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James Cook und die Entdeckung der Südsee - Spektrum CP

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Die Denker <strong>der</strong> Aufklärung wollten<br />

den Menschen verbessern <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Welt erfassen. In einer von Theorien<br />

geprägten Epoche waren Entdecker<br />

wie <strong>James</strong> <strong>Cook</strong> <strong>die</strong> Praktiker.<br />

Von Hakan Baykal<br />

ALLES WISSEN<br />

Ein Ozean<br />

des Wissens<br />

Im Zuge <strong>der</strong> Aufklärung<br />

arbeiteten zahlreiche<br />

Gelehrte in ganz Europa<br />

daran, das gesamte Wissen<br />

<strong>der</strong> Menscheit in Buchform<br />

zusammenzufassen.<br />

Die französische »Encyclopé<strong>die</strong>«<br />

ist bis heute<br />

eines <strong>der</strong> bedeutendsten<br />

<strong>und</strong> bekanntesten Werke<br />

<strong>die</strong>ser Strömung. Sie<br />

erschien zwischen 1751 <strong>und</strong><br />

1772 in 18 Bänden unter <strong>der</strong><br />

Fe<strong>der</strong>führung von Denis<br />

Di<strong>der</strong>ot <strong>und</strong> Jean Baptiste<br />

le Rond d’Alembert. Einige<br />

Jahre zuvor, nämlich von<br />

1732 bis 1754, hatte<br />

allerdings <strong>der</strong> Deutsche<br />

Johann Heinrich Zedler <strong>die</strong><br />

mit fast 70 000 Seiten<br />

umfangreichste Enzyklopä<strong>die</strong><br />

des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

publiziert: sein »Grosses<br />

vollständiges Universal-<br />

Lexicon Aller Wissenschafften<br />

<strong>und</strong> Künste«.<br />

»I<br />

n einem gleichen Zeitraum hat niemand je<br />

<strong>die</strong> Grenzen unseres Wissens in gleichem<br />

Maße erweitert«, schwärmte <strong>der</strong> deutsche Naturforscher<br />

<strong>und</strong> Revolutionär Georg Forster über<br />

<strong>James</strong> <strong>Cook</strong>, den er auf dessen zweiter Weltumsegelung<br />

begleitet hatte. Heute, mehr als zwei<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte später, fragt sich <strong>die</strong> amerikanische<br />

Ethnologin Adrienne L. Kaeppler, »ob <strong>die</strong> Aufklärung<br />

ohne seine Reisen <strong>die</strong>selbe gewesen wäre«.<br />

Solch hohes Lob für einen braven Seemann mag<br />

verw<strong>und</strong>ern, zumal <strong>Cook</strong> in eine Zeit geboren<br />

wurde, <strong>die</strong> längst von den Ideen <strong>und</strong> Idealen <strong>der</strong><br />

Aufklärung beseelt war; von dem Vertrauen darauf,<br />

dass sich <strong>der</strong> Mensch durch den Gebrauch<br />

seines Verstands <strong>und</strong> seiner Vernunft vervollkommnen<br />

kann.<br />

Bereits im Jahrh<strong>und</strong>ert vor <strong>Cook</strong>s Geburt hatten<br />

Philosophen wie Baruch Spinoza in Holland,<br />

René Descartes in Frankreich o<strong>der</strong> John Locke in<br />

England je<strong>der</strong> Art von Vorurteilen <strong>und</strong> Aberglauben<br />

den Kampf angesagt. Isaac Newton, wiewohl<br />

gläubiger Christ, legte ebenfalls bereits im 17. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

den Gr<strong>und</strong>stein einer zutiefst rationalen,<br />

naturwissenschaftlichen Weltsicht. Damals begannen<br />

vor allem französische <strong>und</strong> britische Gelehrte,<br />

das traditionelle Denken in Frage zu stellen.<br />

Im Dreißigjährigen Krieg, <strong>der</strong> 1648 mit dem<br />

Westfälischen Frieden sein ersehntes Ende fand,<br />

hatten <strong>die</strong> konfessionellen Konflikte <strong>der</strong> vorangegangenen<br />

Jahrzehnte in Europa ihren Höhepunkt<br />

erreicht. Das gesellschaftliche Leben des Kontinents<br />

wurde von religiösem Dogmatismus auf<br />

<strong>der</strong> einen sowie absolutistisch herrschenden Monarchen<br />

auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite dominiert. Just in<br />

<strong>die</strong>ser Epoche reiften <strong>die</strong> Ideale persönlicher <strong>und</strong><br />

gesellschaftlicher Emanzipation. Der Weg war<br />

klar: Jenseits von Religion, Vorurteil, Schwärmerei<br />

<strong>und</strong> Aberglaube sollte <strong>der</strong> Mensch nach Selbstbestimmung<br />

streben. Voraussetzung dafür war,<br />

so <strong>die</strong> feste Überzeugung <strong>der</strong> Aufklärer, <strong>der</strong> Einsatz<br />

des Verstands <strong>und</strong> <strong>der</strong> Ratio eines jeden.<br />

»Möge <strong>der</strong> Mensch seine Vernunft anwenden,<br />

möge purem Glauben o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Annahme übernatürlicher<br />

Kräfte Wissen folgen« – so umschreibt<br />

<strong>der</strong> Evolutionsbiologe Rainer Willmann von <strong>der</strong><br />

Universität Göttingen das Ziel <strong>der</strong> Aufklärung.<br />

Anfangs war <strong>die</strong>ses Streben nach Erkenntnis<br />

zumeist ein eher kontemplatives, philosophisches.<br />

Die frühen Aufklärer machten sich im<br />

buchstäblichen Sinn ihre Gedanken: Sie dachten<br />

über gesellschaftliche, politische <strong>und</strong> kulturelle<br />

Phänomene ihrer Umwelt nach, versuchten <strong>die</strong>se<br />

zu erfassen – <strong>und</strong> nötigenfalls Vorschläge zu ihrer<br />

Verän<strong>der</strong>ung beizusteuern. Die neue Sicht blieb<br />

aber nicht auf <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>rstuben <strong>der</strong> Gelehrten<br />

beschränkt.<br />

Durch <strong>die</strong> Fahrten eines Kolumbus o<strong>der</strong> Magellan<br />

war <strong>die</strong> Welt bereits überschaubarer geworden.<br />

Mit <strong>der</strong> Erk<strong>und</strong>ung des Globus ging eine<br />

Vermehrung des Wissens Hand in Hand. Je mehr<br />

exotische Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten <strong>die</strong> Weltreisenden<br />

entdeckten <strong>und</strong> dokumentierten, desto ernsthafter<br />

wurden theologische Dogmen in Frage<br />

gestellt. Als <strong>der</strong> Franzose Isaac de La Peyrère 1655<br />

es wagte, angesichts <strong>der</strong> Artenvielfalt auf Erden<br />

Zweifel am biblischen Bericht von <strong>der</strong> Sintflut<br />

anzumelden, wurde er im Kerker zum Wi<strong>der</strong>ruf<br />

seiner Aussagen gezwungen. Keine 100 Jahre danach,<br />

1735, erschien erstmals ein Werk zur Klassifizierung<br />

von Mineralien, Pflanzen <strong>und</strong> Tieren:<br />

»Systema naturae« von Carl von Linné. Der Schwede<br />

katalogisierte darin über 5000 Tierarten –<br />

mehr als jemals auf Noahs Arche Platz gehabt hätten.<br />

So fremd es uns heutzutage erscheinen mag:<br />

Auch in solch schlichten wissenschaftlichen Feststellungen<br />

keimte <strong>der</strong> Zweifel an den Inhalten <strong>der</strong><br />

Bibel <strong>und</strong> damit am Glauben an sich. Schritt für<br />

Schritt betrat <strong>die</strong> Wissenschaft <strong>die</strong> Welt, manchmal<br />

durch <strong>die</strong> Hintertür. »In das Bestreben, <strong>die</strong><br />

18 epoc <strong>James</strong> <strong>Cook</strong>

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