Friedhofscafé - Mikado
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Holzwelten <strong>Friedhofscafé</strong><br />
Wohin nach einer Beerdigung oder einem Grabbesuch? Düren ließ<br />
dafür auf seinem Ostfriedhof ein Café errichten. Das musste<br />
sich gut einfügen und innen eine angemessene Atmosphäre bieten.<br />
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mikado 11.2012
Holzwelten <strong>Friedhofscafé</strong><br />
Friedhöfe sind Orte des Abschieds.<br />
Nach einer Beerdigung<br />
oder einem Grabbesuch<br />
wollen sich die Trauernden zusammensetzen,<br />
um sich auszutauschen –<br />
erst recht, wenn sie sich lange nicht<br />
mehr gesehen haben. Normalerweise<br />
gehen sie dazu in Friedhofsnähe<br />
in eine Gaststätte. Im Ostfriedhof der<br />
nordrhein-westfälischen Stadt Düren<br />
ging das eines Tages nicht mehr,<br />
weil die einzige Gaststätte schloss.<br />
Die Friedhofsverwaltung fand eine<br />
ungewöhnliche Lösung: Sie ließ auf<br />
dem Friedhof selbst ein Café errichten.<br />
Platz dafür bot eine Wiese im<br />
zentralen Eingangsbereich der Anlage,<br />
mit Blick auf mächtige Platanen,<br />
die das Gelände säumen und<br />
ihm einen parkähnlichen Charakter<br />
verleihen. In diese Umgebung sollte<br />
sich der Neubau möglichst harmonisch<br />
einfügen.<br />
Unaufdringlich, aber trotzdem<br />
ausdrucksstark<br />
„Als wir den Planungsauftrag erhielten,<br />
haben wir uns die Frage gestellt,<br />
wie ein markanter und trotzdem zurückhaltender,<br />
einfacher Raum aussehen<br />
könnte, einer, der die Menschen,<br />
die dort einkehren, nicht von<br />
ihrer Trauerarbeit ablenkt“, erzählt<br />
Björn Martenson, Partner im Büro<br />
„Amunt Architekten“. Die Antwort:<br />
ein Monolith, ein hölzerner Quader<br />
mit großen Glasflächen. Die Holzoberflächen<br />
erhielten eine Lasur. Den<br />
Farbton – „Champagner“ – ließen die<br />
Planer extra mischen, damit die Außenhaut<br />
den Schuppen der Platanenstämme<br />
ähnelt. Der Boden des Cafés<br />
besteht aus einer schlichten Stahlbetonplatte.<br />
In sie wurde während<br />
des Betoniervorgangs Alpendolomit<br />
eingestreut, der nach dem Abschleifen<br />
eine lebendige, terrazzoähnliche<br />
Anmutung entfaltet. Unter der Betonplatte<br />
befindet sich eine Wärmedämmung.<br />
Insgesamt finden in dem Café bis<br />
zu 80 Personen Platz. Türen finden<br />
sich in dem Bauwerk so gut wie keine.<br />
Auch keine Faltwände. Ein zentraler<br />
Flur erschließt drei Gastbereiche<br />
an drei der vier Gebäudeecken.<br />
Die Küche sowie zwei WCs sind als<br />
Raumkörper ausgebildet und so in<br />
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Holzwelten <strong>Friedhofscafé</strong><br />
der quadratischen Grundfläche platziert,<br />
dass ein komplexes, spannendes<br />
Raumgefüge entsteht. Sie strukturieren<br />
den Grundriss, ohne die drei<br />
Gastbereiche gegeneinander abzuriegeln.<br />
Um ihnen eine jeweils eigene<br />
Identität zu geben, erhielten sie unterschiedliche<br />
Raumhöhen und Dachkonstruktionen:<br />
ein Tonnendach, ein<br />
Zeltdach und ein Pultdach. Von außen<br />
ist die vielfältige Formenlandschaft<br />
nur an der Glasfassade wahrnehmbar,<br />
weil eine hohe Attika die<br />
Sicht auf die Dachflächen verhindert.<br />
Sie sorgt dafür, dass nicht zu viel Unruhe<br />
entsteht und der Baukörper als<br />
geschlossene Einheit wirkt.<br />
Im Inneren verlaufen hinter den<br />
Decken- und Außenwandverkleidungen<br />
alle Leitungen, Kabel und Kanäle,<br />
von der Elektrik über die Lüftungsanlage<br />
mit Wärmerückgewinnung bis<br />
zum Warmwasser. Lediglich die Heizung<br />
hat einen Patz an der Fassade<br />
erhalten: Konvektoren reihen sich<br />
entlang der Glasfronten auf. Für die<br />
ungewöhnliche Atmosphäre sorgen<br />
neben den Raumformen die grau lasierten<br />
Holzoberflächen.<br />
Konstruktionsvollholz und<br />
Furnierschichtholz<br />
Ein Trägerrost auf Basis einer Rippenkonstruktion<br />
aus KVH mit dazwischengesetzten<br />
Balken formt das den<br />
Quader beschirmende Dach, das als<br />
nach innen abgeschrägtes Pultdach<br />
ausgeführt ist und mit einer Rinne<br />
in die Mitte des Gebäudes entwässert.<br />
An diesem Trägerrost sind Furnierschichtholz-Platten<br />
als Fassadentafeln<br />
abgehängt. Sie bilden den oberen<br />
Abschluss der großen Fassade.<br />
Die mit Dreifach-Wärmeschutzverglasung<br />
ausgeführte Fensterfront sitzt<br />
wiederum auf der am Rand hochgezogenen<br />
Stahlbetonplatte wie auf einem<br />
Tablett mit erhöhtem Rand.<br />
Grundriss<br />
◂◂Den Gastraum<br />
mit Tonnendach<br />
trennt ein<br />
freistehender,<br />
flurseitig<br />
erschlossener<br />
Nebenraum<br />
vom …<br />
▴▴… Gastraum<br />
mit Zeltdach ab<br />
Amunt Architekten<br />
Bei Tag verschränkt sich das<br />
Grün mit dem Pavillon, indem es<br />
sich in der Glasfassade spiegelt. Um<br />
die Trauergäste vor neugierigen Blicken<br />
zu schützen, besitzen die Scheiben<br />
einen hohen Reflexionsgrad. Bei<br />
Dunkelheit allerdings wird die Fassade<br />
transparent und der Innenraum<br />
sichtbar. Lediglich der Fassadenabschnitt<br />
bei der Küche besitzt eine<br />
geschlossene Außenhaut: 60 mm<br />
dicke Furnierschichtholzplatten bekleiden<br />
80/200 mm dicke Furnierschichtholzrippen<br />
bzw. Massivholzrippen,<br />
deren Zwischenräume mit<br />
Mineralwolle gedämmt sind. Zum<br />
Innenraum hin schließt sich eine<br />
Dampfsperre an, dahinter folgt die<br />
Installationsebene mit zementgebundenen<br />
Faserplatten.<br />
95 mm dicke Brettsperrholzwände<br />
untergliedern die Innenräume und<br />
wirken dabei wie Schotten, die der<br />
Dachkonstruktion als Auflager dienen.<br />
Sie sind nur geschliffen und lasiert,<br />
um einen archaischen Eindruck<br />
zu erwecken. „Gleichzeitig brachte<br />
diese Konstruktion bei dem vorliegenden<br />
engen Budget einen weiteren<br />
Vorteil mit sich, nämlich den, dass<br />
der Rohbau bereits den Ausbau beinhaltet“,<br />
erläutert der Architekt. „Und<br />
nicht zuletzt kostet jede weitere Ausbauebene<br />
Platz, den wir nicht hatten.<br />
So aber wirkt der Raum trotz knapper<br />
Grundfläche großzügig.“<br />
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mikado 11.2012
Holzwelten <strong>Friedhofscafé</strong><br />
Brigida González<br />
Sichtbares Brettsperrholz spart<br />
Zeit, Geld und Platz<br />
Aufgrund der monolithischen Bauweise,<br />
die weitgehend ohne Verkleidungen<br />
auskommt, verlief der<br />
Bauablauf extrem zügig. Das gesamte<br />
Gebäude besteht aus 25 Elementen,<br />
die von dem beauftragten<br />
Holzbauunternehmen im Werk<br />
mit allen Falzen sowie mit Bohrungen<br />
und Fräsungen für die Elektroinstallation<br />
vorgefertigt wurden.<br />
Dachlandschaft und Innenräume<br />
▴▴Den Erschließungsflur<br />
belichtet<br />
ein leicht geneigtes<br />
Glasdach<br />
▸▸Zum Gastraum<br />
mit<br />
Pultdach orientiert<br />
sich der<br />
Tresen der Küche<br />
Nach dem Einbringen des Ortbetons<br />
der Bodenplatte konnte der Holzbau<br />
sofort beginnen. „Innerhalb einer<br />
Woche waren die Bauteile verschraubt“,<br />
erinnert sich Martenson.<br />
„Im Anschluss wurde nur noch die<br />
Balkenlage montiert und schließlich<br />
die Dachdeckung – ein Foliendach<br />
aus einer Kunstkautschukbahn – aufgebracht.“<br />
Da der Rohbau schon der<br />
Ausbau ist, war das Gebäude dann<br />
sehr schnell fertig. Das kam bei den<br />
Amunt Architekten<br />
Bauherren gut an. „Nur an den Spalten,<br />
die nun entstehen, weil das Holz<br />
im Innenraum trocknet, scheiden sich<br />
die Geister“, lächelt der Planer. „Die<br />
einen finden es zu urtümlich, die anderen<br />
einfach archaisch schön.“<br />
<br />
Christine Ryll, München ▪<br />
Steckbrief<br />
Bauprojekt:<br />
<strong>Friedhofscafé</strong><br />
D-52351 Düren<br />
Bauherr:<br />
Dürener Service Betrieb<br />
D-52349 Düren<br />
http://dn-sb.de<br />
Bauweise:<br />
Holzrahmenbau<br />
und Brettsperrholz<br />
Bauzeit:<br />
Februar 2010 bis März 2011<br />
Baukosten: 350 000 Euro<br />
Nutzfläche: 124 m²<br />
Architektur:<br />
Amunt Architekten Martenson<br />
und Nagel Theissen<br />
D-52066 Aachen /<br />
D-70372 Stuttgart<br />
www.amunt.info<br />
Holzbau:<br />
Mandelartz Schreinerwerkstätte<br />
D-52349 Düren<br />
www.thomas-mandelartz.com<br />
www.mikado-online.de 77