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Friedhofscafé - Mikado

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Holzwelten <strong>Friedhofscafé</strong><br />

Wohin nach einer Beerdigung oder einem Grabbesuch? Düren ließ<br />

dafür auf seinem Ostfriedhof ein Café errichten. Das musste<br />

sich gut einfügen und innen eine angemessene Atmosphäre bieten.<br />

74<br />

mikado 11.2012


Holzwelten <strong>Friedhofscafé</strong><br />

Friedhöfe sind Orte des Abschieds.<br />

Nach einer Beerdigung<br />

oder einem Grabbesuch<br />

wollen sich die Trauernden zusammensetzen,<br />

um sich auszutauschen –<br />

erst recht, wenn sie sich lange nicht<br />

mehr gesehen haben. Normalerweise<br />

gehen sie dazu in Friedhofsnähe<br />

in eine Gaststätte. Im Ostfriedhof der<br />

nordrhein-westfälischen Stadt Düren<br />

ging das eines Tages nicht mehr,<br />

weil die einzige Gaststätte schloss.<br />

Die Friedhofsverwaltung fand eine<br />

ungewöhnliche Lösung: Sie ließ auf<br />

dem Friedhof selbst ein Café errichten.<br />

Platz dafür bot eine Wiese im<br />

zentralen Eingangsbereich der Anlage,<br />

mit Blick auf mächtige Platanen,<br />

die das Gelände säumen und<br />

ihm einen parkähnlichen Charakter<br />

verleihen. In diese Umgebung sollte<br />

sich der Neubau möglichst harmonisch<br />

einfügen.<br />

Unaufdringlich, aber trotzdem<br />

ausdrucksstark<br />

„Als wir den Planungsauftrag erhielten,<br />

haben wir uns die Frage gestellt,<br />

wie ein markanter und trotzdem zurückhaltender,<br />

einfacher Raum aussehen<br />

könnte, einer, der die Menschen,<br />

die dort einkehren, nicht von<br />

ihrer Trauerarbeit ablenkt“, erzählt<br />

Björn Martenson, Partner im Büro<br />

„Amunt Architekten“. Die Antwort:<br />

ein Monolith, ein hölzerner Quader<br />

mit großen Glasflächen. Die Holzoberflächen<br />

erhielten eine Lasur. Den<br />

Farbton – „Champagner“ – ließen die<br />

Planer extra mischen, damit die Außenhaut<br />

den Schuppen der Platanenstämme<br />

ähnelt. Der Boden des Cafés<br />

besteht aus einer schlichten Stahlbetonplatte.<br />

In sie wurde während<br />

des Betoniervorgangs Alpendolomit<br />

eingestreut, der nach dem Abschleifen<br />

eine lebendige, terrazzoähnliche<br />

Anmutung entfaltet. Unter der Betonplatte<br />

befindet sich eine Wärmedämmung.<br />

Insgesamt finden in dem Café bis<br />

zu 80 Personen Platz. Türen finden<br />

sich in dem Bauwerk so gut wie keine.<br />

Auch keine Faltwände. Ein zentraler<br />

Flur erschließt drei Gastbereiche<br />

an drei der vier Gebäudeecken.<br />

Die Küche sowie zwei WCs sind als<br />

Raumkörper ausgebildet und so in<br />

www.mikado-online.de 75


Holzwelten <strong>Friedhofscafé</strong><br />

der quadratischen Grundfläche platziert,<br />

dass ein komplexes, spannendes<br />

Raumgefüge entsteht. Sie strukturieren<br />

den Grundriss, ohne die drei<br />

Gastbereiche gegeneinander abzuriegeln.<br />

Um ihnen eine jeweils eigene<br />

Identität zu geben, erhielten sie unterschiedliche<br />

Raumhöhen und Dachkonstruktionen:<br />

ein Tonnendach, ein<br />

Zeltdach und ein Pultdach. Von außen<br />

ist die vielfältige Formenlandschaft<br />

nur an der Glasfassade wahrnehmbar,<br />

weil eine hohe Attika die<br />

Sicht auf die Dachflächen verhindert.<br />

Sie sorgt dafür, dass nicht zu viel Unruhe<br />

entsteht und der Baukörper als<br />

geschlossene Einheit wirkt.<br />

Im Inneren verlaufen hinter den<br />

Decken- und Außenwandverkleidungen<br />

alle Leitungen, Kabel und Kanäle,<br />

von der Elektrik über die Lüftungsanlage<br />

mit Wärmerückgewinnung bis<br />

zum Warmwasser. Lediglich die Heizung<br />

hat einen Patz an der Fassade<br />

erhalten: Konvektoren reihen sich<br />

entlang der Glasfronten auf. Für die<br />

ungewöhnliche Atmosphäre sorgen<br />

neben den Raumformen die grau lasierten<br />

Holzoberflächen.<br />

Konstruktionsvollholz und<br />

Furnierschichtholz<br />

Ein Trägerrost auf Basis einer Rippenkonstruktion<br />

aus KVH mit dazwischengesetzten<br />

Balken formt das den<br />

Quader beschirmende Dach, das als<br />

nach innen abgeschrägtes Pultdach<br />

ausgeführt ist und mit einer Rinne<br />

in die Mitte des Gebäudes entwässert.<br />

An diesem Trägerrost sind Furnierschichtholz-Platten<br />

als Fassadentafeln<br />

abgehängt. Sie bilden den oberen<br />

Abschluss der großen Fassade.<br />

Die mit Dreifach-Wärmeschutzverglasung<br />

ausgeführte Fensterfront sitzt<br />

wiederum auf der am Rand hochgezogenen<br />

Stahlbetonplatte wie auf einem<br />

Tablett mit erhöhtem Rand.<br />

Grundriss<br />

◂◂Den Gastraum<br />

mit Tonnendach<br />

trennt ein<br />

freistehender,<br />

flurseitig<br />

erschlossener<br />

Nebenraum<br />

vom …<br />

▴▴… Gastraum<br />

mit Zeltdach ab<br />

Amunt Architekten<br />

Bei Tag verschränkt sich das<br />

Grün mit dem Pavillon, indem es<br />

sich in der Glasfassade spiegelt. Um<br />

die Trauergäste vor neugierigen Blicken<br />

zu schützen, besitzen die Scheiben<br />

einen hohen Reflexionsgrad. Bei<br />

Dunkelheit allerdings wird die Fassade<br />

transparent und der Innenraum<br />

sichtbar. Lediglich der Fassadenabschnitt<br />

bei der Küche besitzt eine<br />

geschlossene Außenhaut: 60 mm<br />

dicke Furnierschichtholzplatten bekleiden<br />

80/200 mm dicke Furnierschichtholzrippen<br />

bzw. Massivholzrippen,<br />

deren Zwischenräume mit<br />

Mineralwolle gedämmt sind. Zum<br />

Innenraum hin schließt sich eine<br />

Dampfsperre an, dahinter folgt die<br />

Installationsebene mit zementgebundenen<br />

Faserplatten.<br />

95 mm dicke Brettsperrholzwände<br />

untergliedern die Innenräume und<br />

wirken dabei wie Schotten, die der<br />

Dachkonstruktion als Auflager dienen.<br />

Sie sind nur geschliffen und lasiert,<br />

um einen archaischen Eindruck<br />

zu erwecken. „Gleichzeitig brachte<br />

diese Konstruktion bei dem vorliegenden<br />

engen Budget einen weiteren<br />

Vorteil mit sich, nämlich den, dass<br />

der Rohbau bereits den Ausbau beinhaltet“,<br />

erläutert der Architekt. „Und<br />

nicht zuletzt kostet jede weitere Ausbauebene<br />

Platz, den wir nicht hatten.<br />

So aber wirkt der Raum trotz knapper<br />

Grundfläche großzügig.“<br />

76<br />

mikado 11.2012


Holzwelten <strong>Friedhofscafé</strong><br />

Brigida González<br />

Sichtbares Brettsperrholz spart<br />

Zeit, Geld und Platz<br />

Aufgrund der monolithischen Bauweise,<br />

die weitgehend ohne Verkleidungen<br />

auskommt, verlief der<br />

Bauablauf extrem zügig. Das gesamte<br />

Gebäude besteht aus 25 Elementen,<br />

die von dem beauftragten<br />

Holzbauunternehmen im Werk<br />

mit allen Falzen sowie mit Bohrungen<br />

und Fräsungen für die Elektroinstallation<br />

vorgefertigt wurden.<br />

Dachlandschaft und Innenräume<br />

▴▴Den Erschließungsflur<br />

belichtet<br />

ein leicht geneigtes<br />

Glasdach<br />

▸▸Zum Gastraum<br />

mit<br />

Pultdach orientiert<br />

sich der<br />

Tresen der Küche<br />

Nach dem Einbringen des Ortbetons<br />

der Bodenplatte konnte der Holzbau<br />

sofort beginnen. „Innerhalb einer<br />

Woche waren die Bauteile verschraubt“,<br />

erinnert sich Martenson.<br />

„Im Anschluss wurde nur noch die<br />

Balkenlage montiert und schließlich<br />

die Dachdeckung – ein Foliendach<br />

aus einer Kunstkautschukbahn – aufgebracht.“<br />

Da der Rohbau schon der<br />

Ausbau ist, war das Gebäude dann<br />

sehr schnell fertig. Das kam bei den<br />

Amunt Architekten<br />

Bauherren gut an. „Nur an den Spalten,<br />

die nun entstehen, weil das Holz<br />

im Innenraum trocknet, scheiden sich<br />

die Geister“, lächelt der Planer. „Die<br />

einen finden es zu urtümlich, die anderen<br />

einfach archaisch schön.“<br />

<br />

Christine Ryll, München ▪<br />

Steckbrief<br />

Bauprojekt:<br />

<strong>Friedhofscafé</strong><br />

D-52351 Düren<br />

Bauherr:<br />

Dürener Service Betrieb<br />

D-52349 Düren<br />

http://dn-sb.de<br />

Bauweise:<br />

Holzrahmenbau<br />

und Brettsperrholz<br />

Bauzeit:<br />

Februar 2010 bis März 2011<br />

Baukosten: 350 000 Euro<br />

Nutzfläche: 124 m²<br />

Architektur:<br />

Amunt Architekten Martenson<br />

und Nagel Theissen<br />

D-52066 Aachen /<br />

D-70372 Stuttgart<br />

www.amunt.info<br />

Holzbau:<br />

Mandelartz Schreinerwerkstätte<br />

D-52349 Düren<br />

www.thomas-mandelartz.com<br />

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