[PDF] Dokument ansehen - Bauernblatt Schleswig-Holstein
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Schättruum<br />
Fotos: Fotolia, Sybex, istock<br />
Redaktion: Kathrin Iselt-Segert<br />
Gestaltung: Sonja Langbehn<br />
Starke Typen gesucht<br />
Beruf mit Schraubenschlüssel,<br />
Öl und Laptop<br />
Alles im Griff. Tobias Holst (r.) ist fertig<br />
mit der Ausbildung. Er zeigt Tede Haß<br />
die kniffeligen Griffe bei der Reparatur.<br />
Kreischender Lärm durchdringt<br />
die Maschinenhalle.<br />
Plötzlich sprühen grelle, glutheiße<br />
Funken an dem Schutzblech<br />
eines riesigen Mähdreschers<br />
vorbei. An der Radachse<br />
steht Ricky Schlossbauer<br />
(18) aus Neumünster. Er hat<br />
eine Flex in der Hand und<br />
trennt das Kugellager an<br />
einem Mährdrescher auf.<br />
Was für manchen gefährlich<br />
aussieht, lässt Ricky völlig cool.<br />
„Das gehört zu meinem Job als<br />
Landmaschinenmechaniker. Das<br />
Kugellager ist verschlissen. Muss<br />
erneuert werden“, sagt er. Kein<br />
Problem, denn Ricky ist im dritten<br />
Ausbildungsjahr bei Claas in<br />
Bordesholm. Schrauben, Flexen<br />
und Schweißen machen ihm richtig<br />
Spaß. Auch seine Kollegen aus<br />
dem ersten und zweiten Lehrjahr,<br />
Lukas Wiegel (16) aus Emkendorf<br />
und Felix Schramm (18) aus Blomnath,<br />
haben ihren Traumjob als<br />
Mechaniker für Land- und Baumaschinentechnik<br />
Warum Technik für starke<br />
Typen? Das weiß Sönke Wiegel<br />
(Foto). Er ist Landesinnungsmeister<br />
der Land- und Baumaschinenverbände<br />
in <strong>Schleswig</strong>-<br />
<strong>Holstein</strong>. „Zwar machen noch<br />
viele junge Leute die Ausbildung<br />
zum Mechaniker für<br />
Land- und Baumaschinentechnik,<br />
aber die Zahl der Bewerber<br />
sinkt.“ Deswegen kurbelt<br />
der Gesamtverband LandBau-<br />
Technik Nord die Kampagne<br />
„Technik für starke Typen“<br />
wieder an. Es gibt dazu ein<br />
Video, das zeigt, was in der<br />
Ausbildung auf dich zukommt.<br />
Und Sönke Wiegel, selbst ausgebildeter<br />
Landmaschinenmechaniker,<br />
weiß: „Wer sich gut<br />
macht, den übernimmt der Betrieb<br />
meistens als Geselle. Man<br />
kann auch den Techniker, Meister<br />
oder ein Studium zum Ingenieur<br />
hinterherschieben.“ Alle<br />
Infos im Internet auf www.<br />
starke-typen.info Die DVD<br />
dazu kannst du per E-Mail bestellen<br />
unter: info@landbau<br />
technik.de<br />
rek<br />
angehende Mechaniker für Landund<br />
Baumaschinentechnik gefunden.<br />
Für die drei steht fest: Ihre ölverschmierten<br />
Latzhosen würden<br />
sie niemals gegen einen Anzug<br />
tauschen.<br />
Bloß nicht<br />
im Büro hocken<br />
„Der Job ist total abwechslungsreich,<br />
man ist unterwegs und viel<br />
draußen. Im Büro zu hocken, ist<br />
nichts für mich“, sagt Felix aus<br />
dem zweiten Lehrjahr. Das mit<br />
dem „Draußensein“ hat aber<br />
auch einen Nachteil. „In der Erntezeit<br />
sind unsere Mitarbeiter eigentlich<br />
ständig draußen unterwegs<br />
und fast rund um die Uhr im<br />
Einsatz“, weiß Nicolaus Hottendorf,<br />
Chef von Claas Bordesholm.<br />
„Die Zeit drängt immer.<br />
Ob auf dem Feld oder in der<br />
Werkstatt, wenn die Auszubilden
Was soll ich heute bloß anziehen? Vivien Schütze muss sich mit diesem<br />
Thema nicht rumschlagen. Wie die Jungs bei Meifort, (v. li.) Tede Haß,<br />
Tim Reim und Henning Voß, schlüpft sie einfach in die Latzhose.<br />
den die neuen Maschinen aus der<br />
Fabrik für den Kunden fertig machen.“<br />
Manchmal schieben die<br />
Auszubildenden in der stressigen<br />
Zeit auch Wochenenddienst.<br />
Viel zu tun, und das dicke Geld<br />
landet auch erst mal nicht auf<br />
dem Konto. Der Verdienst in der<br />
Ausbildungszeit ist mager. Aber<br />
das ändert sich nach der Ausbildung.<br />
Das wissen die Azubis. Für<br />
Ricky, Felix und Lukas spielt das<br />
auch nicht die große Rolle. Sie<br />
brennen für die Landtechnik.<br />
Autos zum Beispiel und ihre<br />
Kraftfahrzeugtechnik finden sie<br />
öde. „Ein Auto ist immer ein<br />
Auto. Ein wenig Abwechslung<br />
kommt höchstens durch die verschiedenen<br />
Hersteller und<br />
Typen“, weiß Lukas.<br />
Pneumatik, Mathe und<br />
Laptopdiagnose<br />
Das sei bei den Landmaschinen<br />
ganz anders. Die drei<br />
Lehrlinge zählen auf, womit<br />
sie sich auskennen müssen:<br />
Häcksler, Drescher, Güllefässer,<br />
Ladewagen, Eggen, Saatmaschinen,<br />
Anhänger, Kipper und<br />
selbstverständlich Traktoren in<br />
allen Größen und Typen. Tief Luft<br />
holen – die Aufzählung<br />
geht weiter. „Wir<br />
müssen auch einen<br />
Rasenmäher, einen<br />
Betonmischer oder<br />
Radlader reparieren<br />
können. Unser Beruf<br />
heißt ja Mechaniker<br />
für Land- und Baumaschinentechnik“,<br />
erklärt der 16-jährige<br />
Lukas aus dem<br />
ersten Lehrjahr. „In<br />
der Prüfung kann<br />
es sein, dass ich<br />
einen Radlader reparieren<br />
muss“,<br />
sagt Felix aus dem zweiten Lehrjahr.<br />
Und wenn Arbeiten geschrieben<br />
werden, dann pauken die<br />
Azubis Hydraulik, Mechanik,<br />
Pneumatik, physikalische Grundlagen<br />
und Mathe. Klingt nach<br />
Kopfrechnen. Ricky grinst und<br />
sagt: „So schlimm ist es nicht.“ Und<br />
außerdem läuft auch in dieser<br />
Branche ohne PC nichts mehr.<br />
„Die Technik ist so modern und<br />
sehr speziell geworden. Die Landwirte<br />
können<br />
Ölverschmierte Hände<br />
gehören zum Job.<br />
heute kaum noch etwas an den<br />
Maschinen selber machen“, sagt<br />
Felix. Darauf schnappt sich der<br />
18-Jährige<br />
einen Laptop<br />
und schließt<br />
ihn an den<br />
Boardcomputer<br />
eines<br />
großen Claas<br />
Arions an.<br />
Felix muss<br />
mithilfe der<br />
Lukas Wiegel zückt die Schraubenschlüssel.<br />
Die Operation am offenen<br />
Motor kann beginnen.<br />
Software auf dem PC den Fehler<br />
beim Schlepper auslesen. Die Diagnose<br />
lautet „Fehler in der Bremshydraulik“.<br />
Also greift er zum<br />
Werkzeug und beginnt, die<br />
Schrauben an der Verblendung zu<br />
lösen, um an den Drehzahlsensor<br />
zu kommen. Der Schlepper ist<br />
bald wieder einsatzfähig.<br />
Latzhosen – cooler Look<br />
auch für Girls<br />
Vivien Schütze (17) rangiert<br />
einen Wagenheber<br />
zwischen den<br />
vielen<br />
Treckern, die<br />
in der großen<br />
Werkstatt<br />
vom Meifort<br />
in Dägeling<br />
stehen. Die<br />
17-Jährige aus<br />
Henstedt-<br />
Ulzburg macht<br />
zusammen mit<br />
acht Jungen<br />
ihre Ausbildung.<br />
Aber eine<br />
Sonderbehandlung<br />
gibt es für<br />
sie nicht. „Muss<br />
auch nicht. Ich mache genauso<br />
meinen<br />
Job.“ Und bei<br />
schweren Arbeiten?<br />
„Wir haben<br />
so viele Hilfsgeräte,<br />
die machen<br />
vieles ganz<br />
leicht“, sagt sie.<br />
Vivien hatte von<br />
klein auf ein<br />
Faible für Landwirtschaft,<br />
große<br />
Maschinen und<br />
Landtechnik. „Als<br />
Kind habe ich<br />
meinen Vater<br />
immer begleitet,<br />
wenn er auf den<br />
Höfen gearbeitet<br />
hat“, erzählt sie. So sei das Interesse<br />
an großen Maschinen entstanden.<br />
Und da sei die Ausbildung<br />
bei Meifort genau das Richtige<br />
für sie. Zusammen mit einem<br />
Gesellen hat die 17-Jährige schon<br />
ein Getriebe zusammengebaut.<br />
Mit leuchtenden Augen berichtet<br />
sie: „Ein Trecker in zwei Teilen, der<br />
sieht für Leute, die sich nicht auskennen,<br />
schlimm aus. Aber ich<br />
habe richtig Spaß am Tüfteln.“<br />
Vivien lernt bei Meifort zusammen<br />
mit Henning Voß (17) aus Ottenbüttel,<br />
Tim Reim (16) aus<br />
Nutteln und Tede Haß (18) aus<br />
Krummendiek. Und wie ihre Kollegen<br />
in Bordesholm haben sie<br />
den Dreh mit der Landtechnik<br />
raus. Tim aus dem ersten Lehrjahr<br />
will Landmaschinenmechaniker<br />
werden, weil er „richtig Bock auf<br />
Schrauben und Werkeln hat“.<br />
Und Tede aus dem zweiten Ausbildungsjahr<br />
will nur große Maschinen<br />
reparieren. Er sagt: „Ich<br />
hätte ein richtiges Problem, wenn<br />
ich Autos reparieren würde. Ich<br />
bin 1,92 m groß, auf die Fummelarbeit<br />
bei den kleinen Pkw kann<br />
ich verzichten. Mit meiner Größe<br />
Da fliegen die Funken: Ricky Schlossbauer<br />
muss das Kugellager aufflexen.<br />
passe ich viel besser zu den<br />
Schleppern.“<br />
Wie man am besten zu einem<br />
Ausbildungsplatz kommt, weiß<br />
Henning Voß. Er ist wie Vivien und<br />
Tim seit August bei Meifort. „In<br />
den Herbstferien vergangenes<br />
Jahr war ich schon als Praktikant<br />
hier. Das war toll. Und darauf<br />
habe ich mich hier beworben“, so<br />
Henning.<br />
Das scheint ein guter Tipp zu<br />
sein. Horst Kühn, technischer Leiter<br />
bei „Meifort“, verrät: „Bei der Bewerbung<br />
achte ich auf die Noten<br />
in Mathe und Physik. Aber fast<br />
wichtiger ist mir, wenn jemand<br />
vorab ein Praktikum bei uns<br />
macht. Man sieht schnell, wer Lust<br />
auf den Job hat und wer nicht.“<br />
Rebecca Kopf<br />
schaettruum@bauernblatt.com