> Sterns in der Heiligen<br />
Nacht zugrunde, der die längste<br />
und dunkelste Nacht <strong>des</strong> Jahres<br />
erhellte.<br />
Als Christus kam, veränderte Er<br />
die Schwingungen der Erde, und<br />
Er verändert sie die ganze Zeit hindurch<br />
immer noch.<br />
Er „zerriss den Tempelvorhang“. Er<br />
öffnete das Allerheiligste - die Einweihungsstätte<br />
- für „jeden, der eintreten<br />
will“.<br />
Seit jener Zeit bedarf es keiner<br />
Trance mehr, keines außergewöhnlichen<br />
Zustan<strong>des</strong> mehr, um durch<br />
die Einweihung zu gehen. Der Tempel<br />
kann bewusst betreten werden,<br />
von jedem, der kommen möchte.<br />
Im Rosenkreuzer-Orden beschäftigen<br />
sich die neun kleineren Mysterien<br />
(oder kleineren Einweihungen),<br />
nur mit der Menschheitsevolution<br />
während der Erdperiode. Dabei<br />
führt der 5. Grad den Kandidaten<br />
ganz an das Ende der Erdperiode,<br />
wenn eine herrliche Menschheit die<br />
Früchte dieser Periode sammeln<br />
und sie von den 7 Globen, auf denen<br />
wir uns während eines jeden<br />
Schöpfungstages entwickeln, auf<br />
den ersten der 5 dunklen Globen<br />
übertragen wird, die während der<br />
kosmischen Nacht unsere Wohnstatt<br />
sind.<br />
2010-4 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 9
Nachdem ihm im 5. Grad das Ende<br />
der Erdperiode gezeigt wurde, wird<br />
der Kandidat mit den Mitteln vertraut<br />
gemacht, durch die dieses<br />
Ziel im Verlauf der verbleibenden<br />
dreieinhalb Kreisläufe der Erdperiode<br />
erreicht werden kann.<br />
Corinne Heline<br />
Die restlichen 4 Grade sind seiner<br />
Erleuchtung in dieser Beziehung<br />
gewidmet.<br />
Der 9. oder letzte dieser Grade<br />
wird bei den Sommer- und Wintersonnenwenden<br />
gefeiert, wobei<br />
der Kandidat zu diesem Zeitpunkt<br />
Zutritt zu allen Schichten der Erde<br />
erlangt hat.<br />
Das ist die große Bestimmung, die<br />
jeder von uns vor sich hat.<br />
Christus sagte zu Seinen Jüngern:<br />
„Wer an mich glaubt, wird die<br />
Werke vollbringen, die ich tue . . .<br />
und noch größere.“<br />
Es ist eine erhabene Tatsache,<br />
dass wir Christusse im Werden<br />
sind, und je eher wir erkennen,<br />
dass wir den Christus in uns entwickeln<br />
müssen, bevor wir den Christus<br />
außen wahrnehmen können,<br />
<strong>des</strong>to schneller werden wir den Tag<br />
unserer geistigen Erleuchtung herbeiführen.<br />
Jeder wird zur rechten Zeit durch<br />
den Stern zu Christus geführt. Aber<br />
es muss ausdrücklich betont werden:<br />
Nicht zu einem äußeren Christus,<br />
sondern zu dem Christus, der<br />
in uns ist.<br />
Und wäre Christus tausendmal zu<br />
Bethlehem geboren und nicht in<br />
uns, ginge unsere Seele dennoch<br />
in uns verloren.<br />
***<br />
Corinne Heline (Atlanta, Georgia,<br />
18. August 1882-1975) war eine<br />
amerikanische Schriftstellerin,<br />
christliche Mystikerin und Okkultistin.<br />
Sie erhielt eine klassische und<br />
religiöse Erziehung und war ein<br />
Leben lang Studentin der alten<br />
Mysterien. Max Heindel wurde ihr<br />
Lehrer auf Mount Ecclesia. An diesem<br />
heiligen Ort traf sie auch ihren<br />
späteren Mann, Theodore Heline.<br />
Ihr monumentales Werk, „The New<br />
Age Bible Interpretation“, umfasst<br />
sieben Bände. Es folgten noch<br />
viele andere Werke der Interpretation<br />
der „alten Weisheiten“.<br />
Sie ist weltweit bekannt unter den<br />
Studierenden der Esoterik und <strong>des</strong><br />
Okkultismus und gilt als Pionier im<br />
Hinblick auf das kommende Wassermann-Zeitalter.<br />
10 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 2010-4
Farbe und Musik im<br />
Neuen Zeitalter<br />
Corinne Heline<br />
Steinbock<br />
Januar<br />
Steinbock ist ein geheimnisvolles,<br />
mysteriöses Zeichen mit erheblichen<br />
Tiefen und unbegrenzten<br />
Kräften. Seine sogenannten „Farben“<br />
sind SCHWARZ und WEISS.<br />
In ihnen vermischt sich das Mysterium<br />
der dunkelsten Nacht und der<br />
Glorienschein <strong>des</strong> übernatürlichen<br />
Lichtes.<br />
Nur wenige und ganz besonders<br />
Auserwählte, die als würdig erachtet<br />
wurden, sind Jene, die zu dieser<br />
hoch segensreichen Zeit die „Brücke<br />
der Finsternis“ überschreiten<br />
und kraft <strong>des</strong> „Gewaltigen Rituals“<br />
die Herrlichkeit <strong>des</strong> neugeborenen<br />
Christus erfahren.<br />
Die Arbeit von Herkules im Zeichen<br />
Steinbock* war, in den Ha<strong>des</strong><br />
hinunter zu steigen und das Cerebus-Monster<br />
gefangen zu nehmen.<br />
Allerdings wurde er auf seiner gefährlichen<br />
Reise von Minerva und<br />
Merkur (Athene und Hermes) begleitet.<br />
Bedeutung: Jeder Aspirant<br />
muss diese besagte „Brücke der<br />
Finsternis“ überqueren bevor er<br />
im Strahlungsbereich <strong>des</strong> Großen<br />
Weißen Lichtes zu stehen vermag<br />
– doch im Kampf mit dem Monster<br />
(seinem Selbst) befindet er sich immer<br />
unter dem Schutze von Minerva<br />
und Merkur, womit seine auf vielen<br />
Erdenwanderungen gesammelte<br />
Seelenweisheit gemeint ist.<br />
Steinbock ist das Domizil der ERZ-<br />
ENGEL. Ihr Haupt ist die erzengelische,<br />
von einer strahlenden Glorie<br />
umgebene Wesenheit: CHRISTUS.<br />
Neben ihm stehen noch weitere vier<br />
gewaltige Sternengel, die Zweithöchsten<br />
was Macht und Majestät<br />
anbelangt. Sie sind es, die die Torwege<br />
zu den vier Heiligen Jahreszeiten<br />
bewachen - den Äquinoktien<br />
und Sonnenwenden.<br />
Einer dieser Erzengel ist Gabriel,<br />
der im Dienst der Liebe und <strong>des</strong><br />
Mitgefühls steht. Er wacht über die<br />
Wintersonnenwende. Sein reines<br />
weißes Licht gießt sich über die Heilige<br />
Nacht aus und sein verständnisvolles<br />
Wesen umgibt alle „Erdenmütter“<br />
- auch die zukünftigen.<br />
Er war der Beschützer und Lehrer<br />
im irdischen Lebenslauf der weltlich<br />
vollendeten Mutter: Die Jungfrau<br />
Maria. Von ihm wurde sie durch das<br />
Mysterium und die Herrlichkeit ihrer<br />
engelgleichen Einweihung geführt<br />
und wurde hernach als „Königin<br />
der Engel und Menschen“ begrüßt.<br />
Selbst in seinem höchsten Aspekt<br />
ist SCHWARZ nicht als negativ<br />
einzustufen. Es deutet auf etwas<br />
Verborgenes hin – auf Etwas, das<br />
2010-4 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 11
ohne Form und Gestalt ist und von<br />
innen heraus wirkt, unbemerkt und<br />
unsichtbar.<br />
Der gewaltige, kraftgeladene weiße<br />
Strahl ist nicht auf physische<br />
Heilung ausgerichtet. Sein fokussiertes<br />
Zentrum im menschlichen<br />
Körpertempel ist die höchste Stelle<br />
<strong>des</strong> Kopfes – der Scheitel. Die Zirbeldrüse<br />
wird von <strong>des</strong>sen Kräften<br />
durchströmt, und die Erweckung<br />
dieses Zentrums mittels <strong>des</strong> weißen<br />
Strahles ermöglicht es dem<br />
Aspiranten, den eigentlichen Sinn<br />
der Worte <strong>des</strong> Heiligen Paulus zu<br />
verstehen: „Bis Christus in uns Gestalt<br />
annimmt“.<br />
Sobald jenes Zentrum und die ihm<br />
zugeordnete Polarität, die Hypophyse,<br />
zu leuchten beginnen, repräsentieren<br />
sie auf symbolische<br />
Weise die positiven und negativen<br />
Kräfte von Josef und Maria; und<br />
jene Brücke (Ponsvaroli), die diese<br />
beiden Drüsen miteinander verbindet,<br />
ist der Ausdruck einer wahrhaftigen<br />
„Krippe <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong>“. Ein<br />
inneres Erwecken – ein bewusstes<br />
Erwachen – wird vom Aspiranten<br />
wahrgenommen: Die Geburt Christi<br />
in ihm selbst – die hoch geistige<br />
Zeit der Wintersonnenwende hat<br />
sich zur wirklichen „Heiligen Nacht“<br />
gewandelt.<br />
Die frühen Rosenkreuzer lehrten<br />
ihre Schüler wie sie sich und andere<br />
Menschen mit dem weißen Licht<br />
zu ihrem eigenen Schutz umgeben<br />
können. Es gibt kein größeres Geschenk,<br />
das wir unseren Lieben zukommen<br />
lassen können, als sie in<br />
eine solche Schutzaura <strong>des</strong> Wohlbefindens<br />
und Wohlergehens zu<br />
hüllen.<br />
Anmerkung von Hannelore Jurthe:<br />
*Die Entführung <strong>des</strong> Unterwelthun<strong>des</strong><br />
Ceberus, den Herakles<br />
im Ringkampf bezwingt, vor Eurystheus<br />
schleppt, um ihn darauf<br />
wieder in den Ha<strong>des</strong> zu bringen.<br />
GEGENWART UND ABWESENHEIT<br />
DER FARBEN<br />
J.W. GOETHE, wohl der Welt<br />
kenntnisreichster Wissenschaftler<br />
auf dem Gebiete der Farbenlehre,<br />
war der Meinung, dass Farben das<br />
Ergebnis einer Mischung aus Dunkelheit<br />
und Licht – von schwarz<br />
und weiß – wären. Um dies zu beweisen,<br />
schlug er ein Experiment<br />
vor: Ein Stück weißes Papier wird<br />
auf einen schwarzen Hintergrund<br />
gelegt und durch ein Prisma betrachtet.<br />
So gesehen erscheinen die<br />
Farben nicht auf dem weißen Papier,<br />
sondern entlang den Rändern,<br />
wo Schwarz und Weiß zusammentreffen.<br />
Das Farbschema <strong>des</strong> Neuen Zeitalters<br />
wird wesentlich mehr zu<br />
bieten haben als das traditionelle<br />
Newton‘sche Spektrum. Jene, von<br />
J.W. Goethe erwähnte Pfirsichblütenfarbe,<br />
hat bereits bildhaften Eingang<br />
gefunden. Purpur, wie auch<br />
die pfirsichblütene Farbnuance,<br />
lassen sich nicht im Newton‘schen<br />
Spektrum finden, obwohl visionäre<br />
Künstler und farbensensitive Personen<br />
feststellten, dass Schatten<br />
und Dunkelheit in Schwingung mit<br />
den Farben <strong>des</strong> höheren Bereichs<br />
der Regenbogenskala sind - von<br />
Blau bis hin zu Violett und weiter zu<br />
Purpur, was im Dunkeln zu sehen<br />
ist.<br />
Schwarz und Weiß kennzeichnen<br />
in Wirklichkeit den Inbegriff kreativer-schöpferischer<br />
Tätigkeit.<br />
Weiß repräsentiert das maskuline<br />
oder Vater-Prinzip, das sich als die<br />
göttliche Lebensessenz offenbart<br />
– Schwarz steht für das Weibliche<br />
oder die Formseite <strong>des</strong> Lebens.<br />
Die Lebensessenz benötigt die<br />
Form, durch welche sie sich manifestiert,<br />
um auf der physischen Ebene<br />
sichtbar zu werden. Dieses feminine<br />
Prinzip beschreibt der Apostel Johannes<br />
als den „LOGOS“ oder das<br />
„WORT“. Im ersten Kapitel seines<br />
Evangeliums befindet sich wohl die<br />
am besten ausgedrückte Formulierung<br />
und Erklärung der Schöpfung,<br />
welche die Welt jemals erhalten hat.<br />
Im Anfang war das Wort<br />
und das Wort war bei Gott<br />
und das Wort war Gott.<br />
Im Anfang war es bei Gott.<br />
Alles ist durch das Wort geworden<br />
und ohne das Wort wurde<br />
nichts, was geworden ist.<br />
12 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 2010-4
ALLE FARBEN UND KEINE FARBEN<br />
IM SYMBOLISMUS<br />
(Tarot – Arkanum I ) (Tarot – Arkanum II ) (Tarot – Arkanum XXII ) (Tarot – Arkanum XVII )<br />
Der Pfad der Weisheit ist deutlich<br />
aufgezeigt in den ägyptischen<br />
Mysterien durch eine Reihe symbolischer<br />
Bilder. Die spirituelle<br />
Erleuchtung und der in ihnen verborgene<br />
Sinn ist so tiefgründig, umfassend<br />
und bedeutend, dass diese<br />
Bilder weder einer bestimmten Zeitperiode<br />
noch irgendeiner Rasse<br />
oder Religion angehören oder zugeordnet<br />
werden können, aber für jeden<br />
aufrichtigen Wahrheitssuchenden<br />
immer und überall greifbar sind.<br />
Eines dieser alten symbolischen Bilder<br />
zeigt einen in weiß gekleideten<br />
Hohen Priester – das Zeichen der<br />
Reinheit. Sein Haupt wie Gold glänzend<br />
– ein Ausdruck seines hohen<br />
Stan<strong>des</strong> und geistiger Errungenschaft.<br />
Er hält in der einen Hand ein<br />
Zepter gen Himmel gerichtet, mit<br />
der anderen macht er eine Geste<br />
zur Erde hin.<br />
Die symbolische Aussage lautet:<br />
Dieser Mensch ist darum bemüht,<br />
sich zum Himmel zu erheben, doch<br />
muss er gleichzeitig auch jene stofflich-materielle<br />
Welt unter ihm überwinden.<br />
Seine Taille ist von einem Gürtel in<br />
Form einer Schlange umschlungen,<br />
die sich in den eigenen Schwanz<br />
beißt. Es ist ein Ewigkeitszeichen,<br />
denn der Hohe Priester vertritt das<br />
maskuline oder Vater-Prinzip der<br />
Schöpfung.<br />
Ein weiteres verschlüsseltes Bild<br />
zeigt eine Hohe Priesterin auf einem<br />
Throne sitzend, der zwischen zwei<br />
Säulen steht – einer weißen und einer<br />
schwarzen.<br />
Das Gesicht ist zur Hälfte von einem<br />
dunklen Schleier bedeckt – ein Hinweis<br />
auf das geheimnisvolle, tief<br />
verborgene Werk, welches sich auf<br />
das weibliche Prinzip bezieht und<br />
immer mit der schöpferischen Phase<br />
verbunden ist.<br />
Ihre Brust ziert ein Sonnenkreuz<br />
- das Symbol der universellen<br />
Schöpfungskraft.<br />
Auf den Knien liegt eine geöffnete<br />
Papyrusrolle, die zum Teil von<br />
ihrem Mantel bedeckt wird - ein<br />
Fingerzeig, dass die erhabensten<br />
Lehren vor all jenen Menschen geschützt<br />
und ferngehalten werden<br />
sollen, die es nicht wert oder noch<br />
nicht reif genug dafür sind, sie zu<br />
erhalten.<br />
Ein anderes Bildsymbol ist das jenes<br />
Menschen, der sich auf einen<br />
Abgrund hinzu bewegt, wo ein<br />
großes Krokodil mit aufgerissenem<br />
Maul bereits darauf wartet, ihn zu<br />
verschlingen.<br />
2010-4 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 13
Ein schwerer Sack hängt über seiner<br />
Schulter und drückt ihn nieder!<br />
Es sind seine karmischen Schulden,<br />
die er mit sich herum schleppt<br />
und die aus vergangenen Erdenleben<br />
her stammen. Doch über ihm<br />
zeigt sich die Sonne in Verbindung<br />
mit einer partiellen Finsternis – halb<br />
im Licht – halb verdunkelt.<br />
Dieses Bild beschreibt den Zustand<br />
der Menschheit unserer Tage:<br />
Beladen mit Schmerz, geplagt von<br />
Armut, Leid und Sorgen – blind und<br />
unwissend steuert sie auf ihr wahrscheinliches<br />
Verderben hin.<br />
Doch muss sie nicht zu solch<br />
einem Ende kommen!<br />
den noch immer andauernden verwirrten,<br />
widersprüchlichen Zustand<br />
gestürzt wurde.<br />
Vollkommene Ausgewogenheit zwischen<br />
diesen beiden Kräften ist bekannt<br />
als POLARITÄT. Und sobald<br />
diese Balance hergestellt ist, ist die<br />
Menschheit im Stande, eine Neue<br />
Erde und einen Neuen Himmel zu<br />
erschaffen. Es wurde mehrfach betont,<br />
dass die Antwort auf die jahrhundert<br />
alte Frage: „Was ist die<br />
Wahrheit?“ in dem Begriff „POLA-<br />
RITÄT“ enthalten ist.<br />
Die Schriftstellerin L. Adams Beck,<br />
die eine äußerst magische Feder<br />
führte, unterstreicht diese Behauptung:<br />
„ ... und als ich in Schlaf fiel<br />
träumte ich jene Geschichte in klaren<br />
Umrissen, bis sie sich schließlich<br />
in meinem Kopfe zu einem Bilde<br />
formte - ein Mann und eine Frau,<br />
so wie sie erschaffen wurden. Die<br />
Geschichte hatte aber kein Ende,<br />
wie konnte das sein? - - - Es<br />
kann solange kein Ende geben,<br />
bis in irgendeinem trüben, schattenhaften<br />
Himmel aller Himmel das<br />
Geschlecht aufhört zu sein und der<br />
lange Kampf der Dualität in Einheit<br />
endet“.<br />
Vermutlich das schönste, ausdrucksvollste<br />
dieser Piktogramme<br />
ist das <strong>des</strong> jungen Mädchens. Mit<br />
einem Fuß steht es auf dem Grund<br />
eines Gewässers, worin sich alles<br />
Licht widerspiegelt – der andere<br />
Fuß verbleibt auf dem festen Land,<br />
das von Finsternis umhüllte Erdenreich.<br />
In jeder Hand hält das Mädchen<br />
einen Krug – das Symbol der<br />
Liebe, <strong>des</strong> Wohlwollens, <strong>des</strong> Segens<br />
- und all das gießt sie auf die<br />
Welt aus. Über ihrem Kopf leuchtet<br />
ein 8-facher strahlender Stern. In<br />
ihm sind zwei Pyramiden abgebildet<br />
– eine weiße und eine schwarze,<br />
wobei die letztere mit der Spitze<br />
nach unten zeigt, was sowohl Zerfall<br />
und Auflösung andeutet wie auch<br />
die Übertragung ihrer Kräfte auf die<br />
im ewigen Lichte erstrahlende weiße<br />
Pyramide.<br />
Diese Gestalt ist die Andeutung<br />
<strong>des</strong> Geistes <strong>des</strong> Neuen Wunder<br />
wirkenden Zeitalters, das einmal<br />
sein wird – unvorstellbar, noch nicht<br />
einmal als Traumbild existierend, für<br />
den gegenwärtigen menschlichen<br />
Zeitgeist.<br />
DIE ENTDECKUNG<br />
EINES NEUEN PLANETEN<br />
Sobald der Mensch genügend weise<br />
und zur Einsicht gekommen ist,<br />
um in sich selbst ein harmonisches<br />
Zusammenwirken maskuliner und<br />
femininer Prinzipien zu verwirklichen<br />
– ausgedrückt in Schwarz<br />
und Weiß, dann erwartet ihn ein<br />
überaus reiches Leben.<br />
Gegenwärtig ist es die disharmonische<br />
Beziehung dieser beiden<br />
Prinzipien, wodurch die Welt in<br />
Die Entdeckung eines neuen Planeten<br />
wird die Ankunft <strong>des</strong> erwähnten<br />
Neuen Zeitalters ankündigen.<br />
Seine Umlaufbahn (Orbit) liegt<br />
zwischen der Umlaufbahn von Merkur<br />
und Sonne.<br />
Durch das Sichtbarwerden und den<br />
Enthüllungen von Uranus, Neptun<br />
und Pluto wurde ein enormer Wandel<br />
erheblichen Ausmaßes in der<br />
jetzt zu Ende gehenden Ära ausge-<br />
löst. Die Auswirkungen zeigten sich<br />
im gesamten Lebensstil der Menschen,<br />
in ihren veränderten Denkund<br />
Verhaltensweisen, in Tradition<br />
und Brauchtum. Und in der gleichen<br />
Weise wird die Entdeckung dieses<br />
neuen Planeten atemberaubende<br />
Wunder im Ablauf <strong>des</strong> kommenden<br />
Zyklus ans Tageslicht bringen.<br />
Diese Tatsache wird symbolisch<br />
dargestellt durch die neben dem<br />
14 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 2010-4
Mädchen stehende Blume mit drei<br />
voll geöffneten Blüten und dem darüber<br />
schwebenden Schmetterling<br />
mit weit ausgebreiteten Flügeln.<br />
Die Abbildung <strong>des</strong> Schmetterlings<br />
weist auf den noch in der Zukunft<br />
liegenden glorreichen Tag hin, an<br />
dem der dicht-stoffliche Körper <strong>des</strong><br />
Menschen kein Gefängnis seines<br />
Geistes mehr sein wird, sondern<br />
lediglich ein Werkzeug, ein Instrument,<br />
das es dem Geist ermöglicht,<br />
in einen neuen Kreislauf seiner Erkundungen<br />
der unermesslichen Regionen<br />
<strong>des</strong> Himmels und der Erde<br />
einzutauchen.<br />
DAS DRAMA DES<br />
GEGENSATZES – DES KONTRASTES<br />
(Solis Splendor Tafel 8)<br />
Es liegt wahrhaftig ein wunderbar,<br />
gewaltig anhaften<strong>des</strong> Mysterium in<br />
Schwarz und Weiß verborgen, das<br />
an die tiefsten Geheimnisse <strong>des</strong><br />
Universums rührt. Das Wissen um<br />
dieses Mysterium erschließt neue<br />
Bewusstseinsebenen und erlaubt<br />
den erwachten Seelen von Morgen,<br />
Wanderer zwischen den Sternen<br />
zu werden. Die Alchemisten der<br />
Frühzeit gaben viele Lehren weiter,<br />
was die gegensätzlichen Kräfte<br />
von Schwarz und Weiß betraf, wie<br />
auch die sich aus deren Fusion ergebenden<br />
Resultate. Gewöhnlich<br />
wurden solche Belehrungen anhand<br />
von Allegorien und Parabeln<br />
verständlich gemacht.<br />
Das Medium der Übermittlung jenes<br />
verborgenen Mysteriums von Weiß<br />
und Schwarz ist eindrucksvoll beschrieben<br />
in einer 1542 veröffentlichen<br />
mittelalterlichen Abhandlung<br />
mit dem Titel „Solis Splendor“ - „Der<br />
Glanz der Sonne“ oder „Das Licht<br />
der Welt“. Zitat: „Der Geist löst den<br />
Körper auf und während dieses<br />
Auflösungsprozesses extrahiert der<br />
Geist die Seele aus dem Körper<br />
und verwandelt den Körper in Seele.<br />
Die Seele wird dann dem Geist<br />
einverleibt und der Geist wird erneut<br />
dem Körper hinzugefügt, wodurch<br />
dieser an Stabilität und durch<br />
die Kraft <strong>des</strong> Geistes mehr an Geistigkeit<br />
gewinnt. Es ist das, was die<br />
Philosophen durch die Abbildung<br />
oder Gestalt zu verstehen geben“.<br />
Es zeigt einen schwarzen Mann,<br />
der bis zur Hälfte im Sumpf steht<br />
- ein symbolischer Ausdruck seiner<br />
unerlösten Persönlichkeit. Zu<br />
seiner Rettung erscheint ein wunderbar<br />
anzuschauen<strong>des</strong> weißes<br />
Mädchen - eine Darstellung der<br />
sinnlich umgewandelten Natur in<br />
einem geläuterten Lichtkörper. Ihr<br />
strahlen<strong>des</strong> Geistwesen wird in<br />
alchemistischen Werken mitunter<br />
als „die Freisetzung der Frau“ oder<br />
das „Erhöhte Weibliche“ bezeichnet.<br />
In „Solis Splendor“ wird sie<br />
beschrieben als „gekleidet in einer<br />
vielfarbigen Robe und mit Flügeln<br />
aus Federn, die ähnlich waren jenen<br />
<strong>des</strong> edelsten weißen Pfaues,<br />
das Licht wie goldene Spiegel reflektierend<br />
und mit Schwanzfedern<br />
besetzt von zierlichen Perlen“. „ Auf<br />
ihrem Kopf“, so heißt es weiter in<br />
der Beschreibung dieser von Licht<br />
und Schönheit geprägten Gestalt,<br />
„trägt sie eine mit einem Silberstern<br />
geschmückte Krone aus purem<br />
Gold. Ihr Hals ziert eine Kette aus<br />
feinstem Gold mit dem kostbarsten<br />
Rubin. Goldene Schuhe bedecken<br />
Ihre Füße und ein herrlich angenehmer<br />
Duft entströmt ihrem Wesen.<br />
Sie umgibt den Mann mit einer<br />
2010-4 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 15
purpurnen Robe, erhebt ihn zu seiner<br />
höchsten Klarheit und steigt mit<br />
ihm gemeinsam zum Himmel auf.<br />
Deshalb sagt der Ranghöchste: „Es<br />
ist ein lebendig Ding, das nie mehr<br />
stirbt - und wird es angewandt, so<br />
schenkt es ewiges Wachstum“.<br />
Sheakspeare-Kenner, die über einen<br />
tiefen Einblick zum inneren Gehalt<br />
seiner unsterblichen Dramen<br />
verfügten, gelangten schnell zu<br />
der Erkenntnis, dass diese Dramen<br />
Schlüssel enthielten, mit deren Hilfe<br />
verborgene Mysterien <strong>des</strong> geistigen<br />
Lebens zugänglich gemacht<br />
werden konnten.<br />
Ein Beispiel dafür ist OTHELLEO<br />
- die Geschichte jenes dunkelhäutigen<br />
Mohren und der Desdemona<br />
weißer Hautfarbe. Hätten sich diese<br />
beide Charakteren im Zustand<br />
der Polarität befunden, so wäre die<br />
Tragödie nicht in dieser Form abgelaufen.<br />
So ist in diesem Drama<br />
ein erleuchteter Intellekt, der die<br />
Werke Shakespeare inspirierte,<br />
deutlich zu finden.<br />
unter denen sie noch heute ihr Leben<br />
fristet.<br />
Manche Bilddarstellungen mit einer<br />
zerstörten Säule am Tempeleingang<br />
zeigen eine Frau, weinend über das<br />
Leid und Unglück, unter dem die<br />
ganze Menschheit als Folge <strong>des</strong> gebrochenen<br />
Gesetzes der Polarität<br />
leidet, was auf diese Weise ausgedrückt<br />
werden sollte. Im freimaurerischen<br />
Symbolismus bezog sich<br />
diese umgestürzte Säule sinnigerweise<br />
auf das „Grab <strong>des</strong> Hirams“.<br />
An den Eingängen der wieder erbauten<br />
Mysterientempel <strong>des</strong> herauf<br />
dämmernden Neuen Wassermann-<br />
Zeitalters wird keine in Ruinen liegende<br />
Säule zu sehen sein - beide<br />
Pfeiler sind heil und unversehrt –<br />
gleich an Größe, Proportion und<br />
Farbe. Auch keine weinende Gestalt<br />
sitzt mehr am Eingang. Und<br />
auf die Symbolik der Freimaurer<br />
zurückkommend: Hieram Abiff wird<br />
nicht mehr länger durch die drei<br />
Rohheiten - Ignoranz, Aberglauben<br />
und Furcht - getötet werden.<br />
de – Mann und Frau – in den Tempel<br />
<strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> Hand in Hand eingehen<br />
können, in der Verwirklichung ihrer<br />
vollkommenen Gleichwertigkeit unter<br />
dem göttlichen Gesetz der Einheit<br />
oder Polarität.<br />
Die Übermittlung der ewig währenden<br />
Wahrheit der Polarität, gerichtet<br />
an die ganze Menschheit.<br />
In den Mysterientempel der Antike<br />
betraten die Novizen den heiligen<br />
Bezirk durch zwei Säulen am Eingang.<br />
Bei manchen Tempeln war<br />
die eine Säule weiß, die andere<br />
schwarz – die gegenständliche<br />
Darstellung der beiden Pole <strong>des</strong><br />
Geistes, der positive-maskuline<br />
und der negativ-feminine. Bei einigen<br />
dieser Tempeln war die feminine<br />
Säule umgestürzt oder sogar<br />
vollständig zerstört – eine symbolische<br />
Veranschaulichung <strong>des</strong><br />
„Falls“ oder die entzweite Polarität.<br />
Dies trat ein, als die kindliche<br />
Menschheit ihren ganzheitlichen,<br />
paradiesischen Zustand verlor und<br />
sie in die nachfolgenden geteilten<br />
Bedingungen und Umstände geriet,<br />
Ein Gleichgewicht zwischen Mann<br />
und Frau wird erneut vorherrschen<br />
durch die Balance <strong>des</strong> maskulinen<br />
und femininen Prinzips, so dass bei-<br />
DAS SPEKTRUM<br />
UND DIE MENSCHLICHE AURA<br />
Genau gesagt ist Schwarz keine<br />
Farbe im eigentlichen Sinne. Vielmehr<br />
ist es die Abwesenheit – das<br />
Fehlen von Farbe – ein farbloser Zustand.<br />
Es besteht allerdings die Tendenz,<br />
Schwarz mit dem Prinzip <strong>des</strong><br />
Bösen oder Schlechten zu assoziieren,<br />
doch für den okkulten Wissenschaftler<br />
signalisiert Schwarz<br />
einen negativen oder rezeptiven,<br />
(Tarot – Arkanum XIX )<br />
d.h. aufnehmenden, empfangenden<br />
Sinneseindruck, durch den oder auf<br />
den die positiven göttlichen Kräfte<br />
wirksam tätig sind, um das noch<br />
„Unerweckte – Unbewusste“ - das<br />
„noch in sich selbst ruhende Sein“<br />
zur Manifestation zu bewegen. Und<br />
dies ist auch die Aussage <strong>des</strong> Eröffnungskapitels<br />
<strong>des</strong> Buches Genesis:<br />
16 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 2010-4
„Im Anfang schuf Gott<br />
Himmel und Erde.<br />
Und die Erde war wüst und leer,<br />
und es war finster auf der Tiefe;<br />
und der Geist Gottes schwebte<br />
auf dem Wasser“.<br />
Es ist eine Beschreibung fundamentaler<br />
Natur, was den Schöpfungsprozess<br />
in seiner universalen Wirkungsweise<br />
betrifft. Und bevor der<br />
Mensch nicht so viel an Weisheit<br />
in sich selbst verinnerlicht hat, um<br />
den Schleier der Isis zu zerreißen,<br />
ist er unfähig, das Mysterium von<br />
Schwarz vollständig zu entschlüsseln<br />
oder zu begreifen.<br />
Gerade weil die ganze Schöpfung<br />
in Gott selbst innewohnt, trägt auch<br />
das große weiße Licht in sich selbst<br />
alle Farben <strong>des</strong> Spektrums, so wie<br />
es auch die Göttlichkeit im Menschen<br />
durchströmt. Sobald diese<br />
in ihm ruhende Göttlichkeit erweckt<br />
wird, kommt er in harmonischen<br />
Einklang mit diesem weißen Licht in<br />
Form von Kraft.<br />
GOTT, der Vater unseres Universums,<br />
offenbart sich durch den<br />
blauen Strahl, <strong>des</strong>halb ist Blau eine<br />
endlose, der Ewigkeit angehörende<br />
Farbe. Der Erhabene, Glorienhafte<br />
EINE , der sich durch den weißen<br />
Strahl zu erkennen gibt, ist jenseits<br />
aller Planeten, aller Sterne, aller<br />
Konstellationen, doch können wir<br />
IHN vorerst nur als das sogenannte<br />
„Höchste Wesen“ identifizieren.<br />
Dem Zeichen Steinbock ist der indigofarbene<br />
Strahl zugeordnet. Die<br />
Sekundärfarbe Indigo kommt durch<br />
eine Kombination von Orange,<br />
Grün, Blau und Purpur zustande.<br />
Der Indigo-Strahl ist bis jetzt noch<br />
nicht vollständig dem gegenwärtigen<br />
menschlichen Verstehen zugänglich,<br />
so dass er allgemein keine<br />
Anwendung findet. Der Mensch ist<br />
sich noch nicht voll bewusst, welch<br />
g<br />
eine Kraft und Macht in konzentrierter<br />
Form in dieser Sekundärfarbe<br />
vorhanden ist. Indigo steht daher<br />
in Verbindung mit Intuition und erweitertem<br />
Bewusstsein.<br />
Der Gebrauch <strong>des</strong> indigofarbenen<br />
Strahles gehört einer fernen<br />
Zukunft an.<br />
(Bearbeitet von Hannelore Jurthe)<br />
Weihnachtslied<br />
Es kommt ein Schiff, geladen<br />
Bis an den höchsten Bord,<br />
Trägt Gottes Sohn voll Gnaden,<br />
Des Vaters ewig's Wort.<br />
Das Schiff geht still im Triebe,<br />
Trägt eine teure Last;<br />
Das Segel ist die Liebe,<br />
Der Heilig Geist der Mast.<br />
Der Anker haft' auf Erden<br />
Da ist das Schiff am Land.<br />
Das Wort soll Fleisch uns werden,<br />
Der Sohn ist uns gesandt.<br />
Zu Bethlehem geboren<br />
Im Stall ein Kindelein,<br />
Gibt sich für uns verloren;<br />
Gelobet muss es sein.<br />
Und wer dies Kind mit Freuden<br />
Umfangen, küssen will,<br />
Muss vorher mit ihm leiden<br />
Groß Pein und Marter viel,<br />
Danach mit ihm auch sterben<br />
Und geistlich aufersteh'n,<br />
Das Leben zu ererben,<br />
Wie an ihm ist gescheh'n.<br />
Nach Johannes Tauler (um 1300-<br />
1361) von Daniel Sudermann<br />
(1550-1631)<br />
2010-4 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 17
Darstellung und Symbolik<br />
von Weihnachten<br />
Erbauung der Geburtskirche durch<br />
Kaiser Konstantin.<br />
Schon seit dem frühen 4. Jahrhundert<br />
befinden sich Ochs und Esel<br />
auf den Bildern, die auf Jesaja 1,3<br />
verweisen: „Der Ochs kennt seinen<br />
Besitzer, der Esel seine Krippe“. Sie<br />
und die Magier auf dem gleichen<br />
Bild bedeuten, dass sowohl die<br />
höchsten als auch die niedrigsten<br />
Lebewesen das Kind anbeten. Auch<br />
symbolisierte der Ochs als reines<br />
Tier das jüdische Volk, das an das<br />
Gesetz gebunden ist, der Esel als<br />
unreines Tier die heidnischen Völker<br />
unter der Last <strong>des</strong> Heidentums.<br />
In den byzantinischen Darstellungen<br />
sind auch die beiden Hebammen<br />
Zelomi und Salome dargestellt,<br />
die in der christologischen<br />
Auseinandersetzung der damaligen<br />
Zeit die wirkliche menschliche Geburt<br />
Jesu betonen sollen. Die an<br />
der jungfräulichen Geburt Jesu<br />
zweifelnde Salome will diesen Umstand<br />
mit ihrer Hand untersuchen,<br />
die dann zur Strafe verdorrt. Die<br />
Berührung <strong>des</strong> Jesusknaben heilt<br />
sie wieder. Dieses Thema ist im 5.<br />
und 6. Jahrhundert ein beliebtes<br />
Motiv der östlichen Kunst und ist<br />
auf der linken vorderen Ciboriumssäule<br />
(Ciborium ist ein Baldachin)<br />
von San Marco in Venedig, die aus<br />
Konstantinopel geraubt wurde, dargestellt.<br />
Die christliche Kunst entwickelte<br />
ihre Motive zunächst aus den Erzählungen<br />
<strong>des</strong> Matthäus- und<br />
Lukasevangelium sowie aus den<br />
apokryphen Kindheitsevangelien.<br />
Hinzu kamen viele Legendentexte<br />
verschiedener Herkunft.<br />
Seit den Darstellungen in den Katakomben<br />
im 3. Jahrhundert bis<br />
weit in die Renaissance, wurde die<br />
Geburtszene mit der Verkündigung<br />
an die Hirten und der Anbetung der<br />
Magier verbunden. Der Stall kommt<br />
im 4. Jahrhundert hinzu.<br />
Sehr früh schon thematisieren die<br />
Bilder die besondere Beziehung<br />
Jesu zu Maria, zum Beispiel das erste<br />
Bad oder die das Jesuskind stillende<br />
Mutter, wobei über Maria ein<br />
Stern steht (Domitilla- und Priscilla-<br />
Katakomben, spätes 3. Jahrhundert).<br />
Zu einem neuen Thema führte die<br />
Entdeckung der Geburtsgrotte<br />
durch Flavia Iulia Helena und die<br />
Die Gattung der Biblia pauperum<br />
(Armenbibel) weist in ihren Bezügen<br />
eine ganze Reihe von Anspielungen<br />
auf: Die Wurzel Jesse, Dan<br />
2,45 LUT: Maria ist der unbehauene<br />
Berg, die Geburtshöhle ihr Schoß.<br />
„Ohne Zutun eines Menschen brach<br />
ein Stein los.“<br />
Weihnachten wird mit Ostern in<br />
Beziehung gesetzt. Die Höhle ist<br />
auch Sinnbild seines Grabes. Der<br />
Kirchenvater Irenäus verglich die<br />
18 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 2010-4
Menschwerdung Christi mit seiner<br />
Höllenfahrt zwischen Tod und Auferstehung.<br />
Als Präfigurationen der Jungfräulichkeit<br />
Mariens gelten vor allem:<br />
Der brennende Dornbusch (Ex 3<br />
EU). So wie die Flamme den Dornbusch<br />
nicht verzehrte, so versehrte<br />
die Empfängnis nicht die Jungfräulichkeit.<br />
Felizetti beschreibt eine Ikone im<br />
Sinaikloster aus dem 14. Jahrhundert,<br />
auf der Maria selbst in den<br />
brennenden Dornbusch gestellt ist.<br />
Dann der grünende Aaronstab, da<br />
Aarons Stab Blüten trug, ohne gepflanzt<br />
worden zu sein. Dann Gideon<br />
mit dem Vlies, denn dies war<br />
das Zeichen der Berufung Gideons<br />
zu Rettung seines Volkes und symbolisierte<br />
das Wirken <strong>des</strong> Heiligen<br />
Geistes an Maria. Dann Ezechiel<br />
vor der verschlossenen Pforte ebenfalls<br />
als Symbol der Jungfräulichkeit<br />
Mariens. Diese vier Präfigurationen<br />
wurden bereits im 9. Jahrhundert in<br />
der byzantinischen Kunst entwickelt<br />
und kamen später auch ins Abendland.<br />
Sie finden sich auf Tafelbildern<br />
<strong>des</strong> 15. Jahrhunderts, wo sie um die<br />
Darstellung der Geburt Christi herum<br />
gruppiert werden, so zum Beispiel<br />
auf der Mitteltafel <strong>des</strong> Flügelaltars<br />
im Kloster Sams.<br />
Auch die antike Ikonographie der<br />
Mysterienkulte, die ebenfalls die<br />
Geburt eines Gottes kannten, hatte<br />
Einfluss auf die frühen christlichen<br />
Darstellungen, wie gewisse Parallelen<br />
zu antiken Darstellungen zur<br />
Geburt Alexanders oder <strong>des</strong> Dionysos<br />
zeigen.<br />
Auf einem Elfenbeinrelief um 550<br />
zeigt die Hebamme Salome Maria<br />
ihre verdorrte Hand. Die Haltung<br />
Mariens, liegend, halb aufgerichtet<br />
mit der linken Hand am Kinn, ist<br />
sehr ähnlich der halb liegenden und<br />
halb sitzenden Semele bei der Geburt<br />
<strong>des</strong> Dionysos auf einer Elfenbeinpyxis<br />
in Bologna.<br />
Am Anfang fehlt auf vielen Bildern<br />
Maria, häufiger noch Josef. Die<br />
Jungfrau Maria wurde erst zum<br />
zweiten Schwerpunkt, als das Konzil<br />
zu Ephesus sie 431 als „Gottesgebärerin“<br />
bezeichnete. In der byzantinischen<br />
Ikonographie kommt<br />
den beiden Geburtshelferinnen eine<br />
besondere Bedeutung zu, die das<br />
Kind baden und die Einmaligkeit<br />
der Jungfrauengeburt Marias bezeugen.<br />
Meist liegt Maria erschöpft<br />
auf einer Liege (κλίνη), was den<br />
menschlichen Geburtsvorgang betonen<br />
soll. Das Kind ist in ein Tuch in<br />
Analogie zum späteren Leichentuch<br />
gewickelt. Die Szene wird in der Regel<br />
in einer Grotte dargestellt, wobei<br />
auch das Höhlengleichnis Platons in<br />
Verbindung mit Jesus als dem Licht<br />
der Welt eine Rolle gespielt haben<br />
mag. Josef wird regelmäßig wesentlich<br />
älter dargestellt, steht im Hintergrund<br />
und bewacht die Szene.<br />
Frühchristliche und byzantinische<br />
Bilder von der Geburt sind wesentlich<br />
seltener als die mit Magiern und<br />
Hirten, also der Epiphanie. Typisch<br />
für den byzantinischen Einfluss in<br />
Italien ist das Bild von Duccio di<br />
Buoninsegna. Der Unterschied zur<br />
rein byzantinischen Darstellung liegt<br />
in der Darstellung der persönlichen<br />
Beziehungen der Personen auf dem<br />
Bild untereinander. Die wachsende<br />
Marienfrömmigkeit, die franziskanische<br />
Spiritualität und der Humanismus<br />
führten später dazu, dass<br />
bereits in der Hochgotik die frühere<br />
etwas distanzierte Darstellung zwischen<br />
Maria und dem Jesuskind einer<br />
innigeren Verbindung zwischen<br />
beiden wich und einer natürlicheren<br />
Darstellung Platz machte. Damit änderte<br />
sich auch die Rolle Josefs, der<br />
eine aktivere Rolle zugewiesen bekam.<br />
Typisch für die neue Darstellungsweise<br />
ist die Anbetungsszene<br />
von Giotto di Bondone.<br />
Im 14. Jahrhundert häufen sich<br />
Darstellungen, in denen Maria und<br />
Josef beiderseits <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> auf<br />
dem Boden sitzen, möglicherweise<br />
eine Anspielung auf die Demut.<br />
Am Ende <strong>des</strong> 14. Jahrhunderts<br />
fließen genrehafte Motive in das<br />
Bildmaterial ein. Josef bereitet für<br />
Mutter und Kind ein Essen, oder<br />
er wärmt sich die Hände an einem<br />
Ofen. Auch das Herstellen von<br />
Windeln oder das Trocknen von<br />
Windeln durch Josef wird darstellenswert.<br />
Dabei sind diese Sorgehandlungen<br />
Josefs als ein Adoptionsakt<br />
zu deuten (Blisniewski<br />
2000).<br />
In der Spätgotik ist nicht mehr die<br />
Darstellung der Kindheitsgeschichte<br />
als solche Ziel der Darstellung,<br />
sondern die meditative Betrachtung<br />
der Menschwerdung. Es bildet sich<br />
eine Tendenz zum Andachtsbild<br />
heraus. Der Anbetungstypus entwickelt<br />
sich bis zum 16. Jahrhundert<br />
zum vorherrschenden Motiv.<br />
(Quelle: Wikipedia)<br />
2010-4 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 19
Essen Sie sich<br />
gesund!<br />
Das vegetarische<br />
Rezept<br />
Grünkohl<br />
einmal anders<br />
Zutaten:<br />
Frischer Grünkohl<br />
Zwiebeln<br />
Saure Äpfel<br />
Kartoffeln als Beilage<br />
Gemüsebrühe<br />
Vegetarisches Schmalz<br />
Zubereitung:<br />
Den Grünkohl gründlich waschen,<br />
die stärksten Rispen entfernen<br />
und die Blätter in kleinere Stücke<br />
reißen und in der Gemüsebrühe<br />
kochen.<br />
Parallel dazu die Zwiebeln und<br />
die Äpfel grob schneiden und in<br />
einer Pfanne kurz in etwas vegetarischem<br />
Schmalz anbraten. Anschließend<br />
zu dem Grünkohl mit<br />
in den Topf geben.<br />
Nun die Kartoffeln als Pellkartoffeln<br />
mit Schale kochen.<br />
Wenn die Kartoffeln gut sind, ist<br />
auch der Grünkohl soweit und<br />
bei<strong>des</strong> kann gemeinsam serviert<br />
werden.<br />
Anmerkung:<br />
Haben Sie eigene vegetarische<br />
Rezepte, die Sie in Ihrem Speiseplan<br />
integriert haben und gerne<br />
essen?<br />
Bitte schicken Sie uns diese Rezepte,<br />
damit wir sie hier veröffentlichen<br />
können.<br />
Grünkohl vegetarisch<br />
Grünkohl besitzt einen hohen Gehalt an Vitamin C (100mg/100g). Dieser<br />
bleibt bei der Lagerung und auch bei der Zubereitung teilweise erhalten, somit<br />
ist diese Kohlart als Vitamin-C-Spender besonders im Winter geeignet.<br />
Der Grünkohl ist von allen verbreiteten Kohlformen der Wildform der Kohlpflanze<br />
am ähnlichsten. Grünkohl hat seinen Ursprung wahrscheinlich in<br />
Griechenland. Dort wird 400 v. Chr. ein krausblättriger Blattkohl beschrieben,<br />
der später bei den Römern als Sabellinischer Kohl bezeichnet wurde.<br />
Dieser Kohl ist wohl der Vorläufer <strong>des</strong> heutigen Grünkohls. Grünkohl zählte<br />
in der römischen Küche zu den Delikatessen. Typische Anbaugebiete heute<br />
sind Mittel- und Westeuropa, Nordamerika und Ost- sowie Westafrika.<br />
Es heißt oft, durch den Frost würde ein Teil der im Grünkohl enthaltenen<br />
Stärke in Zucker umgewandelt, weshalb der nach den ersten Frösten geerntete<br />
Kohl besser schmecke. Tatsächlich spielen Frost und Stärke keine<br />
Rolle, sondern es kommt auf die späte Ernte und allgemein kühle Temperaturen<br />
an. Reifer Grünkohl enthält kaum noch Stärke, die umgewandelt<br />
werden könnte, bildet durch die Photosynthese aber weiterhin Traubenzucker.<br />
Durch die kühlen Temperaturen verlangsamen sich die Stoffwechselvorgänge<br />
allgemein, besonders die Tätigkeit <strong>des</strong> Enzyms Phosphofructokinase<br />
wird stark gehemmt – der Zuckergehalt der Kohlblätter steigt an. Da<br />
diese Traubenzucker-Anreicherung nur bei der lebenden Pflanze stattfindet<br />
und der Frost selbst keine Rolle spielt, kann der Effekt der späten Ernte<br />
nicht durch kurzes Einlagern <strong>des</strong> geernteten Kohls in der Kühltruhe imitiert<br />
werden.<br />
Entgegen der weitverbreiteten Rezeptur <strong>des</strong> längeren Kochens, kann Grünkohl<br />
auch mit kürzerer Garzeit zubereitet werden. Blanchiert schmeckt er<br />
durchaus auch im Salat, der mit kräftigen Aromen verfeinert werden darf.<br />
Darüber hinaus findet er zumin<strong>des</strong>t in den USA auch als Rohkost seinen<br />
Platz. Dort ist er Bestandteil vieler „Green Smoothie“ Rezepte. Außerdem<br />
ist er dort unverzichtbare Zutat in der Südstaatenküche.<br />
Regional wird er auch Braunkohl, Hochkohl, Winterkohl oder Krauskohl genannt.<br />
In der Schweiz trägt er den Namen Federkohl, ist aber vergleichsweise<br />
wenig bekannt und als Speise kaum gebräuchlich. In Ostwestfalen-Lippe<br />
trägt er den seinen Wuchs umschreibenden Namen Lippische<br />
Palme. Weiter nördlich Oldenburger oder Friesische Palme in Westfalen<br />
wird Grünkohl Moos genannt.<br />
20 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 2010-4
Über den Weg zum<br />
AtemSelbst<br />
Victor Robert<br />
Männlich und Weiblich<br />
Atemkörper und Aqua vitae<br />
Das Vater-Unser als christliches Atemgebet<br />
Von der himmlischen Hochzeit.<br />
Aufnahme und Abgabe kennen wir<br />
als die zwei Ursprungsbewegungen<br />
<strong>des</strong> Atems. Hier kommt der Rhythmus<br />
zum Vorschein, der diese duale<br />
Bewegungen im stetigen Wechsel<br />
aufeinander einstimmt.<br />
Dann der Herzschlag, der das rechte<br />
und das linke Herz als ein ganzes<br />
Herz miteinander verbindet – die<br />
Quelle.<br />
Es gibt immer eine Zeit der Bindung<br />
und eine Zeit der Lösung. So gesehen<br />
ist die Erfahrung von Schwäche,<br />
Gebrochensein oder von zeitweiliger<br />
Bewegungsunfähigkeit<br />
eine polare Erfahrung, die zum<br />
Gegenpol der Heilung ausschlagen<br />
kann.<br />
Ein Heilweg bedeutet einen Weg zu<br />
haben, der zur Heilerfahrung führt.<br />
Heilung ist vor allem ein inneres Geschehen,<br />
das vom Therapeuten angeregt<br />
werden kann.<br />
Die Voraussetzung, die zum tiefen<br />
Heilsein führt, bedingt ein tiefes sich<br />
einlassen können.<br />
Heilsein, das frei werden von bindenden,<br />
einschränkenden Umständen,<br />
meint den ganzen Menschen.<br />
Mit Soma und Psyche.<br />
Krankheit bedeutet immer Bindung,<br />
also das Anhaften an widrigen körperlichen<br />
oder seelischen Zuständen.<br />
Heilung bringt hingegen das<br />
“Solve“, die Lösung und manchmal<br />
auch die Auflösung dieser Umstände,<br />
die den Menschen binden. So<br />
kann selbst der große Tod erlösend,<br />
entbindend wirken.<br />
Der Mensch pendelt immer zwischen<br />
diesen zwei Polen von Bindung<br />
und Lösung. Leben besteht<br />
aus diesem innigen polaren Geflecht<br />
von Aufnahme und Abgabe.<br />
Im leiblichen Dasein erfahren wir<br />
diese Wahrheit im Stoffwechselvorgang.<br />
Nahrung will eingebunden<br />
werden, um assimiliert zu werden.<br />
Das Andere, die Schlacke, muss<br />
entbunden, ausgeschieden werden.<br />
In unserem christlichen „Vater Unser“<br />
ist die Rede von der Lösung,<br />
Erlösung von falschen Bindungen.<br />
Diese entstehen aus einem Fehlverhalten<br />
<strong>des</strong> Menschen, der aus<br />
einer ursprünglichen, göttlichen<br />
Ordnung herausgefallen ist. In dieser<br />
Ordnung war der Mensch im<br />
Paradies, d.h. er war im Einklang<br />
mit den Gesetzen der Schöpfung.<br />
Das Jenseitige, das der Welt der<br />
Träume entspricht, und das Diesseits,<br />
das dem wachenden Menschen<br />
begegnet, waren Eins.<br />
Das Männliche als polares Attribut<br />
<strong>des</strong> einen Menschen ist auf das<br />
Jenseitige bezogen, das dem Menschen<br />
in der Welt <strong>des</strong> Traumes und<br />
2010-4 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 21
<strong>des</strong> visionären Wachbewusstseins<br />
zugänglich ist. Das Weibliche hingegen<br />
bezieht sich auf die Zuwendung<br />
zum Körperlichen und Fassbaren<br />
in der sog. konkreten Welt<br />
der Materie.<br />
Beide, Männliches und Weibliches,<br />
sind sowohl im Manne als<br />
auch in der Frau vorhanden. Sie<br />
entsprechen polaren Valenzen,<br />
Wertigkeiten, die an sich übergeschlechtlicher<br />
Natur sind, aber in<br />
deren komplementären Verhältnis<br />
zueinander die Differenzierung der<br />
Geschlechter in Mann und Frau ermöglichen.<br />
Das Männliche im Mann ist sein<br />
inneres weibliches Abbild, das erstmals<br />
von C. G. Jung als Anima definiert<br />
wurde. Das Weibliche in der<br />
Frau ist ihr männliches Abbild, das<br />
als Animus bezeichnet wird.<br />
(Dem Verfasser ist bewusst, hier<br />
Verwirrung zu stiften, gelten doch<br />
beide Begriffe in der analytischen<br />
Psychologie Jungs ganz konträr:<br />
„Dort ist die Anima der weibliche<br />
Anteil im Manne und Animus der<br />
männliche Anteil in der Frau“).<br />
Diese andersartige Definition von<br />
Animus und Anima geschieht innerhalb<br />
der Quaternio-Betrachtung<br />
aus der polaren Struktur <strong>des</strong> Geschlechtlichen<br />
im Menschen, das<br />
nach Meinung <strong>des</strong> Verfassers ganz<br />
anders in funktionelle Erscheinung<br />
tritt: Der Mann hat die Aufgabe, sich<br />
selbst über sein Männliches zu definieren.<br />
Dasselbe gilt für die Frau,<br />
die sich selbst über ihre weibliche<br />
Natur zu finden hat. Das Komplement<br />
Animus und Anima wird auf<br />
den jeweiligen Partner zunächst<br />
projiziert und als Du-Beziehung gelebt.<br />
Weil der Mann die Frau sucht, erfährt<br />
er in ihrer polaren Andersartigkeit<br />
sein männliches „So-Sein“.<br />
Bei der Frau ist der umgekehrte<br />
Prozess. Der Mann wird Mann über<br />
die Frau und die Frau wird Frau<br />
über den Mann. Die Begriffe Anima<br />
mit dem Weiblichen und Animus mit<br />
dem Männlichen zu identifizieren ist<br />
durchaus korrekt, aber sie kehren<br />
sich in ihrer Bedeutung beim Mann<br />
und bei der Frau um, weil sie dort<br />
polarisiert werden: So bewirkt Animus<br />
bei der Frau eine weibliche<br />
Tätigkeit und Anima beim Manne<br />
eine männliche Tätigkeit: Die Entelechie<br />
wird spiegelbildlich in der<br />
„Du-Beziehung“ gelebt und kommt<br />
nur durch ihre spiegelbildliche Abbildung<br />
zum Vorschein.<br />
Polarität funktioniert über spiegelbildliche<br />
Abbild-Umkehrprozesse.<br />
Komplement ist nicht in diesem<br />
Kontext als Ergänzung zu verstehen,<br />
sondern als Spiegelung. Spiegelung<br />
ist die Sprache eines Sich-<br />
Abbildenden im Raum.<br />
Aus dem sich spiegelnden Abbild<br />
kommt ein Zirkulieren<strong>des</strong> zur Geltung.<br />
Daraus kommt Bewegung<br />
hervor im Sinne von Anziehung und<br />
Abstoßung. Das entspricht der vitalen<br />
Kraft <strong>des</strong> Atemkörpers, die als<br />
Körpermagnetismus im ätherischen<br />
Raum zum Ausdruck kommt. Diese<br />
Kraft kann als Eros bezeichnet werden.<br />
Die Welt <strong>des</strong> Traumes entspricht<br />
der Nacht, der Dunkelheit. Verborgenheit<br />
und Dunkelheit, als Bild für<br />
ein Unsichtbares, wird vom Mann<br />
als eigener Urgrund gesucht. Die<br />
Form entspricht dem Runden,<br />
dem Weichen und Ruhenden, was<br />
als Höhlung, Höhle im Körper der<br />
Frau, zum Ausdruck kommt – das<br />
ist männlich. Aus diesem Bereich<br />
kommt die Schöpfung zustande, so<br />
dass es mit der Wurzel <strong>des</strong> Schöpferischen<br />
verbunden ist.<br />
Im Körper <strong>des</strong> Menschen finden<br />
wir seine Entsprechung im sympathischen<br />
Anteil <strong>des</strong> Vegetativums.<br />
Worte wie Entfaltung und Bewegung<br />
kommen aus ihm hervor – Impuls,<br />
der zum Ausdruck kommt. Das<br />
Männliche kommt aus der Verborgenheit.<br />
Der Kreis und das Runde sind<br />
männlich. Die Welt <strong>des</strong> Hellen, der<br />
Tätigkeit, die sich in der motorischen<br />
Äußerung <strong>des</strong> Körpers manifestiert,<br />
entspricht dem Tagesbewusstsein,<br />
das die Planung und Ausschöpfung<br />
<strong>des</strong> Nützlichen zur Maxime <strong>des</strong><br />
Handelns macht.<br />
Die Gerade und das Eckige-Abgrenzende<br />
kommen im Körper<br />
<strong>des</strong> Mannes zum Vorschein – das<br />
ist weiblich. Aus diesem Bereich<br />
kommt die Welt der materiellen Erscheinungen<br />
mit ihren festen Formen<br />
und Konturen, so dass es mit<br />
der Wurzel <strong>des</strong> Geschöpften verbunden<br />
ist.<br />
Im Körper <strong>des</strong> Menschen finden wir<br />
seine Entsprechung im parasympathischen<br />
Anteil <strong>des</strong> Vegetativums.<br />
Worte wie Einfaltung und Ruhe gehen<br />
aus ihm hervor – Reize, die zu<br />
Ende gehen, bzw. zur Ruhe kommen.<br />
Das Weibliche kommt aus der Erscheinung.<br />
Das Quadrat und die<br />
Gerade sind weiblich.<br />
Weil die Frau in ihrer inneren Natur<br />
(die Innenseite) weiblich ist, bringt<br />
sie nach Außen (die Außenseite)<br />
das Männliche als Rundung, Wölbung<br />
und Höhlung hervor. Diese<br />
Formen weisen auf Tiefe und aufs<br />
Verborgene hin. Die Verschleierung<br />
der Frau deutet auf ihr Äußeres-<br />
Männliches hin.<br />
22 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 2010-4
Weil der Mann in seiner inneren<br />
Natur männlich ist, bringt er nach<br />
Außen das Eckige, dem Stab ähnliches<br />
hervor. Diese Formen weisen<br />
einem nach Außen Ausstülpenden<br />
und Markierenden hin.<br />
Dies zeigt das tiefe Bedürfnis, die<br />
Welt der Erscheinung zu besitzen<br />
und zu erobern.<br />
Die Haare auf dem Haupt weisen<br />
auf sein Äußere-Weibliche hin.<br />
Das Verborgene-Männliche ist dem<br />
Jenseitigen, Nicht-Materiellen und<br />
Unsichtbaren-Formlosen zugeordnet.<br />
Das Erscheinende-Weibliche ist<br />
dem Diesseits, dem Materiellen und<br />
Konkreten-Sichtbaren verwandt.<br />
Wortschlüssel: Der Mann findet sich<br />
in der Frau wieder. Die Frau findet<br />
sich im Manne wieder. Der Mann<br />
findet sich als Mann in der Frau. Die<br />
Frau findet sich als Frau im Manne.<br />
Der Mann sucht die Frau. Die Frau<br />
sucht den Mann. Die Frau löst den<br />
Mann im Manne aus. Der Mann löst<br />
die Frau in der Frau aus.<br />
Jedem das Gleiche. Nicht im Sinne<br />
eines Gegensatzes, sondern im<br />
Sinne eines Ähnlichen.<br />
Die Verwischung dieser Tatsache<br />
führt zu vielen Missverständnissen<br />
zwischen den Geschlechtern. Der<br />
Mann kann nicht zur Frau und die<br />
Frau kann nicht zum Mann werden.<br />
Die Frau ist nicht Komplement, sondern<br />
polare, gegensätzliche Hälfte .<br />
Der Mann verhält sich zur Frau nicht<br />
als Ergänzung, sondern als polarer<br />
Gegensatz. Erst dies ermöglicht Zirkulation<br />
und gibt dem Eros seinen<br />
Auftrieb.<br />
Der ursprüngliche Mensch kannte<br />
diese polare Dualität nicht, weil<br />
sie im Anfang nur als Keim bei ihm<br />
angelegt war. Die ursprüngliche<br />
Erlebenswelt, in deren Reich der<br />
Mensch, als Einheit einer Vorstufe<br />
vom Männlichen und Weiblichen,<br />
lebte, wurde mit ihren Tieren und<br />
Pflanzen als Verlängerung der eigenen<br />
Körpererfahrung erlebt. Das<br />
Tier war Bruder Tier, Totem der<br />
Kraft und <strong>des</strong> heiligen Lautes, der<br />
den eigenen Wesenskräften glich.<br />
Die Pflanze und die Bäume bargen<br />
das Wissen der Ahnen in sich und<br />
dienten dem Menschen als Nahrung<br />
und Arznei. Der Atem verband den<br />
Menschen mit dem Atem der Natur.<br />
Die Verbindung zum siderischen<br />
Atemkörper ermöglichte dem Menschen<br />
die Einheit mit dem All als paradiesischen<br />
Zustand zu erfahren.<br />
Tod und Geburt waren im Zyklus<br />
der Natur mit den Jahreszeiten eingebettet.<br />
Im Zustand <strong>des</strong> Traumes,<br />
der ein fester Bestandteil seiner<br />
wachenden Tätigkeit war – ein Relikt<br />
davon ist die bei manchen Individuen<br />
Form der visionären Schau<br />
– wurde ihm das nach Außen Erlebte<br />
eine Fortsetzung <strong>des</strong> inwendigen,<br />
traumähnlichen Erfahrenen.<br />
Wir dürfen diesen Zustand nicht mit<br />
einem imaginierten Zustand verwechseln.<br />
Ihm haftete in seiner Art<br />
ein selbstständiger Vorgang <strong>des</strong><br />
Wachträumens, das beim heutigen<br />
Menschen in der Form nicht mehr<br />
möglich ist. Der innere Raum in seiner<br />
Verborgenheit und in seinem<br />
Bezug zum Jenseitigen bestimmte<br />
das Leben <strong>des</strong> Menschen zu seiner<br />
damaligen entwicklungsgeschichtlichen<br />
Zeit.<br />
Die Dualität <strong>des</strong> Jenseitigen, Verborgenen<br />
mit dem Diesseitigen,<br />
begann mit der Geburtsstunde <strong>des</strong><br />
Weiblichen, das aus der Rippe <strong>des</strong><br />
ganzen Menschen entstand.<br />
Mit dem Begriff <strong>des</strong> Weiblichen ist<br />
nicht die geschlechtliche Spezifizierung<br />
<strong>des</strong> Menschen als Frau gemeint,<br />
sondern die Ausdifferenzierung<br />
und Entwicklung <strong>des</strong>jenigen<br />
Anteiles im Menschen, der nach<br />
Außen in die Welt der materiellen<br />
Erscheinung, strebte – eigentlich<br />
eher ein Attribut <strong>des</strong> Männlichen in<br />
unserer Zeit! Dieses Sinnbild der<br />
“Rippengeburt“ steht für die Entkoppelung<br />
<strong>des</strong> Atemkörpers von<br />
seinem siderischen Anteil am Firmament,<br />
am Kosmischen. Diese<br />
Abtrennung führte zum dualen und<br />
polaren Raumbezug von Rechts<br />
und Links. Aus diesem Grund kann<br />
man das Wort Rippe aus dem Hebräischen<br />
mit dem Wort Seite ersetzen.<br />
Adam, als Urmensch, war die ursprüngliche<br />
Einheit von dem Männlichen<br />
und dem Weiblichen. Das<br />
männliche Prinzip war der Welt <strong>des</strong><br />
Jenseitigen, der Welt <strong>des</strong> Traumes<br />
zugeordnet. Das Diesseits war<br />
weiblicher Natur. Aus dem Verborgenen<br />
entsprang das Erscheinende<br />
mit der Bewusstwerdung <strong>des</strong> sinnlich<br />
Erfassbaren.<br />
Die Welt, als feste materielle Erscheinung<br />
wurde durch das weibliche<br />
Prinzip anders zugänglich. Mit<br />
dem Weiblichen keimte das Ich-<br />
Bewusstsein auf. Das Essen der<br />
verbotenen Frucht ist als Metapher<br />
dieses Prozesses zu verstehen,<br />
das zum Rückzug <strong>des</strong> Atemkörpers<br />
aus dem siderischen, himmlischen<br />
Anteil führte. Es glich einem Absturz,<br />
einem tiefen Fall aus einer hierarchisch<br />
höheren Bewusstseinsebene.<br />
Der Verstand mit seinem zweckverbundenen<br />
Denken, das in sich<br />
die Vorstufen <strong>des</strong> Egoismus barg,<br />
führte letztlich zu dem Riss beim<br />
atmenden Organismus <strong>des</strong> Menschen<br />
– dem äußeren Raum galt<br />
die größere Bewusstheit.<br />
Der innere Raum wurde hingegen<br />
immer mehr verdrängt. Das senso-<br />
2010-4 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 23
ische Gewahrsein der Einheit mit<br />
dem All wich zugunsten der Vergrößerung<br />
<strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong>organes<br />
im Menschen. Mit anderen Worten:<br />
Der solare Anteil <strong>des</strong> Bewusstseins<br />
verminderte sich im Verhältnis zum<br />
lunaren Part im menschlichen Dasein.<br />
Dieser Rückzug <strong>des</strong> siderischen<br />
Anteils <strong>des</strong> Atemkörpers<br />
polarisierte die rechte und die linke<br />
Gehirnhälfte zu einer neuartigen<br />
Verbindung, die bis heute anhält<br />
und leider, sich weiter einseitig<br />
entwickelt – die Überbetonung <strong>des</strong><br />
rechten Wegs mit der gleichzeitigen<br />
Minderung der Linken.<br />
Damit polarisierte sich der Atemkörper<br />
und bahnte dementsprechend<br />
die Bewusstseinsentwicklung <strong>des</strong><br />
Menschen in eine einseitige Richtung<br />
an. Statt der aktiven intuitiven<br />
Schau, verlagerte sich die geistige<br />
Tätigkeit <strong>des</strong> Menschen nunmehr<br />
in eine reflektierende, also nachdenkliche<br />
Betrachtung, die mehr<br />
passiver Natur war und die durch<br />
eine Abspaltung von Subjekt und<br />
Objekt gekennzeichnet ist.<br />
Somit vollzog sich der Verlust <strong>des</strong><br />
Atems, der sich einst im Atem<br />
<strong>des</strong> Tieres, in der Bewegung der<br />
Zweige im Wind, als Verlängerung<br />
<strong>des</strong> Einen universellen Atems wieder<br />
fand. Der Atemkörper zog sich<br />
immer mehr in sich, in den dunklen<br />
Bauchraum, zurück. Diese Umpolung<br />
von der Bauchmitte zum Kopf,<br />
vom “Bauch-zum Kopfhirn“, brachte<br />
eine Vergrößerung der intellektuellen<br />
Fähigkeiten mit sich. Dies trifft<br />
insbesondere auf den westlichen<br />
Menschen zu und auf seine heutige<br />
Haltung in dieser Welt.<br />
Diese Schaltung vollzog die vorher<br />
beschriebene Umpolung <strong>des</strong> Atemkörpers,<br />
die zu einem – in seiner<br />
Qualität – veränderten Atem <strong>des</strong><br />
Menschen führte.<br />
Das Geheimnis von Bewusstsein<br />
liegt in der Atemerfahrung. Diese ist<br />
sowohl als einen körperlichen Prozess<br />
als auch eine geistige Tätigkeit<br />
zu verstehen.<br />
Gedankenformen sind dem Atemvorgang<br />
unterstellt, aber sie können<br />
auch den Atem in seiner qualitativen<br />
Form bestimmen. Der Knecht usurpiert<br />
dann den Thron <strong>des</strong> Königs;<br />
aus dem Diener wird der Herr. So<br />
atmen wir wie wir denken, statt zu<br />
denken wie wir in Freiheit atmen<br />
könnten.<br />
Jede Atemschulung ist eine Schulung<br />
für das Denken, aber nicht umgekehrt.<br />
Kein so edler Gedanke vermag<br />
auch nur den Weg <strong>des</strong> Atmens<br />
zu lenken. Hier können wir von der<br />
Mächtigkeit <strong>des</strong> Körpereinflusses<br />
auf den Geist lernen.<br />
Der Atem ist die Quelle <strong>des</strong> Bewusstseins.<br />
Der Körper ist der Acker, wo<br />
der Schatz begraben liegt.<br />
Das allegorische “Essen vom Baum<br />
der Erkenntnis“ führte den Spalt mit<br />
dem “Baum <strong>des</strong> Lebens“ ein. Das<br />
Bewusstsein für diesen Baum der<br />
Atemeinheit geriet zum körperlichen<br />
Unbewussten. Der Atemvorgang<br />
wurde ganz zu einem reinen Körpervorgang.<br />
Somit vergaß das Bewusstsein<br />
seine eigentliche Quelle.<br />
Sie geriet immer mehr zu stumpfer<br />
Nicht - Bewusstheit. Das Ich empfand<br />
sich als getrennt, abgesondert<br />
von der einstigen Einheit. Es unterschied<br />
ein Männliches von einem<br />
Weiblichen und schämte sich seiner<br />
Nacktheit – es empfand sich als<br />
schutz- und hilflos.<br />
Aus dieser Entblößung heraus,<br />
begann das Spiel mit der Macht,<br />
die aus der Entwicklung <strong>des</strong> abgetrennten<br />
Atemkörpers zum Vorschein<br />
kam.<br />
Die Entwicklung <strong>des</strong> Intellekts befähigte<br />
nun den Menschen, das<br />
Nützliche immer mehr zum eigenen<br />
Vorteil und Wohlstand aus dem Gesamtverband<br />
<strong>des</strong> Lebendigen abzusondern<br />
und dementsprechend zu<br />
werten und zu sortieren.<br />
Die Viehzucht und die Agrarkultur<br />
führte den Menschen in die Anfänge<br />
der Zivilisation ein.<br />
Der Kult der grossen Göttin entsprach<br />
dieser Zeitepoche der<br />
menschlichen Entwicklung. Mit der<br />
zunehmenden Ablösung <strong>des</strong> Matriachats,<br />
begann dann die Ausbildung<br />
<strong>des</strong> Intellekts zur größeren Differenzierung<br />
heranzureifen. Bald erfuhr<br />
die Welt der Träume die gänzliche<br />
Trennung mit der Welt <strong>des</strong> Wachseins.<br />
Dieser gefährlichen Spaltung<br />
begegneten immer die Religionen<br />
mit Impulsen zur Rückverbindung<br />
mit der verlorenen Einheit.<br />
Es galt diesem Absonderungsprozess<br />
<strong>des</strong> menschlichen Geistes Einhalt<br />
zu gebieten, ihm wieder zurück<br />
zu verbinden (Religare).<br />
Im Buddhismus stieß Buddha, über<br />
die Wesens-Vertiefung am Atemkörper,<br />
zu jenem ursprünglichen,<br />
reinen, aber genauso amorphen<br />
und geschlechtlich undifferenzierten<br />
Zustand vor, der siderischen Heimat<br />
<strong>des</strong> Atemkörpers entsprechend, als<br />
Nirwana bezeichnet wurde.<br />
Im Christentum wurde von Jesus diese<br />
Einheit <strong>des</strong> Seins als das Reich<br />
<strong>des</strong> Vaters bezeichnet. Dem Reich<br />
haftete aber das patriachalische<br />
Inbild eines liebenden Vaters, das<br />
von Jesus liebevoll und schlicht mit<br />
“Abba“ genannt wurde.<br />
Im Gegensatz zum Buddhismus<br />
wurde diesem Reich eine geschlechtliche<br />
Spezifizierung zugewiesen,<br />
die im Kontext Vater-Sohn,<br />
24 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 2010-4
oder Vater-Tochter das Christentum<br />
charakterisiert. Erst später gelang<br />
es der katholischen Kirche dem<br />
Männlichen- über die Hervorhebung<br />
der Assumptio Marias, also der Himmelfahrt<br />
Marias - eine Art weibliche<br />
Polarität entgegenzusetzen, die bis<br />
heute anhält. Bereits in der Johannes<br />
Apokalypse wurde mit der<br />
Darstellung der vom bösen Drachen<br />
ausgelösten Verfolgung <strong>des</strong> Weibes<br />
mit dem Kind, das Thema der Assumptio<br />
vorausgesehen. Sie gilt<br />
als eine Vorankündigung einer fehlenden<br />
Integration <strong>des</strong> Weiblichen<br />
im Christentum.<br />
Das Reich <strong>des</strong> Vaters, das auf Liebe<br />
gegründet ist, bringt die ursprüngliche,<br />
göttliche Ordnung hervor. Dort<br />
erfährt der Mensch seinen Ursprung<br />
und sein Ziel.<br />
Im Gebet <strong>des</strong> „Vater-Unser“ führt<br />
uns Jesus Schritt für Schritt dahin<br />
zurück, woher wir kommen. Der<br />
Weg gilt der Quelle, dem Anfang.<br />
Es handelt sich um einen klar vorgezeichneten<br />
Weg, der uns die richtige<br />
Haltung und den richtigen Umgang<br />
mit dem Förderlichen, aber auch mit<br />
den Fallen und Widerständen auf<br />
dem Weg zeigt. Ihm lag Vieles daran,<br />
den zunehmenden Prozess <strong>des</strong><br />
Rückzuges <strong>des</strong> Atemkörpers aus<br />
der siderischen Heimat im oberen<br />
Firmament, die Abkehr vom inneren<br />
Raum und die Fallstricke rein materiellen<br />
Denkens, aufzuhalten. Er<br />
wusste um die Bedeutung der Du-<br />
Zuwendung, als Weg zur Erlösung<br />
aus den Zwängen rein ich-betonten<br />
Handelns, das zur Verrohung zwischen<br />
den Menschen und zur Zerstörung<br />
<strong>des</strong> göttlichen innewohnenden<br />
Abbil<strong>des</strong> im Menschen<br />
führen musste.<br />
Mit dem Ausspruch “Effata !“ (Öffne<br />
dich!) war Er in der Lage, den Atemkörper<br />
aus dem Exil zu heben und<br />
ihn wieder zu seiner wahrem Größe<br />
im Sinne einer Ausdehnung zu verhelfen.<br />
Diese Ausdehnung würde<br />
die Ebene <strong>des</strong> Mikrokosmischen mit<br />
dem Makrokosmischen wieder verbinden<br />
können. Die Befreiung <strong>des</strong><br />
Atemkörpers aus dem Kerker <strong>des</strong><br />
materiellen Gefängnisses erfolgte<br />
zuweilen mit großen Heilerfolgen<br />
bei den betroffenen Menschen.<br />
Mit dem Gleichnis <strong>des</strong> Senfbaumes<br />
meinte Jesus diesen Ausdehnungsprozess<br />
<strong>des</strong> Atemkörpers, der durch<br />
eine innere Umkehr aus dem unscheinbaren<br />
Senfkorn einen prächtigen<br />
Baum zur Entfaltung bringt,<br />
auf <strong>des</strong>sen Zweige die Vögel <strong>des</strong><br />
Himmels sitzen können. Das Reich<br />
<strong>des</strong> Vaters war der Himmel und seine<br />
Vögel waren die Engel, die Arkana,<br />
Archangoi seines Reiches.<br />
Nur durch die gläubige Hingabe würde<br />
der Mensch - in einem weiteren<br />
Gleichnis, „als Bauer,“ alles hergeben,<br />
sein gesamtes Vermögen, um<br />
den verborgenen Schatz im Acker<br />
zu finden. Es galt, diese verlorene<br />
Perle wieder zu finden.<br />
Das Thema, das Verlorene und Ursprüngliche<br />
wiederzuerlangen, vollzieht<br />
sich wie ein roten Faden durch<br />
viele Gleichnisse Jesu. In der Parabel<br />
vom verlorenen Sohn geht es<br />
um einen Umkehrprozess: Von zwei<br />
Brüdern verlangt der jüngere seinen<br />
Erbteil vorzeitig von seinem Vater.<br />
Er zieht dann weg und führt mit dem<br />
Geld ein Leben in Verschwendung<br />
und Genuss, das ihn aber immer<br />
tiefer in den Abgrund menschlicher<br />
Existenz drängt. Die Not leitet die<br />
Kehrtwende ein. Voller Reue kehrt<br />
er mit enormen Schulden beladen<br />
zum Hof <strong>des</strong> Vaters zurück - nachdem<br />
er sich zuletzt als Sauhirte verdingte.<br />
Er bittet ihn um eine Arbeit<br />
als Tagelöhner. Damit würde er seine<br />
Schulden abbezahlen können.<br />
Zum Entsetzen seines älteren und<br />
stets dem Vater ergebenen Bruders,<br />
wird er aber vom Vater, feierlich<br />
empfangen und erhält von diesem<br />
das beste Gewand, einen Ring und<br />
Schuhe. Aus der ursprünglichen<br />
Abkehr vom Vater kommt es zu einer<br />
Versöhnung mit ihm und einem<br />
unverhofften, glücklichen Ende dieser<br />
Geschichte. Seine Schulden,<br />
die er bitterlich abbezahlen musste,<br />
werden ihm dann erlassen und<br />
er wird ein freier Mann an der Seite<br />
seines Vaters.<br />
Der Begriff Schuld erscheint hier in<br />
diesem Kontext als der Verlust und<br />
die Verleugnung der königlichen<br />
Herkunft <strong>des</strong> Sohnes, die in Folge<br />
von der materiellen Verstrickung in<br />
der Welt aufgegeben wurde. Dieser<br />
Sohn ist dem Weiblichen Erscheinenden<br />
verfallen und verliert die<br />
Fühlung mit der Quelle, dem Reich<br />
<strong>des</strong> Vaters, <strong>des</strong> Verborgenen und<br />
Männlichen. Er verliert den göttlichen<br />
Atem durch die Bindung an<br />
der Welt. Leiden und Gebrechen aller<br />
Art kommen dadurch zustande.<br />
Im kontroversen „Evangelium <strong>des</strong><br />
vollkommenen Lebens“, das von<br />
Edmond Székeley übersetzt und<br />
zusammen mit Purcell Weaver im<br />
Jahre 1937 herausgegeben worden<br />
ist, finden wir eine interessante<br />
Deutung dieses Gleichnisses vor. In<br />
diesem Buch, das sich auf die Gesundheitslehren<br />
einer altslawischen<br />
und einer aramäischen Evangelien-<br />
Handschrift beruft, die in der Bibliothek<br />
<strong>des</strong> Vatikans von Székeley<br />
entdeckt worden ist, müssen diese<br />
Leiden (beschrieben im Kapitel<br />
Der verlorene Sohn) als körperliche<br />
Gebrechen und Qualen durchlebt<br />
werden. Sie werden aber durch die<br />
Gnade <strong>des</strong> Herrn auf 7 x 7 Tage abgekürzt.<br />
Im Friedensevangelium wird das<br />
Durchstehen dieser Leiden, als<br />
Buße zum Flussufer <strong>des</strong> Jordan<br />
verlegt. Somit rückt dieser Prozess<br />
2010-4 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 25
mit dem Motiv der Taufe zusammen.<br />
Die Menschen dort, die sich<br />
um Jesu und seine Jüngern scharen,<br />
gehen durch einen extremen<br />
Reinigungsprozess in deren Körper<br />
durch, der das angesammelte<br />
üble Gift zum Auswerfen bzw. Ausscheiden<br />
über die Körperöffnungen<br />
hervorbringt. Diese Reinigung geschieht<br />
über den Atemkörper,der<br />
sich zu seiner wahren göttlichen<br />
Bestimmung und Größe wieder<br />
findet. Die Agenzien, durch welche<br />
diese tiefe Leibreinigung stattfindet,<br />
werden als die Engel der Luft, <strong>des</strong><br />
Feuers, der Erde und <strong>des</strong> Wassers<br />
genannt. Die vier Elemente.<br />
In diesem bemerkenswerten Evangelium,<br />
das für fleischlose Kost und<br />
den liebevollen Umgang mit unseren<br />
Mitgeschöpfen plädiert, wird<br />
der Körper der Mutter Erde und der<br />
Geist dem himmlischen Vater zugewiesen.<br />
In der Seinseinheit mit<br />
den göttlichen Eltern erfährt der<br />
Mensch sein tiefes Heil. Die Taufe<br />
mit dem Wasser zentriert sich auf<br />
dieses Nacktsein <strong>des</strong> Menschen,<br />
der seiner himmlischen Heimat<br />
wieder gewahr wird und mit seinem<br />
ganzen Herzen und seiner Seele<br />
und Gemüt nach dem wahren Zuhause,<br />
mit großer Inbrunst und Hingabe,<br />
verlangt.<br />
Der Verfasser findet in diesem kleinen<br />
Büchlein einen wichtigen Kernsatz<br />
<strong>des</strong> christlichen Wegs wieder<br />
und die fehlenden Ansätze, die ihn<br />
erneuern können: Das Motiv der<br />
Anbetung und der Ansprache <strong>des</strong><br />
Weiblichen als Mutter Erde. Es ist<br />
ihm nicht so wichtig, ob der historische<br />
Kontext <strong>des</strong> Textes glaubwürdig<br />
ist oder nicht. Der Inhalt<br />
geht auf ein inwendigen Bedürfnis<br />
<strong>des</strong> westlichen Menschen nach<br />
einer Rückbesinnung zur Mutterschaft<br />
der Erde, die von einer ungeheuerlichen<br />
Brisanz in unserer Zeit<br />
begleitet wird, zurück. Man kann<br />
das religiöse Motiv als eine Äußerung<br />
<strong>des</strong> kollektiven Unbewussten<br />
in der heutigen westlichen Zivilisation<br />
betrachten. Die Akzeptanz körperlicher<br />
Erfahrung als Weg zur Verbindung<br />
mit dem göttlichen Ursprung. Dies<br />
stellt im Grunde den Weg <strong>des</strong> westlichen<br />
Menschen dar. Ein tiefes Hinabsteigen<br />
in die körperliche Welt,<br />
die ihm daraus als “Gereinigten“,<br />
“Getauften“ hervorkommen lässt.<br />
Die Öffnung <strong>des</strong> Atemkörpers und<br />
seine befreiende Ausdehnung zum<br />
oberen Firmament, ermöglicht dem<br />
Menschen einen Einblick in jene<br />
Welt zu haben, die ihn zu seiner<br />
wahren Bestimmung führen kann<br />
- als Pontifex, Brückenbauer zwischen<br />
Himmel und Erde, zwischen<br />
Geist und Materie.<br />
Das Gebet <strong>des</strong> „Vater-Unser“ bittet<br />
um die Lösung vom falschen Anhaften<br />
an das, was uns zurückhält, also<br />
an das, was uns, von der ursprünglichen<br />
Einheit abhält.<br />
Das Problem der falschen Bindung<br />
im zwischenmenschlichen Bereich<br />
stellt die größte Hürde auf diesem<br />
Weg. Jesus bestärkt uns Hass, Wut,<br />
Grimm, Neid und Missgunst, die in<br />
unserem Leben aufgrund schlechter<br />
Erlebnisse mit Menschen oder<br />
Ereignissen entstanden sind, durch<br />
die Freisprache derselben aufzugeben.<br />
Dieses Freisprechen, das als<br />
Vergeben bezeichnet wird, ist eine<br />
aktive Kraft.<br />
Jesus macht uns stark darauf aufmerksam,<br />
dass einzig der Herr uns<br />
erlösen kann; dieses Erlösen ist<br />
dennoch mit einer Bedingung verknüpft:<br />
So wie wir vergeben - also<br />
so wie wir fähig sind, uns aktiv lösen<br />
zu wollen von einer Bedingtheit, die<br />
andere Menschen oder Umstände<br />
an uns bindet. Das ist sehr wichtig<br />
und notwendig, richtig verstanden<br />
zu werden. Spirituelle Erfahrung hat<br />
sehr viel zu tun mit diesem Kernsatz<br />
gegenseitiger Lösung in unseren<br />
zwischenmenschlichen Beziehungen.<br />
Sie stellt eine unabdingbare<br />
Voraussetzung zur Nachfolge<br />
<strong>des</strong> Herrn dar. Wenn sie nicht erfüllt<br />
wird, dann gleicht der Suchende jenem<br />
Menschen, der Jesus darum<br />
bat, ihn noch vor einer möglichen<br />
Nachfolge als Jünger seinen Vater<br />
vorher noch beerdigen zu lassen.<br />
Jesus verglich ihn aber mit einem<br />
Toten, der unfähig war, das Reich<br />
Gottes zu erlangen.<br />
Der Ruf zur Nachfolge weckt das<br />
Lebendige in uns, dem mit einem<br />
großen und unbedingten Ja geantwortet<br />
werden sollte. Es handelt<br />
sich um einen Gehorsam besonderer<br />
Art, weil seine Wertigkeit so<br />
unendlich hoch einzustufen ist. Diese<br />
Nachfolge ruft den Menschen<br />
auf den Plan, der bereit ist, sein<br />
eigenes Kreuz zu tragen und einem<br />
Weg zu folgen, der ihn zur Heilung<br />
führt. Dann wird für den wandelnden<br />
Menschen während <strong>des</strong> Gehens<br />
derEinblick in eine verborgene Welt<br />
gewährt: Das Reich <strong>des</strong> Vaters, das<br />
Reich <strong>des</strong> Himmels, der “mitten<br />
unter euch“ ist. Dieses “unter uns“<br />
meint nicht “in uns“. Die Aussage<br />
“Unter euch“ lädt uns zu einem Weg<br />
zwischen mir und dir ein; ein Weg<br />
der Zwiesprache, die jene Essenz<br />
der christlichen Botschaft ist, den<br />
Jesu durch den Ausspruch: „Liebe<br />
deinen Nächsten wie dich selbst“,<br />
besonders betonte. Der „Du-Raum“<br />
in uns soll wachsen. „Du“ sagen ist<br />
Anrede, ist Atem, der aus sich herauszugehen<br />
weiß und dadurch den<br />
Menschen öffnet.<br />
Im Gegensatz hierzu tritt der „Ich-<br />
Raum“ als ein Selbstbezogensein in<br />
der Welt hervor, das ohne die Du-<br />
Ansprache der ständigen Gefahr<br />
der Stagnation und der Austrocknung<br />
ausgesetzt ist. Ein Fluss, der<br />
26 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 2010-4
nicht mehr fließt, ist dem Untergang<br />
geweiht.<br />
Die Kunst, in uns selber dieses Du<br />
wachzurufen und im alltäglichen Leben<br />
zu pflegen und zu erhalten, verändert<br />
uns Menschen zutiefst.<br />
Im Buch der Schöpfung, im leiblichen<br />
Dasein, erfahren wir die tiefe<br />
Wahrheit unseres wahren Abbil<strong>des</strong>.<br />
Das christliche „Vater Unser“ kann<br />
als ein Weg zu diesem göttlichen<br />
Abbild betrachtet werden. Als Abbild,<br />
das Gott als ein Du, als ein Gegenüber,<br />
anzusprechen weiß.<br />
Das „Vater Unser“ enthält Kernsätze<br />
spiritueller Atemerfahrung. Es liegt<br />
in diesem Gebet eine Art verschlüsselte<br />
Aufzählung von wichtigen<br />
Empfehlungen vor, die vom Meister<br />
dem Schüler zur Tiefen - Erfahrung<br />
<strong>des</strong> Numinosums (ein Begriff von<br />
Rudolf Otto) weitergegeben wurden.<br />
Mit den folgenden Sätzen werde<br />
ich versuchen, einen kleinen Abriss<br />
von dem wiederzugeben, was<br />
ich als Atem-Exerzitien bezeichne.<br />
Sie eignen sich für die kontemplative<br />
Betrachtung <strong>des</strong> „Vater-Unser“<br />
als Atemgebet, als Gebet <strong>des</strong> atmenden<br />
Ursprungs im Menschen.<br />
„Unser Vater im Himmel!“<br />
Die Anerkennung <strong>des</strong> Vaters, der<br />
uns allen den Odem in der Nase einbläst,<br />
als eine Bewegung, die nicht<br />
von hier ist, nicht dem Diesseits<br />
zuzuordnen ist. Der Ursprung der<br />
atmenden Bewegung ist ein Impuls<br />
aus jenseitiger Quelle: Der auslösende<br />
Moment, der jedem Atemzug<br />
innewohnt. Leitsatz hierfür ist: “Es<br />
atmet in mir“. Es kommt und es geht<br />
unabhängig von meinem Willen. Es<br />
geschieht unablässig, überall und zu<br />
jederzeit. Alles atmet, Alles ist von<br />
seinem Odem erfüllt. Atem ist Leben<br />
und Leben kommt nicht von hier, es<br />
stammt nicht von dieser Welt, sondern<br />
vom Himmel, dem Ort <strong>des</strong> Vaters.<br />
Von dort kommt der Atem her,<br />
und er wird uns von Ihm in unsere<br />
Nasen eingeblasen. Unsere Bruderschaft<br />
und Schwesternschaft untereinander<br />
ist auf diesen jenseitigen,<br />
himmlischen Ursprung begründet.<br />
Diese Zugehörigkeit zur Atemgemeinschaft<br />
kommt im Gebet durch<br />
den Ausruf <strong>des</strong> “Unser“ zum Ausdruck.<br />
Damit wird ein Bekenntnis<br />
<strong>des</strong> Betenden zu dieser Gemeinschaft<br />
von Brüdern und Schwestern<br />
unter dem Ruf nach dem gemeinsamen<br />
All-Vater offenbar. Es handelt<br />
sich um ein Rufen nach dem<br />
Gehör aus der jenseitigen Quelle,<br />
dem verborgenen Ort <strong>des</strong> Vaters,<br />
der als unmerklicher, leiser Impuls<br />
zur Entstehung der Atemwelle im<br />
Körper führt.<br />
„Dein Name werde geheiligt“<br />
Dein ist nicht mir zugehörig. Dein ist<br />
Du-Wendung, ist außerhalb meiner<br />
selbst. Nicht in mir finde ich dich,<br />
sondern in der aktiven Anrede, also<br />
wenn ich dich anspreche. Name ist<br />
Wirkkraft und Zuordnung zugleich.<br />
Benennend tritt der Mensch in Erscheinung.<br />
Mit der Erscheinung wird die Eigenart,<br />
die Eigenschaft mit dem Nutzen<br />
<strong>des</strong> Wortes festgelegt. „Dein Name<br />
werde...„ Außerhalb meiner Reichweite<br />
werde Dein Name geheiligt,<br />
abgesondert aus dem allgemein<br />
Gültigen, aus dem rein kausalen<br />
und rationalen Standpunkt normierter<br />
Handlungen. Es entsteht<br />
ein Raum in mir, wodurch das geliebte<br />
Du vom Gewohnten ausgegrenzt<br />
wird. Gewohnheit neigt zum<br />
Stumpfsinn. Dem kann der Mensch<br />
nur durch Heiligung <strong>des</strong> großen Du<br />
als Wirkkraft der tätigen Atembewegung<br />
begegnen. Diese gilt Dir.<br />
„Dein Reich komme“<br />
Nachdem der Name in mir selber<br />
abgesondert, ja von mir abgetrennt<br />
wird (der Atem wird nicht mehr als<br />
mir zugehörig erkannt, sondern als<br />
ein selbstständiges „Du-Sein“, das<br />
in mir als Ursprung <strong>des</strong> Lebens, als<br />
innewohnende Quelle wirkt), bitte<br />
ich um das Kommen Deines Reiches.<br />
Das Kommen als ein von mir,<br />
Betenden, zu Empfangenden, also<br />
nicht willentlich zu Nehmenden.<br />
Das rezeptive Verhalten <strong>des</strong> Bittenden<br />
stellt die Voraussetzung für<br />
das Eintreffen <strong>des</strong> Reiches, das<br />
mit Seinem Namen verbunden ist:<br />
„Dein Reich“. Im Atemgeschehen<br />
beinhaltet dies das „Kommen-Lassen“<br />
<strong>des</strong> Atemstromes, das „Geschehen-<br />
Lassen“. Ein immer währen<strong>des</strong><br />
Kommen und Gehen, das<br />
mich durchflutet.<br />
In diesem empfangenden Raum<br />
kann sich das Kommen als Ereignis<br />
der Parusie manifestieren, die ihre<br />
messianischen Richtung anpeilt.<br />
„Wie ein Dieb in der Nacht“ wird<br />
dieser Vorgang zu erleben sein,<br />
völlig unerwartet und vollkommen<br />
überraschend.<br />
„Dein Wille geschehe wie im<br />
Himmel so auf Erden“<br />
Der Atemimpuls entspringt der<br />
himmlischen Quelle, die jenseitiger<br />
Natur ist. Dieser Impuls erhält uns<br />
am Leben. Leben ist aber am Diesseits<br />
orientiert. Leben geschieht im<br />
Hier und Jetzt. Erde ist Diesseits,<br />
Erde ist Körperraum, wo Atem sich<br />
ereignen kann. Der Atemimpuls,<br />
der von selbst kommt, ist aber unter<br />
unserem Willen beeinflussbar. Wir<br />
können den Rhythmus beschleunigen<br />
oder verzögern, wir können<br />
sogar den Atem, anhalten.<br />
Wille ist die Brücke zwischen dem<br />
Jenseitigen, dem Ort <strong>des</strong> Vaters<br />
und der Erde, das Diesseitige, das<br />
am Leben erhalten werden muss.<br />
Unser Körper braucht unbedingt<br />
den Atem um zu existieren. Mehr<br />
2010-4 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 27
als Nahrung und Wasser.<br />
Der Satz „wie im Himmel so auf<br />
Erden“ stellt eine Maxime <strong>des</strong> Handelns<br />
dar. Zuerst der Himmel dann<br />
die Erde. Aber es handelt sich hier<br />
wohl um ein Komparativ, also um<br />
einen qualitativen Gleichstand. Von<br />
was? Es heißt „Dein Wille“. Wieder<br />
bricht der „Du-Raum“ empor als<br />
erste Aufforderung. Nicht mein Wille,<br />
sondern Dein Wille geschehe,<br />
ereigne sich hier wie dort.<br />
Wir gehen also in zweifacher Weise<br />
aus uns heraus: Mit „Dein“ und<br />
mit „wie im Himmel“. Dort wo dein<br />
Name beheimatet ist, dort sollst Du<br />
Deine Absicht äußern, damit sie<br />
hier so wird wie dort.<br />
Erst wird der Atemimpuls als dem<br />
Jenseits zugehörig empfunden und<br />
soll als Name <strong>des</strong> Herrn geheiligt<br />
werden. Der Raum wird in uns offen<br />
werden für das Ereignis <strong>des</strong><br />
Kommens Seines Reiches. Dieses<br />
Eintreten ruft das Manifestieren<br />
eines Willens hervor, das nicht in<br />
mir, sondern im inneren „Du-Raum“<br />
zu vernehmen ist.<br />
Die weitere Bitte richtet sich an die<br />
Angleichung dieser jenseitigen Bewegung<br />
mit dem diesseitigen Leben<br />
zu einer Einheit <strong>des</strong> Willens,<br />
das sich beim Betenden bilden soll.<br />
Wir hören auf den schöpferischen,<br />
unwillkürlichen Atemimpuls, wir<br />
stimmen uns auf diesen Raum,<br />
der sich in uns ereignet und uns<br />
mit sich hinein nehmen kann. Das<br />
Kommen <strong>des</strong> Reiches soll die Absicht<br />
von “drüben“, vom Verborgenen,<br />
mitbringen.<br />
„Unser tägliches Brot gib uns<br />
heute.“<br />
Wenn dies erfüllt wird, dann wird,<br />
dem Menschen wahre Nahrung zuteil:<br />
Den göttlichen Atem als Brot,<br />
das täglich eingenommen wird.<br />
„Unser tägliches Brot“ eröffnet uns<br />
die Wahrheit, dass diese Nahrung<br />
für uns alle da zu sein hat. Für dich<br />
und für mich. Für uns.<br />
„Gib uns“ macht uns wieder passiv<br />
im Empfangen. „heute“ ist jetzt. „Gib<br />
uns heute“ heißt unmittelbar jetzt,<br />
in diesem Augenblick. Wir bitten für<br />
unsere Brüder und unsere Schwestern.<br />
Es handelt sich nicht um ein<br />
Ich, sondern um ein “Uns“, dem das<br />
Brot <strong>des</strong> Lebens zugeteilt werden<br />
soll. Gib uns heute das, was uns alle<br />
miteinander am Leben erhält. Ohne<br />
dieser liebende Anteilnahme am Du<br />
kann die spirituelle Leiberfahrung<br />
nicht zu Ende geführt werden. Der<br />
Schritt zum Wir bringt das komplexe<br />
Beziehungsgeflecht zwischen uns<br />
und unseren zwischenmenschlichen<br />
Beziehungen zum Vorschein.<br />
Die Einheit im Atem erfordert von<br />
uns die Entbindung von einer Art<br />
der Anhaftung, die uns hindert, zum<br />
Ziele zu gelangen.<br />
„Und vergib uns unsere Schuld,<br />
wie wir auch vergeben unsern<br />
Schuldigern“<br />
Vorhin war „wie im Himmel so auf<br />
Erden“. Hier taucht dieses “wie“ in<br />
dem folgenden Gebetspassus: „wie<br />
auch wir vergeben“ auf. Vergeben<br />
heißt gehen lassen. Das, was der<br />
Atem mit sich bringt. Nicht sein initialer,<br />
schöpferischer Impuls, sondern<br />
das, was auf ihn lastet, als<br />
Gewicht, Last oder gar Bürde. Wir<br />
machen uns los von den Gedanken<br />
<strong>des</strong> Gegenausgleiches. Statt<strong>des</strong>sen<br />
sprechen wir all unsere gescheiterten<br />
oder erschwerten Atembeziehungen<br />
mit ihren Erscheinungen<br />
von Grimm, Groll, Missgunst oder<br />
Neid frei. Es ist eine aktive Hingabe<br />
damit verbunden. Ein Hingebenwollen<br />
unter dem Aufruf seiner Vergebung,<br />
die als Gnade, als ein Kommen<br />
zu erwarten ist.<br />
Der Atem kommt und geht. Dazwischen<br />
ist Raum, ist eine Pause, die<br />
den Rhythmus skandiert. Ein Raum,<br />
aus dem das Einatmen kommt und<br />
ein Raum, wohin das Ausatmen<br />
geht. Wenn wir die Augen zuschließen,<br />
wird dieser Raum unermesslich<br />
groß: Ein Atemraum, eingespannt<br />
zwischen dem Jenseitigen, aus dem<br />
der Atem kommt, und dem Diesseitigem<br />
zu dem der Atem, hingeht und<br />
wieder umgekehrt.<br />
Gebundener Atem bzw. Atembindung,<br />
ist ein Hindernis auf dem Weg<br />
zur Heilerfahrung „Deines Namens“,<br />
zur Einkehr und Einwohnung <strong>des</strong><br />
Numinosums im Leib. Der „Du-<br />
Raum“ außerhalb von uns stellt die<br />
Grundlage dieser Erfahrung dar, die<br />
als gereinigte Stätte zu pflegen ist.<br />
Es tut not, dieses „Du“ aus dem<br />
ganzen Herzen zu sagen und sich<br />
nach ihm von der ganzen Seele zu<br />
sehnen.<br />
„Und führe uns nicht in Versuchung,<br />
sondern erlöse uns von<br />
dem Bösen.“<br />
Wenn dieser „Du-Raum“ in mir abgesondert<br />
und vom geheiligten<br />
Atem gereinigt wurde, ruft er unwiderruflich<br />
die Versuchung auf den<br />
Plan. Diese Versuchung konfrontiert<br />
den Betenden, mit seinem eigenen<br />
Schatten und dieses Dunkel hat einen<br />
Namen: „Macht“.<br />
Die Macht kommt dem Betenden<br />
durch den Zuwachs an Kraft entgegen,<br />
den er durch die Freigabe<br />
von schlechten Atembindungen am<br />
eigenen Leib erfuhr. Es handelt sich<br />
um einen Wachstumsprozess, eine<br />
Verwirklichung von “Atempotenz“.<br />
Durch den Zugang zum göttlichen<br />
Namen kommt die letzte Hürde auf<br />
dem Weg <strong>des</strong> atmenden Gebets<br />
zum Vorschein. Sie ist Teil <strong>des</strong> göttlichen<br />
Plans und verlangt nach der<br />
Aufgabe von eigenem Machtstreben,<br />
von eigener Willkür. Die Teilhabe<br />
am Reich Gottes bedeutet bereits<br />
einen Zugang zum Jenseitigen<br />
im Diesseitigen zu erlangen. Diese<br />
28 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 2010-4
Heilungsdaten<br />
Dezember-März<br />
2010/2011<br />
Anteilnahme verlangt aber die Bereitschaft<br />
<strong>des</strong> Betenden der Versuchung<br />
eigener Macht standzuhalten<br />
und ihrem Missbrauch nicht zu erliegen.<br />
„Denn dein ist das Reich und die<br />
Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“<br />
Der Weg, dieser Versuchung zu<br />
widerstehen, führt zur Aufgabe eigenen<br />
Macht- und Eigensinn-Anspruches.<br />
Dies erkennt der Betende<br />
über die Zuordnung von der erfahrenen<br />
Kraft der Vaterschaft im Himmelreich<br />
an.<br />
Die Quelle <strong>des</strong> Atemstromes ist im<br />
Ort <strong>des</strong> Vaters zu suchen. Von dort<br />
entsteht jeder Atemimpuls neu. Diese<br />
Quelle liegt inmitten <strong>des</strong> Reiches.<br />
Das Reich Gottes ist aber mitten<br />
unter uns. Nicht in mir und auch<br />
nicht in dir, sondern in der Mitte, im<br />
Zwischenraum. Hier bewegt sich<br />
der Atem und hier wird der Atem<br />
bewegt. Das ist die Stätte der Kraft<br />
und der Herrlichkeit. Der Ort Seines<br />
Namens, den der Betende vorher<br />
anrief.<br />
Im Buch der Schöpfung, im leiblichen<br />
Dasein, erfahren wir die tiefe<br />
Wahrheit unseres wahren Abbil<strong>des</strong>.<br />
Das christliche Vater Unser kann als<br />
ein Weg zu diesem göttlichen Abbild<br />
im Atemvorgang gesehen werden.<br />
Ein Weg, der während <strong>des</strong> Atmens<br />
für den Atmenden den Einblick in<br />
eine verborgene Welt gewährt: Das<br />
Reich <strong>des</strong> Vaters, das Reich <strong>des</strong><br />
Himmels, der mitten unter uns ist.<br />
Von diesem Reich entspringt das<br />
Wasser <strong>des</strong> Lebens, das Spiritum<br />
Vitae, das uns am Leben erhält.<br />
(Der Verfasser dieses Artikels, Victor<br />
Robert, stellt sich zum Gedankenaustausch<br />
bzw. Fragen der LeserInnen<br />
zur Verfügung. Falls es von<br />
der Leserin bzw. Leser erwünscht,<br />
können Sie mit ihm direkt Kontakt<br />
aufnehmen.<br />
(victor.robert@t-online.de).<br />
Auch eignet sich hierzu unser „Forum“<br />
auf den internen RCF-Studentenseiten<br />
www.rosen-kreuzer.eu).<br />
„Schaffe mir, Gott, ein reines Herz,<br />
und gib mir einen neuen, gewissen Geist“<br />
Monat<br />
Dez 1. 7. 15. 22. 28.<br />
Jan 4. 11. 18. 24. 31.<br />
Feb 7. 14. 21. 27.<br />
März 6. 14. 20. 26.<br />
Gemeinsamer Heilungsdienst<br />
Jede Woche, wenn der Mond in ein kardinales Zeichen<br />
tritt, versammeln sich auf der ganzen Welt die<br />
Freunde <strong>des</strong> RCF (Rosicrucian Fellowship), um<br />
durch ernsthaftes Beten geistige Heilkraft vom Vater<br />
zu erbitten.<br />
Wenn auch Du Dich daran beteiligen möchtest,<br />
versuche Dich an den Heilungstagen um 18.30 Uhr<br />
(19.30 Sommerzeit) an einem geeigneten Ort zu<br />
entspannen und konzentriere Dich mit aller Kraft<br />
Deiner Gedanken in Gemeinschaft mit allen Freunden<br />
auf das Göttliche in Dir.<br />
2010-4 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 29
Max Heindel<br />
Biografie<br />
von Ger Westenberg<br />
Teil 10<br />
ERBAUER,<br />
MATERIELL UND GEISTIG<br />
Am Montag, den 30. Oktober 1911, versammelte<br />
Max Heindel seine Zimmerleute und ließ sie vom<br />
Kutscher zu dem nicht ganz zweieinhalb Kilometer<br />
entfernten Gelände der Gemeinschaft bringen. Am<br />
nächsten Tag kam Herr Rollo Smith, der seit einiger<br />
Zeit auf der Heilungsliste stand, als erstes Mitglied<br />
um zu helfen. Einige Zeit später meldete sich auch<br />
Charles Warmholz, um beim Bau behilflich zu sein.<br />
Rollo Smith, 1862-1930<br />
Während die Männer den ganzen Tag auf der Baustelle<br />
beschäftigt waren, kümmerten sich die drei<br />
Frauen im Haus um die vielen Briefe und Buchbestellungen.<br />
Mittlerweile waren aus Ocean Park die<br />
Frachtbriefe der ersten Auflage der Rosenkreuzer-<br />
Mysterien und die dritte Auflage der Weltanschauung<br />
der Rosenkreuzer weitergeschickt worden. Da<br />
diese Auslieferung so verspätet erfolgte, war es<br />
drei Monate lang nicht möglich gewesen, die Bestellungen<br />
abzuwickeln. Jetzt war es eine schwere<br />
Aufgabe, rund viertausend Bücher in dem Vier-<br />
Zimmer-Häuschen zu lagern, in dem auch noch<br />
vier Personen wohnten. Die schweren, mit Büchern<br />
gefüllte Kisten mussten in einem Schuppen untergebracht<br />
werden, der über einen mit dem Haus verbundenen<br />
Zugang zu erreichen war. Nacheinander<br />
wurden die Kisten von den Frauen geöffnet, die Bücher<br />
Stapel um Stapel ausgepackt und versandfertig<br />
gemacht. Wenn eine große Menge eingepackt<br />
worden war, wurden sie in einer altmodischen, von<br />
einem alten, räudigen Pferd gezogenen Karren, zur<br />
Expresssannahme <strong>des</strong> Postamts gefahren. Frau<br />
Heindel saß dann neben dem alten Fuhrmann auf<br />
dem hohen Sitz <strong>des</strong> Wagens, um beim Entladen<br />
am Santa Fé Bahnhof zu helfen. Auch unterstützte<br />
sie die Angestellten dabei, die Pakete ins Expressbuch<br />
einzutragen.<br />
Derartige Mengen von Post- Ein- und Ausgängen<br />
waren für Oceanside ungewöhnlich, und Neugierige<br />
begannen sich bereits darüber zu erkundigen.<br />
In Oceanside gab es nur sehr wenig Fremde, und<br />
diese wenigen waren nicht willkommen.<br />
30 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 2010-4
Der Ort war ursprünglich um zwei,<br />
miteinander verheirateten, Familien,<br />
herum gewachsen, und jeder, der<br />
nicht mit ihnen verwandt war, war<br />
von ihnen unerwünscht. Die Geisteshaltung<br />
war aus einer Antwort<br />
zu erkennen, die einer der Inhaber<br />
der bedeutendsten Geschäfte auf<br />
eine Frage gab: „Und, Herr X., finden<br />
sie es nicht gut, dass Fremde<br />
kommen und sich hier niederlassen?“<br />
Der Geschäftsmann bemerkte:<br />
„Oh, nein, wir wollen keine Fremden<br />
bei uns haben. Es war so schön,<br />
als jeder jeden anderen kannte. Wir<br />
fühlten uns wie eine große Familie.“<br />
In der Zwischenzeit war Bedelia<br />
wieder fahrtüchtig gemacht worden.<br />
Max Heindel, der in seinem billigen,<br />
braunen Zehn-Dollar-Kordanzug<br />
gekleidet war, lenkte dieses Auto.<br />
Zusammen mit Rollo Smith fuhr er<br />
mehrfach nach Mount Ecclesia und<br />
zurück. Ihre Verpflegung war in einer<br />
Tasche verpackt.<br />
Max Heindel während der Bauarbeiten<br />
im Jahr 1913<br />
Rollo Smith stellte die meisten der<br />
Möbel her. So machte er die Tische<br />
und Schreibpulte für das Büro und<br />
die Tische für das Esszimmer, alle<br />
aus Mammutholz. Die Tische im<br />
Zimmer von Herrn und Frau Heindel<br />
wurden ebenfalls aus diesem schönen<br />
roten Holz <strong>des</strong> Sequoiabaumes<br />
hergestellt.<br />
Innerhalb von achtundzwanzig Arbeitstagen<br />
wurde das erste Gebäude<br />
bezugsfertig, sodass Heindels<br />
am Montag, den 27. November<br />
1911, einziehen konnten. Das Holzwerk<br />
war noch nicht gestrichen, und<br />
nur die Zimmer, in denen geschlafen<br />
wurde, hatten Fenster. Der Rest<br />
<strong>des</strong> Gebäu<strong>des</strong> war noch offen, hatte<br />
noch keine Türen und keine Fenster.<br />
Als nachts das Mondlicht in die<br />
vorhanglosen Räume fiel, brachten<br />
Erstes Gebäude auf Mount Ecclesia<br />
die Kojoten oder Präriewölfe ein<br />
Ständchen dar. Zeitweise heulten<br />
fünfzehn bis zwanzig dieser Tiere<br />
melancholisch zum Mond hinauf.<br />
Obwohl sie selten Menschen angriffen,<br />
richteten sie doch großen Schaden<br />
unter den kleineren Nutztieren<br />
an. Herr Rollo Smith konnte gerade<br />
noch so lang bleiben, um sich ein<br />
wenig an der endgültigen Fertigstellung<br />
<strong>des</strong> Hauses zu beteiligen.<br />
Da seine Frau erkrankt war, musste<br />
er sehr bald nach Hause zurückkehren.<br />
Über ihn ist im monatlichen Brief an<br />
2010-4 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 31
Studenten von 1. Mai 1938 berichtet<br />
worden: „Er [Smith] war ein fortgeschrittener<br />
Prüfling, der von Anbeginn<br />
an mit der Arbeit verbunden<br />
gewesen ist. Kurz vor Fertigstellung<br />
<strong>des</strong> Gebäu<strong>des</strong> durfte er im oberen<br />
Stockwerk in ein Zimmer einziehen.<br />
Eines Morgens war er beim<br />
Frühstuck sehr niedergeschlagen.<br />
Auf die Frage, ob er krank sei, antwortete<br />
er, dass er in der ganzen<br />
Nacht ein schreckliches Erlebnis<br />
mit einem Dämon gehabt habe, der<br />
ihm nicht zu schlafen erlaubte. Er<br />
hatte große Angst vor ihm und hat<br />
mit aller Macht mit ihm gekämpft.<br />
Dabei dachte er, dass es ein Elemental<br />
sei. Max Heindel ergriff<br />
sogleich das Wort und sagte ihm,<br />
dass es sein Hüter der Schwelle sei<br />
[und] dass er versucht habe, seine<br />
[Smiths] Aufmerksamkeit auf sich<br />
zu lenken und ihm zu sagen, dass<br />
er sich vor ihm nicht zu fürchten<br />
brauche. Aber dass Herr Smith vor<br />
Angst für jede Hilfe verblendet sei.<br />
Daraufhin fragte Herr Smith, welche<br />
Folge seine Ängstlichkeit, sein<br />
Kampf und die Weigerung, den<br />
Wächter zu erkennen, sein würden.<br />
Herr Heindel antwortete, dass<br />
er die Gelegenheit versäumt habe,<br />
den Wächter zu besiegen, und<br />
dass ihn der Wächter in diesem Leben<br />
nicht zur Last fallen werde.“<br />
Im Haus waren nun alle Rahmen<br />
und Türen eingesetzt und für die<br />
Küche und das Speisezimmer ein<br />
einfaches Mobiliar erstellt. Hierfür<br />
wurden Abfallstücke, passend zum<br />
roten Holz, verwendet.<br />
Das Gebäude war so aufgegliedert,<br />
dass im östlichen Teil zwei, durch<br />
einen großen Wäscheschrank,<br />
getrennte, Zimmer eingerichtet<br />
werden konnten. Unter Verwendung<br />
von Sprungfedern wurden<br />
32 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 2010-4<br />
versenkbare Betten hergestellt und<br />
auf selbstgemachten, etwa zehn<br />
Zentimeter hohen, mit Rollen versehenen<br />
Füßen postiert, sodass sie<br />
von beiden Seiten unter den großen<br />
Schrank gerollt werden konnten.<br />
Nachts wurden diese Räume von<br />
Herrn und Frau Heindel als Schlafzimmer<br />
genutzt, tagsüber dienten<br />
sie ihnen als Wohn- und Arbeitszimmer,<br />
in denen sie die Gäste empfingen<br />
und den Großteil ihrer Schreibarbeit<br />
erledigten.<br />
Herrn Heindels Raum war mit einem<br />
Badezimmer verbunden. Bevor ein<br />
Bad genommen werden konnte,<br />
musste in der Küche auf einem Gasolinofen<br />
Wasser erwärmt werden,<br />
da es auf dem abgelegenen Grundstück<br />
weder Gas noch Elektrizität<br />
gab.<br />
Im mittleren Teil <strong>des</strong> langen Gebäu<strong>des</strong><br />
befanden sich Esszimmer und<br />
Küche.<br />
Das obere Stockwerk war in fünf<br />
Zimmer eingeteilt, von denen je<strong>des</strong><br />
mit einem Bett, einem selbsterstellten<br />
Waschbecken und einer einfachen<br />
kleinen Spüle ausgestattet<br />
war.<br />
Mr. Smith hatte alle Möbel aus dem<br />
Mammutholz angefertigt. Diese waren<br />
mit den Resten der Farbe, die<br />
für die Anstriche der Außenwände<br />
<strong>des</strong> Gebäu<strong>des</strong> verwendet worden<br />
waren, braun gestrichen worden.<br />
An einem Montag gab es Schwierigkeiten<br />
mit dem Aufstellen von<br />
Masten für die Telefonleitung. Die<br />
Telefongesellschaft war gebeten<br />
worden, eine Verbindung herzustellen.<br />
Sie konnte aber nur eine Leitung<br />
legen, die „Bauernleine’ genannt<br />
wurde. Die Masten hatte man selbst<br />
aufzurichten und die Kosten für die<br />
Kabel zu übernehmen, die mit vier<br />
Bauern zu teilen waren, die an einer<br />
Leitung angeschlossen wurden.<br />
Einer der Bauern weigerte sich, die<br />
Rosenkreuzer-Gemeinschaft zuzulassen.<br />
Doch die Vorurteile konnten<br />
dann doch überwunden und die Leitung<br />
angeschlossen werden.<br />
Bedelia, das Auto, musste wieder<br />
einmal repariert werden. Dadurch<br />
entstanden verschiedene Probleme.<br />
Beispielweise war der Lebensmittelhändler<br />
nicht bereit, seine Waren<br />
von Oceanside bis zum entfernten<br />
Mount Ecclesia zu liefern.<br />
Bei einem in der Nähe eines Abhangs<br />
errichteten Gebäu<strong>des</strong> war<br />
ein Platz, der sich als Schuppen<br />
eignete. Es wurde beschlossen, Bedelia<br />
dort abzustellen.<br />
Das Auto hatte keinen Selbstanlasser.<br />
Max Heindels Herz war es nicht<br />
dienlich, das altersschwache Auto<br />
je<strong>des</strong>mal anzukurbeln. So blieb<br />
Frau Heindel nichts anderes übrig,<br />
als selber zu Fuß nach Oceanside<br />
zu gehen und Lebensmittel einzukaufen.<br />
Für zehn Cent war der alte<br />
Fahrer <strong>des</strong> Postautos bereit, sie mit<br />
ihren Einkäufen im Auto mitzunehmen,<br />
wenn er die Post zustellte.<br />
Milch konnte von einem Nachbarn<br />
beschafft werden.<br />
Es war keine einfache Angelegenheit,<br />
die richtigen vegetarischen<br />
Nahrungsmittel zu erhalten. Deshalb<br />
entschloss sich Frau Heindel,<br />
Melone-, Gurken- und verschiedene<br />
andere Gemüsesamen zu kaufen.<br />
Sie säte sie an einer schattigen Stelle<br />
aus, von der sie annahm, dass<br />
diese nicht so schnell austrocknen<br />
würde. In Kalifornien regnet es normalerweise<br />
in den Wintermonaten.
Doch im Winter 1911/12 litt dieses<br />
Land unter einer Dürre. Kein Regentropfen<br />
fiel, so dass nichts geerntet<br />
werden konnte.<br />
Am nordwestlichen Rand von Mount<br />
Ecclesia standen zwei große Wassertürme,<br />
die Oceanside mit Wasser<br />
versorgten. Aufgrund der Dürre<br />
waren sie in jenem Jahr jedoch nur<br />
knapp mit Wasser gefühlt, so dass<br />
auf Mount Ecclesia kaum Wasser<br />
in die Badwanne floss, wenn der<br />
Wasserhahn aufgedreht wurde.<br />
Um diesen Notstand zu beenden,<br />
entschloss sich Max Heindel nach<br />
mehrtätigen Überlegungen, unter<br />
dem Haus einen Tank mit einem<br />
Fassungsvermögen von etwa 190<br />
Litern zu installieren. Der Tank wurde<br />
durch eine Rohrleitung mit dem<br />
Hauptrohr verbunden und eine Wasseruhr<br />
angeschlossen. Durch ein<br />
Absperrventil konnte die Wasserzufuhr<br />
unterbrochen werden, wenn<br />
der Tank voll war. Ein weiterer Tank<br />
mit einem Fassungsvermögen von<br />
etwa 90 Litern wurde anschließend<br />
im Erdgeschoss installiert. Aus dem<br />
Kellertank konnte nun Wasser nach<br />
oben in den Tank unter dem Dach<br />
gepumpt werden. Um ausreichend<br />
Wasser zu haben, musste dieser<br />
aber jeden Tag nachgefüllt werden.<br />
Nach einigen heftigen Regenfällen<br />
säte Frau Heindel zu Frühjahrsbeginn<br />
1912 an Stellen, an denen<br />
sich die beste Erde befand, erneut<br />
Tomaten und Möhren. Als die Samen<br />
gekeimt hatten und die kleinen<br />
Pflanzen wuchsen, wurden sie von<br />
Unkraut überwuchert, so dass Frau<br />
Heindel jäten musste. Allerdings<br />
konnte sie nur ihre linke Hand benutzen,<br />
da ihre rechte Hand vom vielen<br />
Schreibmaschineschreiben, Packen<br />
und Schrubben angeschwollen und<br />
ziemlich kraftlos geworden war.<br />
Als Max Heindel zufällig vorbeikam,<br />
machte ihn der Anblick so unglücklich,<br />
dass er seine Hilfe anbot. Als<br />
Stadtmensch, der Gartenarbeiten<br />
nicht gewöhnt war, musste ihm erst<br />
klargemacht werden, was Tomatenund<br />
Möhrepflänzchen sind und welche<br />
Pflänzchen Unkräuter waren.<br />
Wegen seines Herzens konnte er<br />
sich nicht gut bücken, so dass er<br />
sich auf eine kleine Kiste setzte.<br />
Er riss dann aber mehr Kartoffelund<br />
Möhrenpflänzchen als Unkraut<br />
aus und bemerkte dabei, dass er<br />
wohl mehr störe als helfe und besser<br />
mit dieser Tätigkeit aufhören<br />
sollte. Glücklicherweise kam Hilfe.<br />
Charles Swigert, der Sekretär,<br />
traf, aus Yakima kommend, ein, um<br />
Mount Ecclesia zu besuchen. Er<br />
übernahm das Jäten und das erforderliche<br />
Umsetzen der kleinen Tomatenpflanzen.<br />
Ein Nachbar wurde<br />
gebeten, am Hügel einen Abhang<br />
umzugraben, in den die Pflanzen<br />
eingesetzt und angegossen werden<br />
konnten. Doch welcher Anblick begrüßte<br />
die Bewohner am nächsten<br />
Morgen! Nur zwei einsame Möhrenpflänzchen<br />
waren übrig geblieben;<br />
Kaninchen hatten die anderen<br />
Max Heindel, um 1913 Herr Heindel mit Smart, 1913<br />
2010-4 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 33
aufgefressen. Daraufhin wurde ein<br />
neunzig Zentimeter hoher Drahtzaun<br />
errichtet. Trotz Wassermangel<br />
wurde am Abhang erneut gepflanzt.<br />
Das Ergebnis war eine gute Gemüseernte.<br />
Von seinem Zimmer aus konnte<br />
Max Heindel den Garten und das<br />
Tal San Luis Rey überblicken. Eines<br />
Morgens rief er beim Ankleiden seine<br />
Frau herein und bat sie, aus seinem<br />
Fenster zu blicken. Im Garten<br />
sahen sie einen großen Jack-Hasen,<br />
von denen viele im westlichen<br />
Teil Nordamerikas leben. Diese<br />
Hasen sind viel größer als das kleine<br />
amerikanische Wildkaninchen.<br />
Sie kommen nicht so häufig vor,<br />
so dass der Besuch eine wirkliche<br />
Überraschung darstellte. Das Tier<br />
verzehrte gerade Möhren, die somit<br />
wieder verloren waren. Frau<br />
Heindel ging die Treppe hinunter<br />
und holte einen unter dem Haus<br />
liegenden große Holzspan, um den<br />
Hasen wegzujagen. Der erhielt damit<br />
eine kräftige Abreibung und war<br />
so erschrocken, dass er über den<br />
Zaun sprang. Man erwartete, dass<br />
er daraus eine Lehre ziehen werde.<br />
Aber nein. Am nächsten Morgen<br />
befand er sich wieder im Gemüsegarten.<br />
Um dieses Problem endgültig<br />
zu lösen, schaffen sich Heindels<br />
zur Bewachung <strong>des</strong> Gartens einen<br />
Hund an.<br />
Zwei Neffen von Frau Heindel hatten<br />
auf einer Straßen in Los Angeles<br />
einen streunenden Hund<br />
gefunden und bei sich aufgenommen.<br />
Es war ein braves, weißes<br />
Tier mit einem Blick in den Augen,<br />
der das Herz eines jeden, der ihn<br />
anschaute, schmelzen ließ. Dieses<br />
Hündchen wurde „Smart“ genannt,<br />
was gewitzt oder klug bedeutet.<br />
34 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 2010-4<br />
Dieser Name war sehr passend.<br />
Denn Smart jagte die Kaninchen in<br />
das auf dem Abhang wachsende<br />
Gebüsch, fing jedoch niemals eines<br />
von ihnen. Danach kehrte er oft mit<br />
Zecken zurück, die er nicht loswerden<br />
konnte. Frau Heindel fiel daher<br />
die Aufgabe zu, ihn von den Zecken<br />
zu befreien und ihn zu baden. Sein<br />
größtes Vergnügen, das er niemals<br />
versäumte, war sein abendlicher<br />
Spaziergang mit Herrchen und<br />
Frauchen. Später aber wurde Smart<br />
eher eine Plage, als eine Hilfe. So<br />
nahm ihn 1913 eine Teilnehmerin<br />
der Sommerschule, Frau Kittie<br />
Skidmore Cowen, mit zu sich nach<br />
Mountain Home in Idaho.<br />
Im Jahr 1912 verließen die beiden<br />
Mitarbeiterinnen am Tag vor Ostern<br />
die Weltzentrale, so dass Herr und<br />
Frau Heindel alleine zurückblieben.<br />
Es folgte eine prächtiger, sonnenüberfluteten<br />
Ostertag. Nach dem<br />
Gottesdienst wurde der Vormittag<br />
mit weiterem Anstreichen und Beizen<br />
der Möbel verbracht, und am<br />
Nachmittag waren einige notwendige<br />
Büroarbeiten zu erledigen.<br />
Im März 1912 wurde ein Gärtner<br />
eingestellt, so dass man sich in<br />
Mount Ecclesia selbst mit Gemüse<br />
und Obst versorgen konnte. Der<br />
Gärtner begann, einen Obstgarten<br />
und einen Garten anzulegen. An der<br />
vorderen Veranda pflanzte er Rosen<br />
und einige Weinreben. Außerdem<br />
setzte er eine Reihe kleiner Eukalyptusbäume.<br />
Alles begann nun ansprechender<br />
auszusehen. Allmählich verschönerten<br />
einige kleine, alljährlich wiederkommende<br />
Blumen die Wegesränder<br />
und den Kreis, in dem das<br />
Kreuz beim ersten Spatenstich aufgestellt<br />
worden war. Herrlich gestaltete<br />
sich eine Reihe von Geranien,<br />
die bald in voller Blüte stand. Diese<br />
Blumen wachsen in Kalifornien so<br />
rasch wie Unkraut. Auch die Tomaten<br />
gediehen gut, so dass sie reiche<br />
Ernte ermöglichten.<br />
Im Jahr 1912 hatten Prüflinge aus<br />
der Stadt Seattle in Washington ein<br />
aus Metall erleuchtetes Emblem für<br />
Außen angefertigt und es mit der Eisenbahn<br />
zur Weltzentrale gesandt.<br />
Im Spätherbst wurde Max Heindel<br />
von seinem Lehrer gebeten, im<br />
Sommer 1913 eine Sommerschule<br />
zu öffnen. Da es nur ein Gebäude<br />
mit höchstens sieben Schlafzimmern<br />
gab, war bis dahin noch vieles<br />
zu tun und zu regeln.<br />
Zum Schutz von Mount Ecclesia<br />
hatten Herr und Frau Heindel beschlossen,<br />
einen Rechtsstatus zu<br />
schaffen, um als Bevollmächtigte<br />
handeln zu können. Am 13. Dezember<br />
1912 war der Notar Herr Payne<br />
mit drei Assistenten aus San Diego<br />
gekommen, um die Akte zu erstellen.<br />
Dabei wurde festgelegt, dass<br />
der Name „The Rosicrucian Fellowship“<br />
sein sollte, und dass ein Kolleg<br />
oder eine Schule zum Studium der<br />
Rosenkreuzerlehre zu gründen sei.<br />
Nach dem Pflücken der Tomaten<br />
wurden die noch grünen und die reifen<br />
Früchte auf der Bank unter dem<br />
Haus gelagert. Außerdem wuchs im<br />
Garten für den ganzen Winter genügend<br />
Gemüse. Doch es kam ein unerwartetes<br />
Ereignis. Am 2. Januar<br />
1913 fiel die Temperatur beträchtlich<br />
und Kalifornien erlitt eine der kältesten<br />
Nächte seit 1848. Das Wasser<br />
in den Wasser- und Abflussrohren<br />
im Badezimmer gefror. Im Garten<br />
erfror bis auf eine Reihe grüner<br />
Erbsen das gesamte, noch nicht gereifte<br />
Gemüse. Auch die Weinreben,
Die Gordonpresse<br />
die Rosen und die Geranien verdarben<br />
und die köstlichen Tomaten unter<br />
dem Haus wurden zu Eisklumpen.<br />
Alles musste neu angepflanzt<br />
werde. Da es sehr wenig Wasser<br />
gab, war die Lage zunächst äußerst<br />
bedrückend. Doch bald folgten dem<br />
Frost einige sehr heftige Regenfälle,<br />
durch die der Boden für die Neuanpflanzungen<br />
gut vorbereitet wurde.<br />
Im Januar sollte die erste Lektion<br />
<strong>des</strong> Anfängerkurs in Astrologie gedruckt<br />
werden. Doch aus Oceanside<br />
kam die Nachricht, dass der einzige<br />
Drucker und Herausgeber dieses<br />
Ortes nicht mehr dazu in der Lage<br />
sei, diese monatlichen Schriften zu<br />
drucken, da das Falten und Heften<br />
für ihn mit zuviel Arbeit verbunden<br />
sei. Daraufhin entschloss sich Max<br />
Heindel, die Herstellung selbst vorzunehmen.<br />
Ursprünglich wurde dafür<br />
die alte Druckerpresse verwendet.<br />
Da sie jedoch inzwischen zu<br />
altmodisch geworden war, fuhren<br />
Heindels nach Los Angeles und<br />
kauften dort mit Ratenzahlung eine<br />
kleine Gordon-Akzidenz-Druckerpresse,<br />
die mit Fußkraft betrieben<br />
werden konnte. Als diese einige Monate<br />
später durch ein Unternehmen<br />
geliefert wurde, stellte man fest,<br />
dass sie nicht durch die Tür passte.<br />
So sehr sich Max Heindel und der<br />
Mann <strong>des</strong> Expressbüros auch abmühten,<br />
sie schafften es nicht und<br />
so musste die Presse draußen stehen<br />
bleiben.<br />
Während sich Frau Heindel am<br />
nächsten Morgen um das Frühstück<br />
kümmerte, saß Herr Heindel auf der<br />
Veranda und überlegte, wie das Gerät<br />
ins Haus geschafft werden könne.<br />
Die einzige Lösung schien zu<br />
sein, aus Oceanside einen Tischler<br />
kommen zu lassen, der die Türpfosten<br />
herausnehmen sollte, sodass<br />
die Maschine an den vorgesehen<br />
Platzt gebracht werden könnte.<br />
Während Herr Heindel in dieser<br />
Weise über eine Lösung nachdachte,<br />
kam auf der langen Zufahrt<br />
von der Straße zum Haus ein Landstreicher<br />
herauf gehinkt und fragte,<br />
ob er mit frühstücken könne. Als er<br />
sich auf die Veranda setzen wollte,<br />
um zu warten, bis das Frühstück<br />
fertig war, bemerkte er die Presse.<br />
„Oh, Sie haben eine neue Gordon-<br />
Akzidenz-Presse! Früher habe ich<br />
in der Fabrik gearbeitet, die diese<br />
Druckerpresse hergestellt hat“. Max<br />
Heindel erzählte ihm seine Sorgen,<br />
und der Mann lächelte. „Wieso“,<br />
antwortete er, „das ist ganz einfach.<br />
Lösen Sie nur diese Schraube und<br />
ziehen Sie jene Stange heraus,<br />
und die Maschine passt problemlos<br />
durch die Tür. “Nach dem Frühstück<br />
half der Mann, die Druckpresse aufzustellen<br />
und in Betrieb zu nehmen.<br />
Die Texte selber zu setzen und zu<br />
drucken und die monatlichen Studentenbriefe<br />
und Lektionen zu falten<br />
und zu heften, bedeutete viel<br />
Arbeit. Zusätzlich wurden auf der<br />
Presse, auch andere Schriften und<br />
Broschüren der Gemeinschaft gedruckt.<br />
Einige Monate nach Beginn dieser<br />
Tätigkeit kam ein junger Mann nach<br />
Mount Ecclesia. Er fragte, ob er einige<br />
Monate bleiben könne und bot<br />
an, für Kost und Unterkunft zu arbeiten.<br />
Martin Hill, so lautete seine<br />
Name. Max Heindel entschied, im<br />
Souterrain unter der Presse, einen<br />
kleinen Elektromotor anzubringen.<br />
Dafür wurde in den Fußboden ein<br />
Loch gemacht, durch das der Antriebsmotor<br />
mit der Presse verbunden<br />
werden konnte. Um diese in<br />
Betrieb zu setzen, brauchte man im<br />
Erdgeschoss nur den Motor einzu-<br />
2010-4 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 35
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36 <strong>Strahlen</strong> <strong>des</strong> <strong>Lichts</strong> 2010-4<br />
schalten.<br />
Als die beiden Männer eines Tages<br />
unter dem Haus an der Arbeit<br />
waren, rief Herr Heindel seiner<br />
Frau zu, ob sie auch einmal<br />
das niedliche „Kätzchen“ ansehen<br />
wolle, das dort lag. Dieses<br />
winzige „Kätzchen“ erwies sich<br />
als ein Skunk, der sein übelriechen<strong>des</strong><br />
Parfum noch nicht<br />
verbreitet hatte. Als die Männer<br />
von Frau Heindel hörten, um<br />
was für ein Tier es sich handelte,<br />
stürzten sie davon. In den ersten<br />
Jahren erwiesen sich diese<br />
Skunks, die während der Nacht<br />
unter das Haus schlichen, als<br />
wahre Plage.<br />
Das unter dem Haus abgestellte<br />
Auto Bedelia musste gründlich<br />
überholt und mit einem Anlasser<br />
versehen werden. Um diese<br />
Arbeit in der Zentralstelle<br />
durchführen zu können, wurde<br />
ein Mechaniker gebeten heraufzukommen.<br />
Nach einigen Tagen<br />
wurde dieser von einem Kollegen<br />
aus Los Angeles abgelöst,<br />
der die Arbeit bald fertig stellen<br />
konnte. Im Morgengrauen <strong>des</strong><br />
nächsten Tages fuhr das Ehepaar<br />
Heindel mit ihrem anscheinend<br />
neu gestalteten Auto nach<br />
Los Angeles, um dort die erforderlichen<br />
Einkäufe zu erledigen.<br />
Doch zum soundsovielten Male<br />
stellten sich an ihrem Auto technische<br />
Probleme ein, so dass<br />
der größte Teil <strong>des</strong> Tages auf<br />
der Straße verbracht werden<br />
musste. Man möge bedenken,<br />
dass es zu jener Zeit zwischen<br />
Los Angeles und San Diego nur<br />
unbefestigte, staubige Straßen<br />
gab, die so schmal waren, dass<br />
zwei Autos kaum aneinander<br />
vorbeifahren konnten. Heindels<br />
trafen schließlich am Spätmittag<br />
in Los Angeles ein. Nachdem sie<br />
sich in der Nacht ausgeruht hatten,<br />
erledigten sie ihre Einkäufe<br />
und machten sich dann gegen<br />
vierzehn Uhr auf den Heimweg.<br />
Das Auto quoll fast über von Lebensmitteln,<br />
Gemüse und kleinen,<br />
in der Druckerei benötigten Dingen.<br />
Etwa fünfundsechzig Kilometer<br />
von Oceanside entfernt, begann<br />
Bedelia erneut zu spucken und<br />
die Fahrt aufzuhalten. Versuche<br />
von Herrn Heindel, den Mangel<br />
ausfindig zu machen, scheiterten.<br />
Der Motor wollte nicht anspringen.<br />
Der Fahrer eines großen<br />
Tourenwagens, der gerade vorbei<br />
kam, bot an, das Auto abzuschleppen.<br />
Nachdem es befestigt<br />
war, wurde losgefahren – Max<br />
Heindel steuerte. Der Fahrer <strong>des</strong><br />
Tourenwagens aber beachtete<br />
nicht, dass das kleine Auto nicht<br />
so schnell durch eine enge Kurve<br />
fahren konnte wie sein großer<br />
Wagen. Bedelia kam vom Weg ab<br />
und wurde zwischen zwei kleinen<br />
Hügeln eingeklemmt. Da Bedelia<br />
oben offen war, wurde Max<br />
Heindel aus ihm heraus geschleudert.<br />
Zum Glück wurde sein Sturz<br />
gelindert, da er auf einem einige<br />
Meter entfernten Heuhaufen landete.<br />
Als er nach einer halbstündigen<br />
Bewusstlosigkeit wieder zu<br />
sich kam, war er glücklich, dass er<br />
zum Autobus gehen konnte. Heindels<br />
kamen dann nach Einbruch<br />
der Dunkelheit in Mount Ecclesia<br />
an. Sie fühlten sich sehr dankbar,<br />
dass sie noch am Leben waren.<br />
Herr Heindel hatte am Arm eine<br />
starke Prellung.<br />
Um sich zu erholen, musste er einige<br />
Tage im Bett verbringen. Frau<br />
Heindel aber fuhr am nächsten<br />
Tag mit dem Zug nach San Juan<br />
Capistrano, um das Wrack von<br />
Bedelia beseitigen zu lassen.