Lukas 11,1-4 - Diakonissen Speyer-Mannheim
Lukas 11,1-4 - Diakonissen Speyer-Mannheim
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Morgenandacht am Freitag, 22. Februar 2013<br />
in der Mutterhauskapelle der <strong>Diakonissen</strong> <strong>Speyer</strong>-<strong>Mannheim</strong><br />
<strong>Lukas</strong> <strong>11</strong>,1-4 – Das Vaterunser<br />
1 Und es begab sich, daß er an einem Ort war und<br />
betete. Als er aufgehört hatte, sprach einer seiner<br />
Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie auch<br />
Johannes seine Jünger lehrte.<br />
2 Er aber sprach zu ihnen: Wenn ihr betet, so<br />
sprecht:<br />
Vater!<br />
Dein Name werde geheiligt.<br />
Dein Reich komme.<br />
3 Unser tägliches Brot gib uns Tag für Tag<br />
4 und vergib uns unsre Sünden;<br />
denn auch wir vergeben allen, die an uns schuldig<br />
werden. Und führe uns nicht in Versuchung.<br />
Das etwas andere Vaterunser. Nach der Überlieferung<br />
im <strong>Lukas</strong>evangelium. Die Fassung, die wir<br />
kennen und immer beten, steht bei Matthäus. Ein<br />
bisschen ausführlicher als hier. Und schon im<br />
griechischen Text des Neuen Testaments sind in<br />
manchen Handschriften Teile aus dieser anderen<br />
Fassung hierher eingetragen worden. Damit die<br />
„richtige“ Fassung an beiden Stellen steht. - Hier<br />
eben die Kurzfassung des Vaterunser.<br />
Wie ist das mit dem Beten? Wie können wir, wie<br />
sollen wir beten? Herr, lehre uns beten.<br />
Das ist etwas anderes noch als die moderne Frage<br />
unserer Tage: Was hilft das Beten? Was bringt es?<br />
Wozu ist es gut?<br />
Auch nicht die Frage hier: Lohnt es sich überhaupt<br />
zu beten? Obwohl sich auch diese Frage uns<br />
vielleicht gelegentlich stellt. Wenn wir verzweifelt<br />
sind, gebetet haben, noch und noch, und es gab<br />
keine Antwort, wie wir sie uns gewünscht hätten, und<br />
keine, mit der wir etwas anfangen könnten. Unsere<br />
Lage scheint aussichtslos, und beten scheint kaum<br />
zu helfen.<br />
Aber um diese Frage geht es hier nicht. Nicht um die<br />
Frage nach Gottes Gerechtigkeit in einer<br />
ungerechten Welt. Daß Beten Sinn macht, ist hier<br />
vorausgesetzt. Weil man sich an Jesu Beispiel<br />
orientiert und ihn ja beten sieht. Wie wir alle beten<br />
gelernt haben, weil wir an anderen ein Beispiel<br />
gefunden haben, mehr oder weniger überzeugend,<br />
an Menschen in unserer Nähe und an Beispielen<br />
etwa aus der Bibel.<br />
Hier also die Frage: Wie können wir, wie sollen wir<br />
beten? Worum sollen wir beten, wenn wir recht<br />
beten? Herr, lehre uns beten.<br />
2<br />
Zunächst die Beobachtung: Es folgen nur Bitten in<br />
diesem Gebet, kein Dank, kein Lob, kein großer<br />
Chorschluss mit Preis und Jubel. Nur Bitten. Als ob<br />
das andere, der Dank und das Lob nicht so wichtig<br />
wären. Nicht für die Anleitung zum Beten.<br />
Schauen wir genauer hin, dann sind es allerdings<br />
doch zwei Blöcke von Bitten, zwei unterschiedliche<br />
Zielrichtungen.<br />
• Der eine Block richtet sich auf Gott und sein<br />
Reich, das kommt: Dein Name werde<br />
geheiligt. Dein Reich komme.<br />
• Der andere auf das physische Überleben und<br />
das Zusammenleben von Menschen: Unser<br />
tägliches Brot gib uns Tag für Tag und vergib<br />
uns unsre Sünden; denn auch wir vergeben<br />
allen, die an uns schuldig werden. Und führe<br />
uns nicht in Versuchung.<br />
Das Gebet beginnt mit dem Blick auf Gott. Nicht nur,<br />
daß es mit dem Wort Vater beginnt. Eine Anrede an<br />
Gott, in der alles Vertrauen liegt. Mit Gott kann ich<br />
per Du sein. Ihn ansprechen als einen, der für mich<br />
da ist. Mein Vater, der mir zugewandt ist und der<br />
etwas von mir erwartet, vielleicht auch fordert.<br />
Wenn ich bete, soll ich für Gottes Gottheit eintreten:<br />
Dein Name werde geheiligt. Ich soll und kann den<br />
Blick von mir weglenken, auf Gott hin. Auf Gott, der<br />
da ist in dieser Welt. Dann ist die Welt eben nicht<br />
mehr hoffnungslos, nicht mehr aussichtslos. Dann<br />
hat sie eine Hoffnung, einen Halt und ein Ziel. Dann<br />
ist der Prozess in dieser Welt spürbar: Gott schafft,<br />
was er will und was wir Menschen brauchen.<br />
Ich spüre: Die Perspektive dreht sich, wenn ich so<br />
bete. Ich schaue von mir selbst weg auf Gottes<br />
Macht, auf Gottes Heil. Da kann sich meine Situation<br />
verflüssigen. Da ist nichts mehr auf immer festgelegt.<br />
Da erwächst ein Veränderungspotential, mitten in<br />
meiner Welt. Eine heilsame Perspektive eröffnet<br />
sich.<br />
Da kommt das Ziel der Welt in den Blick, eine Welt,<br />
die ganz anders ist als das, was ich vorfinde. Dein<br />
Reich komme. Wenn ich so bete, wage ich es, zu<br />
den Sternen zu greifen. Und ich kann von dem her,<br />
was ich erwarte, was alle Welt erwartet, mein Leben<br />
prägen lassen. Trachtet zuerst nach dem Reich<br />
Gottes …, so wird euch solches alles zufallen, sagt<br />
Jesus in der Bergpredigt, Matthäus 6,33.<br />
3<br />
Der zweite Block von Bitten wendet sich dem<br />
täglichen Leben zu. Es geht nicht nur um die große<br />
Perspektive. Ich bitte um das tägliche Brot, das ich
auche, Tag für Tag. Nicht nur das tägliche Brot für<br />
heute, wie die andere Vaterunser-Fassung uns<br />
empfiehlt. Nein, für morgen auch, setzt das<br />
<strong>Lukas</strong>evangelium anders als Matthäus voraus, weil<br />
man sich schon darauf eingerichtet hat, daß es<br />
längere Zeit braucht, bis das Gottesreich anbricht.<br />
Ich brauche Nahrung heute und morgen, daß ich<br />
nicht verhungere. Um Luxus bete ich nicht. Den gibt<br />
Gott, wenn er will, dem einen oder anderen und von<br />
Zeit zu Zeit vielleicht noch obendrein. Aber das<br />
Lebensnotwendige, das brauche ich.<br />
Und ich brauche, so wie die Welt ist, auch die<br />
Vergebung meiner Schuld, sicher auch heute und<br />
morgen. Ich brauche es, daß andere mir vergeben<br />
und mich nicht immerzu behaften bei meinen<br />
Fehlern Und ich werde anderen vergeben müssen.<br />
Das ist einfach so. Und darum kann ich bitten. …<br />
vergib uns unsre Sünden; denn auch wir vergeben<br />
allen, die an uns schuldig werden.<br />
Da wird mir über meiner Suche nach Vergebung,<br />
nach Freiheit für mich bewusst, daß andere auch<br />
von meiner Vergebung leben. Das klingt sehr nach<br />
Handlungsanweisung: So sollt ihr leben, ihr sollt<br />
einander vergeben, allen vergeben, immer wieder.<br />
Meine Bitte vor Gott ist nicht zu trennen von meinem<br />
Verhalten, von der Art, wie ich anderen begegne. Da<br />
fängt Glaube an, strapaziös zu werden.<br />
macht, sondern der auf mich setzt und mich<br />
als sein Kind, als sein erwachsenes Kind<br />
leben lassen will.<br />
So ist diese einfache Anleitung zum Beten eine<br />
Anleitung zum Leben.<br />
• Auf Gott vertrauen,<br />
• Gottes neue Welt erwarten,<br />
• mir schenken lassen, was ich täglich<br />
brauche,<br />
• die Schuld ablegen und anderen vergeben<br />
• um die Kraft bitten, in Versuchungen zu<br />
bestehen.<br />
Auch wenn wir’s hundertmal gebetet haben, das<br />
Vaterunser, und es uns darüber in manchem zur<br />
Gewohnheit geworden ist, das ist sein Sinn: uns<br />
einzuüben in die Grundlagen, die basics eines ganz<br />
einfachen Christenlebens. Immer neu.<br />
Werner Schwartz,<br />
<strong>Diakonissen</strong> <strong>Speyer</strong>-<strong>Mannheim</strong><br />
Auch bei der nächsten, der letzten dieser Bitten,<br />
kommt das Leben in den Blick, das Leben in all<br />
seinen Facetten: … führe uns nicht in Versuchung.<br />
So ist das Leben nämlich, daß ich immer wieder<br />
versucht werde und versucht bin, von dem Weg<br />
abzuweichen, der mir gut ist, von Gottes Weg. Was<br />
kann mich da nicht alles versuchen: Materielles und<br />
Kulturelles, das Haben und das Denken wie die<br />
anderen, nicht nur wie die Welt, auch wie die<br />
Frommen … führe uns nicht in Versuchung. Die Bitte<br />
an Gott: Hilf mir, hilf uns, auf dem rechten Weg zu<br />
bleiben. Dazu gib uns Kraft, deine Kraft.<br />
4<br />
Wirklich das Wichtigste beisammen in diesem<br />
Gebet, kurz und knapp und leicht zu merken.<br />
• Von uns selbst auf Gott sehen. Uns auf seine<br />
Welt, sein Reich ausrichten. Hoffen für diese<br />
Welt und aus dieser Hoffnung leben.<br />
• Um das Notwendige heute und morgen und<br />
übermorgen bitten: Brot zum Leben, die<br />
Möglichkeit, von dem Schutt und Geröll<br />
loszukommen, das sich im Lauf des Lebens<br />
immer wieder auf unserem Weg anhäuft, und<br />
die Kraft, das Leben auf seinen<br />
verschlungenen Wegen zu bestehen.<br />
• Und darin und dazu auf Gott vertrauen, der<br />
der Vater ist. Nicht der Despot, der Angst