2011 - Deutsche Alpenvereinssektion Berchtesgaden

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fänger bis hin zu einem Bayerischen Alpenverein sowie der königlichen Kreisregierung von Niederbayern als letzte Ersatzempfängerin. Als Testamentsvollstrecker zur Durchführung seiner Anordnungen ernannte Kärlinger den königlichen Oberamtsrichter Albertus in Berchtesgaden. Er verband dies mit der Bitte, „dieses Amt und als Andenken meine diamantene Busennadel anzunehmen”. Schließlich bestimmte Kärlinger noch folgendes: „Nach Ablauf der zweihundertfünfzig Jahre hat die Alpenvereinssektion Berchtesgaden vor dem Kaerlingerhaus gegenüber dem See für mich ein Monument zu errichten”. Die gleiche Verpflichtung träfe laut Testament nach 250 Jahren unter anderem auch die „Marktgemeinde Berchtesgaden auf dem Franziskanerplatz”. Cajetan Kärlinger ist bald nach Errichtung seines Testaments verstorben, nämlich am 23. September 1918. Das Protokoll über die ordentliche Generalversammlung der Sektion vom 11. Dezember 1918 enthält folgende Feststellungen: „Zum Schluss seines Berichts gibt der Vorsitzende bekannt, dass der frühere, langjährige Vorsitzende Herr Regierungsrat Kärlinger eine Summe von 5.000,- Mark der Sektion mit Bedingungen vermacht habe, die auf krankhafte Veranlagung des Erblassers schließen lassen. Die Mitgliederversammlung betraut den Ausschuss mit den weiteren Verhandlungen über Annahme oder Ablehnung der Erbschaft”. Man sieht: Auch der damalige Vorsitzende pflegte die unter Bergfreunden hinzunehmende entwaffnende Offenheit. Aus Protokollen des Ausschusses wissen wir, dass damals zu dessen Mitgliedern unter anderem der von Kärlinger zum Testamentsvollstrecker berufene Oberamtsrichter Albertus zählte. Wir dürfen davon ausgehen, dass die Ausschussmitglieder die rechtliche Prüfung der Angelegenheit dem königlichen Oberamtsrichter anvertraut haben und dass dieser das noch junge BGB zu Rate zog. Nun besaßen die Väter des BGB genügend Menschenkenntnis, um zu wissen, wie ausgeprägt die Entschlossenheit mancher Erblasser ist, noch aus dem Grabe heraus ihren Nachfahren unabänderliche Weichen für die Zukunft zu stellen, etwa durch Bestimmungen, wonach Grundbesitz niemals verkauft oder belastet werden darf, oder durch Anordnungen, wie sie der verdiente Cajetan Kärlinger in seinem Testament getroffen hat. Deshalb haben sie die Wirksamkeit solcher Bestimmungen grundsätzlich auf 30 Jahre oder jedenfalls auf die beim Tod des Erblassers schon geborene Generation beschränkt. Eine solche Beschränkung haben sie aber nicht vorgesehen für Auflagen, wie sie Kärlinger in seinem Testament für die Geldanlage auf 250 Jahre gemacht hat. Wir wissen ebenso wenig wie damals der Oberamtsrichter, ob dies auf ein Versehen oder auf eine bewusste Entscheidung der Väter des BGB zurückzuführen ist. Vielleicht war jedoch der Oberamtsrichter Albertus bewandert genug in Geschichte, um zu wissen, dass die Erhaltung oder gar Mehrung von Geldvermögen über einen Zeitraum von 250 Jahren noch niemals und nirgends gelungen ist. Im Blick auf diese historische Erfahrung konnte der Jurist die Erfüllung der Auflagen Kärlingers zur Geldvermehrung als unmöglich qualifizieren. Sobald aber eine Auflage objektiv unerfüllbar ist, folgt daraus ihre rechtliche Unwirksamkeit. Damit war ein rechtlich 20

vertretbarer Weg eröffnet, das Geld anzunehmen und die Auflagen unbeachtet zu lassen. Denn § 2195 BGB bestimmt bis zum heutigen Tag in etwas holpriger Kanzleisprache: „Die Unwirksamkeit einer Auflage hat die Unwirksamkeit der unter der Auflage gemachten Zuwendung nur zur Folge, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser die Zuwendung nicht ohne die Auflage gemacht haben würde”. Einfacher ausgedrückt: Falls die Erfüllung der Auflage unmöglich und die Auflage deswegen unwirksam war, galt die Zuwendung im Zweifel dennoch. Infolgedessen hing alles von der Antwort auf die Frage ab, ob Kärlinger der Sektion gar nichts zugewendet hätte, wenn ihm klar gewesen wäre, dass sein Plan zur gigantischen Geldvermehrung unrealistisch und daher unerfüllbar war. Die Antwort konnte nur lauten: Dann hätte Kärlinger doch gleichwohl seine Sektion bedacht! Mit derartigen Überlegungen des Oberamtsrichters könnte der Sektionsausschuss sich juristisch ausreichend gerüstet gefühlt haben, um nach achtmonatiger Prüfung am 4. Juni 1919 ausweislich des Sitzungsprotokolls einstimmig den Beschluss zu fassen, „die Schenkung des verstorbenen Regierungsrates Kärlinger im Betrage von Mark 5.000 anzunehmen”. Von einer Erfüllung der Auflagen war dabei keine Rede mehr. Im Nachhinein kann man nur hoffen, dass die Sektion die Auflagen Kärlingers zur Geldanlage gänzlich missachtet und die 5.000 Mark schnell in eine ihrer Hütten investiert oder für andere Aufgaben verwendet hat. Denn bereits 1919 begann eine progressive Inflation, weil der Staat in den Anfangsjahren der Weimarer Republik rigoros die Geldmenge ausweitete, um Kriegsschulden zu bezahlen und die von den Siegern des Ersten Weltkriegs aufgebürdeten Reparationen aufzubringen. In Pfandbriefen angelegt hätte die Sektion im Oktober 1923 mit Kärlingers Vermächtnis nicht einmal mehr die Briefmarke für einen Inlandsbrief kaufen können, weil diese schon Anfang des Monats zwei Millionen Mark kostete. Der Gipfel der Geldentwertung war am 15. November 1923 erreicht, als 4,2 Billionen Mark einem US-Dollar entsprachen und die Währungsreform von dieser astronomischen Summe im Ergebnis 4,20 Reichsmark übrig ließ. (Quelle jeweils: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, Deutsche Inflation 1914- 1923). Weitaus früher als erahnt hatte die Entwicklung dem Entschluss der Sektion Recht gegeben, die Auflagen Kärlingers in den Wind zu schlagen. Selbst wenn 1923 von dem Vermächtnis noch ein paar Pfennige übrig geblieben und anschließend mit 4 % verzinslich angelegt worden wären, hätte die Währungsreform 1948 den erneut angesparten, ohnehin lächerlichen Betrag nochmals im Verhältnis 10 zu 1 entwertet. Kärlingers Verdienste bleiben von alledem unberührt. Unberührt bleibt aber auch seine weitere Auflage, ihm 250 Jahre nach seinem Tod, also im Herbst 2168, vor dem Kärlingerhaus gegenüber dem See ein Monument zu errichten. Denn die Erfüllung dieser Auflage ist nicht unmöglich, allerdings - falls § 2194 BGB dann noch gilt - nur erzwingbar, wenn sie im öffentlichen Interesse liegt und sich außerdem eine Behörde findet, die auf der Errichtung des Monuments besteht. Man wird sehen. Einstweilen ist und bleibt Kärlingers schönstes Denkmal das Kärlingerhaus, so wie es die Sektion über mehr als ein Jahrhundert erhalten, kontinuierlich erweitert, verbessert und verschönert hat. Dr. Hermann Amann 21

fänger bis hin zu einem Bayerischen Alpenverein sowie der königlichen Kreisregierung<br />

von Niederbayern als letzte Ersatzempfängerin.<br />

Als Testamentsvollstrecker zur Durchführung seiner Anordnungen ernannte Kärlinger<br />

den königlichen Oberamtsrichter Albertus in <strong>Berchtesgaden</strong>. Er verband dies mit<br />

der Bitte, „dieses Amt und als Andenken meine diamantene Busennadel anzunehmen”.<br />

Schließlich bestimmte Kärlinger noch folgendes: „Nach Ablauf der zweihundertfünfzig<br />

Jahre hat die <strong>Alpenvereinssektion</strong> <strong>Berchtesgaden</strong> vor dem Kaerlingerhaus gegenüber dem<br />

See für mich ein Monument zu errichten”. Die gleiche Verpflichtung träfe laut Testament<br />

nach 250 Jahren unter anderem auch die „Marktgemeinde <strong>Berchtesgaden</strong> auf dem Franziskanerplatz”.<br />

Cajetan Kärlinger ist bald nach Errichtung seines Testaments verstorben, nämlich am<br />

23. September 1918. Das Protokoll über die ordentliche Generalversammlung der Sektion<br />

vom 11. Dezember 1918 enthält folgende Feststellungen: „Zum Schluss seines Berichts<br />

gibt der Vorsitzende bekannt, dass der frühere, langjährige Vorsitzende Herr Regierungsrat<br />

Kärlinger eine Summe von 5.000,- Mark der Sektion mit Bedingungen vermacht<br />

habe, die auf krankhafte Veranlagung des Erblassers schließen lassen. Die Mitgliederversammlung<br />

betraut den Ausschuss mit den weiteren Verhandlungen über Annahme oder Ablehnung<br />

der Erbschaft”. Man sieht: Auch der damalige Vorsitzende pflegte die unter<br />

Bergfreunden hinzunehmende entwaffnende Offenheit.<br />

Aus Protokollen des Ausschusses wissen wir, dass damals zu dessen Mitgliedern unter<br />

anderem der von Kärlinger zum Testamentsvollstrecker berufene Oberamtsrichter Albertus<br />

zählte. Wir dürfen davon ausgehen, dass die Ausschussmitglieder die rechtliche<br />

Prüfung der Angelegenheit dem königlichen Oberamtsrichter anvertraut haben<br />

und dass dieser das noch junge BGB zu Rate zog.<br />

Nun besaßen die Väter des BGB genügend Menschenkenntnis, um zu wissen, wie ausgeprägt<br />

die Entschlossenheit mancher Erblasser ist, noch aus dem Grabe heraus ihren<br />

Nachfahren unabänderliche Weichen für die Zukunft zu stellen, etwa durch Bestimmungen,<br />

wonach Grundbesitz niemals verkauft oder belastet werden darf, oder durch<br />

Anordnungen, wie sie der verdiente Cajetan Kärlinger in seinem Testament getroffen<br />

hat. Deshalb haben sie die Wirksamkeit solcher Bestimmungen grundsätzlich auf<br />

30 Jahre oder jedenfalls auf die beim Tod des Erblassers schon geborene Generation<br />

beschränkt. Eine solche Beschränkung haben sie aber nicht vorgesehen für Auflagen,<br />

wie sie Kärlinger in seinem Testament für die Geldanlage auf 250 Jahre gemacht hat.<br />

Wir wissen ebenso wenig wie damals der Oberamtsrichter, ob dies auf ein Versehen<br />

oder auf eine bewusste Entscheidung der Väter des BGB zurückzuführen ist.<br />

Vielleicht war jedoch der Oberamtsrichter Albertus bewandert genug in Geschichte,<br />

um zu wissen, dass die Erhaltung oder gar Mehrung von Geldvermögen über einen<br />

Zeitraum von 250 Jahren noch niemals und nirgends gelungen ist. Im Blick auf<br />

diese historische Erfahrung konnte der Jurist die Erfüllung der Auflagen Kärlingers<br />

zur Geldvermehrung als unmöglich qualifizieren. Sobald aber eine Auflage objektiv<br />

unerfüllbar ist, folgt daraus ihre rechtliche Unwirksamkeit. Damit war ein rechtlich<br />

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