20.11.2013 Aufrufe

Montag 14.12.2009

Montag 14.12.2009

Montag 14.12.2009

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Mathematik für Ingenieure III, WS 2009/2010 <strong>Montag</strong> 14.12<br />

$Id: potential.tex,v 1.4 2009/12/14 15:55:24 hk Exp $<br />

§4 Potentialfelder<br />

4.1 Wegunabhängige Integrierbarkeit<br />

Definition 4.1: Seien U ⊆ R n offen und F : U → R n ein stetiges Vektorfeld. Dann<br />

heißt F ein Potentialfeld wenn für alle in U verlaufenden Kurven γ, δ mit gleichen<br />

Startpunkt und Endpunkt stets ∫ F · ds = ∫ F · ds ist.<br />

γ δ<br />

In anderen Worten sollen Kurvenintegrale über das Vektorfeld F also nur von Anfangsund<br />

Endpunkt des Integrationswegs abhängen. Anstelle von Potentialfeld“ sind auch<br />

”<br />

die Bezeichnungen konservatives Vektorfeld“ oder wegunabhängig integrierbares Vektorfeld“<br />

gebräuchlich. Wie wir bereits gesehen haben ist keinesfalls jedes Vektorfeld ein<br />

” ”<br />

Potentialfeld, es handelt sich um eine echte Bedingung an das Vektorfeld. Haben wir ein<br />

Potentialfeld auf einer offenen Menge U ⊆ R n , so ist es naheliegend für Kurvenintegrale<br />

über F den Integrationsweg gar nicht hinzuschreiben, sondern nur seinen Anfangs- und<br />

Endpunkt anzugeben, also so etwas wie ∫ q<br />

F (s) · ds mit p, q ∈ U zu schreiben. Damit<br />

p<br />

dieser Ausdruck für alle möglichen p, q ∈ U sinnvoll ist, brauchen wir das es überhaupt<br />

zu allen p, q ∈ U immer eine Kurve γ in U mit Startpunkt p und Endpunkt q gibt.<br />

Dies bedeutet gerade das die Menge U zusammenhängend ist, denn in §9.4 im letzten<br />

Semester hatten wir dies so definiert das sich je zwei Punkte in U sogar durch einen<br />

Streckenzug verbinden lassen.<br />

Definition 4.2: Eine Gebiet im R n ist eine offene, zusammenhängende und nicht leere<br />

Menge U ⊆ R n . Sind U ⊆ R n ein Gebiet, F : U → R n ein Potentialfeld und p, q ∈ U,<br />

so wählen wir eine Kurve γ in U mit Startpunkt p und Endpunkt q, und definieren<br />

∫ q ∫ q<br />

∫<br />

F · ds = F (s) · ds := F · ds.<br />

p<br />

p<br />

Mit dieser Schreibweise verhält sich das Integral über F dann so wie das eindimensionale<br />

Rieman-Integral, für alle p, q, r ∈ U ist nämlich nach §3.Satz 2.(c,d) stets<br />

∫ q<br />

p<br />

F (s) · ds +<br />

∫ r<br />

q<br />

F (s) · ds =<br />

∫ r<br />

p<br />

F (s) · ds und<br />

γ<br />

∫ p<br />

q<br />

F (s) · ds = −<br />

∫ q<br />

p<br />

F (s) · ds.<br />

Weiter ist ∫ p<br />

F (s) · ds = 0 für jeden Punkt p ∈ U, d.h. das Integral von F über eine<br />

p<br />

geschlossene Kurve ist immer Null. Dies ist tatsächlich gleichwertig dazu das F ein<br />

Potentialfeld ist<br />

∮<br />

F ist konservativ ⇐⇒ Für jede geschlossene Kurve γ in U ist F · ds = 0.<br />

γ<br />

14-1


Mathematik für Ingenieure III, WS 2009/2010 <strong>Montag</strong> 14.12<br />

Angenommen wir haben ein Vektorfeld F dessen Integral über<br />

jede geschlossene Kurve gleich Null ist. Seien dann γ, δ zwei<br />

beliebige Kurven mit gleichen Anfangs- und Endpunkt. Dann<br />

können wir die geschlossene Kurve<br />

ɛ := γ + δ −<br />

γ<br />

δ<br />

bilden, die zunächst γ entlangläuft und dann mit δ in umgekehrter<br />

Richtung zurückläuft. Nach unserer Voraussetzung an<br />

F ist dann<br />

∫ ∫ ∫ ∫ ∮<br />

F · ds − F · ds = F · ds + F · ds = F · ds = 0,<br />

γ<br />

δ<br />

γ<br />

δ − ɛ<br />

und somit ist tatsächlich ∫ F · ds = ∫ F · ds. Wir wollen jetzt einige Beispiele konservativer<br />

Vektorfelder durchgehen.<br />

γ δ<br />

Als ein einfaches Beispiel betrachten wir die Erdanziehung. Für die Menge U können<br />

wir dann etwa U := R 3 verwenden und die Erdanziehung wird durch das konstante<br />

Vektorfeld F (x, y, z) = −ge 3 beschrieben, wobei g die Erdbeschleunigung ist. Wenn<br />

wir ein Kurvenintegral ∫ F · ds betrachten, so hatten wir in §3.3 bereits festgehalten<br />

γ<br />

das dieses Kurvenintegral gerade die von F entlang des Weges γ geleistete Arbeit ist.<br />

In dieser Situation ist klar, das diese Arbeit nur von der Höhendifferenz des Start- und<br />

Endpunkts der Kurve abhängt. Dies kann man auch leicht nachrechnen<br />

∫<br />

∫ b<br />

F · ds = − gγ 3(t) ′ dt = g · (γ 3 (a) − γ 3 (b))<br />

γ<br />

a<br />

wobei γ 3 die z-Komponente von γ ist und [a, b] für das Definitionsintervall der Kurve γ<br />

steht. Damit ist insbesondere gezeigt das F ein Potentialfeld ist. Betrachten wir weiter<br />

die Funktion<br />

ϕ : U → R; (x, y, z) ↦→ −gz<br />

so können wir unsere Gleichung als<br />

∫ q<br />

p<br />

F · ds = ϕ(q) − ϕ(p)<br />

für alle Punkte p, q ∈ U lesen. Als ein zweites Beispiel betrachten wir einmal das<br />

Gravitationsfeld G eines fixierten Körpers K der Masse M, d.h. der Körper K wirkt<br />

auf eine Masse m im Punkt q die Kraft F = mG(q) aus. Schon in §3.2 hatten wir die<br />

Formel<br />

G(q) = −γM q<br />

|q| 3<br />

festgehalten, wobei wir uns den Körper K im Koordinatenursprung denken. Kurvenintegrale<br />

über das Gravitationsfeld G bedeuten dann wieder so etwas ähnliches wie<br />

geleistete Arbeit, wird ein Körper der Masse m längs der Kurve δ im Gravitationsfeld<br />

14-2


Mathematik für Ingenieure III, WS 2009/2010 <strong>Montag</strong> 14.12<br />

G bewegt, so ist W = m ∫ G · ds die vom Gravitationsfeld geleistete Arbeit. Insbesondere<br />

sollten die Kurvenintegrale wohl wieder nur vom Abstand des Anfangs- und<br />

δ<br />

Endpunkts der Kurve zum Nullpunkt abhängen. Dies rechnet man am bequemsten in<br />

Kugelkoordinaten nach. Nach §3.4 ist der Orstvektor in Kugelkoordinaten gleich re r ,<br />

das Gravitationsfeld schreibt sich also als<br />

G(r, φ, ψ) = − γM r 3 re r = − γM r 2 e r = − γM r 2 ∂<br />

∂r .<br />

Für die Kurve δ(t) = (r(t), φ(t), ψ(t)), a ≤ t ≤ b wird<br />

∫<br />

∫ b<br />

r ′ b<br />

(t) 1<br />

G · ds = −γM dt = γM r(t)<br />

2<br />

r(t) ∣ = γM<br />

Definieren wir also<br />

δ<br />

a<br />

ϕ(p) := γM<br />

|p| ,<br />

so haben wir erneut für alle p, q ∈ R 3 \{0} die Gleichung<br />

∫ q<br />

p<br />

G(s) · ds = ϕ(q) − ϕ(p).<br />

a<br />

( 1<br />

r(b) − 1 )<br />

.<br />

r(a)<br />

Diese Beispiele führen auf den Begriff von Potentialen eines konservativen Vektorfelds.<br />

Definition 4.3: Sei F ein auf einem Gebiet U ⊆ R n definiertes konservatives Vektorfeld.<br />

Ein Potential von F ist dann eine Funktion ϕ : U → R mit<br />

für alle p, q ∈ U.<br />

∫ q<br />

p<br />

F (s) · ds = ϕ(q) − ϕ(p)<br />

Da die ein Potential definierende Formel analog zur Berechnung des Rieman-Integrals<br />

einer Funktion f durch eine Stammfunktion F als ∫ b<br />

f(t) dt = F (b) − F (a) ist, spricht<br />

a<br />

man oft auch von einer Stammfunktion ϕ des konservativen Vektorfelds F . Auch die<br />

Bezeichnung Potentialfeld“ für das Potential ϕ kommt vor, man sollte das dann aber<br />

”<br />

nicht mit dem ebenfalls als Potentialfeld bezeichneten Vektorfeld F verwechseln.<br />

Genau wie Stammfunktionen einer reellen Funktion ist ein Potential bis auf eine<br />

additive Konstante eindeutig. Da nur Differenzen von ϕ auftauchen, ist die Summe<br />

eines Potentials und einer Konstanten wieder ein Potential von F . Ist umgekehrt der<br />

Funktionswert ϕ(p) = c in einem Punkt p ∈ U festgelegt, so ist für jedes andere q ∈ U<br />

auch<br />

ϕ(q) = ϕ(p) + (ϕ(q) − ϕ(p)) = c +<br />

∫ q<br />

p<br />

F (s) · ds<br />

eindeutig festgelegt. Diese Formel gibt uns umgekehrt auch eine erste Möglichkeit zur<br />

Berechnung von Potentialen. Man wählt willkürlich einen Punkt p ∈ U und einen<br />

14-3


Mathematik für Ingenieure III, WS 2009/2010 <strong>Montag</strong> 14.12<br />

Funktionswert c ∈ R im Punkt p, und definiert ϕ dann durch die obige Formel. Wenn<br />

es überhaupt ein Potential gibt, so muss dieses ϕ dann eines sein. Etwas unschön an<br />

dieser Formel ist noch, dass die Berechnung von ∫ q<br />

F · ds die Wahl einer Kurve von p<br />

p<br />

nach q erfordert. Ein einfacher Ansatz hierfür ist die Verbindungsstrecke<br />

γ(t) = p + t(q − p), 0 ≤ t ≤ 1,<br />

aber im Allgemeinen muss diese natürlich nicht ganz in U verlaufen. Mengen bei denen<br />

es ein passendes p ∈ U gibt so, dass all diese Strecken ganz in U sind, nennt man<br />

sternförmig.<br />

p<br />

p+t(q−p)<br />

q<br />

p<br />

Verbindungsstrecke nicht in U<br />

Sternförmige Menge<br />

Definition 4.4: Eine Menge A ⊆ R n heißt sternförmig bezüglich eines Punkts p ∈ A<br />

wenn für jeden Punkt q ∈ A auch die Verbindungsstrecke {p + t(q − p)|0 ≤ t ≤ 1} ⊆ A<br />

ganz in A liegt. Die Menge A heißt sternförmig wenn es einen Punkt p ∈ A gibt so,<br />

dass A bezüglich des Punkts p sternförmig ist.<br />

Haben wir ein bezüglich eines Punktes p ∈ U sternförmiges Gebiet U ⊆ R n , und ein<br />

konservatives Vektorfeld F auf U, so wird die obige Formel für ein Potential von F zu<br />

ϕ(q) =<br />

∫ q<br />

p<br />

F (s) · ds =<br />

∫ 1<br />

0<br />

F (p + t(q − p)) · (q − p) dt.<br />

Wenn es überhaupt ein Potential von F gibt, so muss dieses eines sein. Überprüfen wir<br />

einmal was sich im Beispiel der Erdanziehung ergibt. Der Einfachheit halber betrachten<br />

wir diese diesmal auf dem ganzen R 3 und nehmen p = 0. Es ergibt sich dann das uns<br />

schon bekannte Potential<br />

ϕ(x, y, z) =<br />

∫ 1<br />

0<br />

⎛<br />

⎝<br />

0<br />

0<br />

−g<br />

⎞<br />

⎛<br />

⎠ · ⎝<br />

x<br />

y<br />

z<br />

⎞<br />

⎠ dt = −gz.<br />

14-4


Mathematik für Ingenieure III, WS 2009/2010 <strong>Montag</strong> 14.12<br />

4.2 Gradientenfelder<br />

Wir wollen nun umgekehrt von einem Potential ϕ starten und daraus ein konservatives<br />

Vektorfeld berechnen dessen Potential dann ϕ ist. Schon im letzten Semester in §9.5<br />

hatten wir den Gradienten von ϕ als<br />

grad ϕ(x) :=<br />

⎛<br />

⎜<br />

⎝<br />

∂f<br />

∂x 1<br />

(x)<br />

.<br />

∂f<br />

∂x n<br />

(x)<br />

definiert, d.h. als den aus den partiellen Ableitungen von f gebildeten Vektor. Damit<br />

können wir jedem Skalarfeld ϕ auf einer offenen Menge U ⊆ R n als Ableitung das<br />

zugehörige Gradientenfeld F = grad ϕ : U → R n zuordnen. Aus dem letzten Semester<br />

kennen wir auch einige der geometrischen Eigenschaften des Gradientenfeldes:<br />

1. Sind x ∈ U und u ∈ R n , so gilt die Gleichung<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

ϕ ′ (x)u = grad ϕ(x) · u,<br />

die Ableitung von ϕ im Punkt x ist also durch skalare Multiplikation mit dem<br />

Gradienten in x gegeben.<br />

2. Das Gradientenfeld F = grad ϕ zeigt in jedem Punkt in die Richtung des stärksten<br />

Anstiegs des Potentials ϕ.<br />

3. Die Feldstärke |F (x)| ist in linearer Näherung der Betrag des Anstiegs von ϕ in<br />

Richtung von F .<br />

4. Das Gradientenfeld F steht senkrecht auf den Niveaumengen<br />

M c := {x ∈ U|ϕ(x) = c} (c ∈ R)<br />

von ϕ. Dies hatten wir zwar im letzten Semester nicht explizit festgehalten, es<br />

folgt aber leicht aus den damals beschriebenen Aussagen. Ist nämlich γ eine in<br />

einer Niveaumenge M c , c ∈ R verlaufende Kurve, also ϕ(γ(t)) = c für alle t im<br />

Definitionsbereich von γ, so folgt durch Ableiten in x = γ(t) mit der Kettenregel<br />

auch<br />

0 = d dt ϕ(γ(t)) = ϕ′ (x)γ ′ (t) = grad ϕ(x) · γ ′ (t) = F (x) · γ ′ (t),<br />

d.h. F (x) steht senkrecht auf allen in M c liegenden Kurven, und damit auf M c<br />

selbst.<br />

Wir wollen uns einmal zwei Beispiele zu diesen Eigenschaften des Gradientenfeldes<br />

anschauen. Wir beginnen mit<br />

14-5


Mathematik für Ingenieure III, WS 2009/2010 <strong>Montag</strong> 14.12<br />

30<br />

20<br />

1<br />

10<br />

–1<br />

y<br />

0.5<br />

0<br />

4<br />

3.5<br />

3<br />

2.5<br />

x<br />

2<br />

1.5<br />

1<br />

1<br />

0.5<br />

ϕ(x, y) = tan y<br />

x + x2 y + x3 + y 3<br />

3<br />

0<br />

–0.5<br />

y<br />

0<br />

–0.5<br />

–1<br />

1 1.5 2 2.5 3 3.5 4<br />

x<br />

Niveaumengen und grad ϕ<br />

Wir wollen uns auch noch ein dreidimensionales Beispiel<br />

ϕ(x, y, z) = z 2 x + y cos x − 2yz + z2<br />

2<br />

anschauen. Da wir auf die Graphen nicht ”<br />

von oben draufschauen“ können malen wir<br />

jeweils nur eine Niveaufläche M c und das Gradientenfeld<br />

6<br />

5<br />

4<br />

z<br />

3<br />

2<br />

1<br />

6<br />

5<br />

4<br />

z<br />

3<br />

2<br />

1<br />

6<br />

5<br />

4<br />

z<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

0<br />

1<br />

2<br />

3<br />

y<br />

4<br />

0<br />

0<br />

0 0<br />

0 0<br />

1<br />

1<br />

1<br />

1<br />

2<br />

2<br />

2<br />

2<br />

3<br />

3<br />

3<br />

3<br />

4<br />

x<br />

y<br />

4<br />

4<br />

x<br />

y<br />

5<br />

5<br />

5<br />

5<br />

6 6<br />

6 6<br />

4<br />

5<br />

5<br />

6 6<br />

c = 0 c = 5 c = 10<br />

4<br />

2<br />

3<br />

x<br />

1<br />

0<br />

Beachte wie die Niveaufläche für größer werdendes c der Gradientenrichtung folgt. Die<br />

im obigen Punkt (4) verwendete Formel können wir tatsächlich auch benutzen, um<br />

einzusehen das jedes Gradientenfeld konservativ ist. Sei nämlich ϕ : U → R eine stetig<br />

differenzierbare Funktion auf einem Gebiet U ⊆ R n . Wir betrachten das Gradientenfeld<br />

F = grad ϕ. Für jede ganz in U verlaufende Kurve γ : [a, b] → U haben wir dann<br />

∫<br />

γ<br />

F · ds =<br />

∫ b<br />

a<br />

grad ϕ(γ(t)) · γ ′ (t) dt =<br />

∫ b<br />

a<br />

14-6<br />

[ d<br />

dt ϕ(γ(t)) ]<br />

dt = ϕ(γ(b)) − ϕ(γ(a)).


Mathematik für Ingenieure III, WS 2009/2010 <strong>Montag</strong> 14.12<br />

Damit ist F ein konservatives Vektorfeld mit<br />

∫ q<br />

p<br />

F (s) · ds = ϕ(q) − ϕ(p)<br />

für alle p, q ∈ U und insbesondere ist das Skalarfeld ϕ mit dem wir gestartet sind ein<br />

Potential von F . Tatsächlich gilt auch die Umkehrung dieses Satzes, auf deren Beweis<br />

wir hier aber verzichten wollen.<br />

Satz 4.1 (Charakterisierung der Potenzialfelder)<br />

Seien U ⊆ R n ein Gebiet und F : U → R n eine stetiges Vektorfeld auf U. Dann ist F<br />

genau dann ein Potentialfeld wenn F ein Gradientenfeld ist, d.h. wenn es eine stetig<br />

differenzierbare Funktion ϕ : U → R mit F = grad ϕ gibt. Die Funktionen ϕ mit dieser<br />

Eigenschaft sind dann genau die Potentiale von ϕ.<br />

Insbesondere haben wir damit eine erste Methode zu entscheiden ob ein Vektorfeld F<br />

ein Potenzialfeld ist.<br />

Gegeben: Ein stetiges Vektorfeld F auf einem Gebiet U ⊆ R n .<br />

Aufgabe: Entscheide ob F ein Potentialfeld ist, und bestimme gegebenenfalls ein<br />

Potential von f.<br />

Verfahren: Wir gehen in den folgenden Schritten vor:<br />

1. Wähle einen Punkt p ∈ U, falls möglich so das U sternförmig zu p ist.<br />

2. Für jeden Punkt q ∈ U wähle eine Kurve γ mit Startpunkt p und Endpunkt q,<br />

und berechne die Zahl ϕ(q) := ∫ F (s) · ds. Typischerweise wird für γ entweder<br />

γ<br />

die Verbindungsstrecke von p nach q genommen oder eine Kurve die aus Stücken<br />

jeweils parallel zu einer der Koordinatenachsen zusammengesetzt ist.<br />

3. Berechne das Gradientenfeld grad ϕ und teste ob F = grad ϕ ist. Wenn ja, so ist<br />

F konservativ mit Potential ϕ und wenn nein so ist F nicht konservativ.<br />

Wir wollen dieses Verfahren einmal an den beiden zu Beginn dieses Kapitels angegebenen<br />

Vektorfeldern<br />

( )<br />

( )<br />

y<br />

y<br />

F (x, y) =<br />

und G(x, y) =<br />

y − x<br />

x − y<br />

durchführen. Wir hatten bereits gesehen, dass F definitiv kein Potentialfeld ist, und<br />

behauptet das G eines ist. Beide Vektorfelder sind auf U = R 2 definiert, und U ist<br />

sternförmig zu jedem Punkt. Wir führen jetzt das obige Verfahren für beide Vektorfelder<br />

durch und wählen p = 0. Das Kandidatenpotential ist dann für F<br />

ϕ(x, y) =<br />

∫ 1<br />

0<br />

(<br />

aber der Gradient von ϕ ist<br />

ty<br />

ty − tx<br />

) ( ) x<br />

· dt =<br />

y<br />

∫ 1<br />

( 0<br />

grad ϕ(x, y) =<br />

y<br />

0<br />

(txy + ty 2 − txy) dt = 1 2 y2<br />

)<br />

.<br />

14-7


Mathematik für Ingenieure III, WS 2009/2010 <strong>Montag</strong> 14.12<br />

Wie wir bereits wussten ist F also kein Potentialfeld. Für das Vektorfeld G rechnen<br />

wir<br />

∫ 1<br />

( ) ( ) ∫<br />

ty x 1<br />

ψ(x, y) =<br />

· dt = (txy+txy−ty 2 ) dt = 1 tx − ty y<br />

2 (2xy−y2 ) = xy− 1 2 y2 ,<br />

0<br />

und diesmal ist tatsächlich<br />

grad ψ(x, y) =<br />

0<br />

( y<br />

x − y<br />

)<br />

= G(x, y).<br />

Das Vektorfeld G ist also wirklich ein Potentialfeld und ψ ist ein Potential von G.<br />

Das F nicht konservativ ist, kann man auch deutlich daran sehen das F (x, y) nicht<br />

senkrecht auf den Niveaumengen ϕ(x, y) = c ist.<br />

4<br />

4<br />

y<br />

2<br />

y<br />

2<br />

–4 –2 0<br />

2 4<br />

x<br />

–4 –2 0<br />

2 4<br />

x<br />

–2<br />

–2<br />

–4<br />

F (x, y) und Niveaumengen y 2 = 2c<br />

–4<br />

G(x, y) senkrecht auf ψ(x, y) = c<br />

4.3 Das Potentialkriterium<br />

Im Prinzip können wir mit dem Verfahren des letzten Abschnitts von jedem Vektorfeld<br />

feststellen ob es konservativ ist oder nicht. Falls das Vektorfeld allerdings nicht konservativ<br />

war, ist die versuchsweise Berechnung eines Potentials im Nachhinhein recht viel<br />

unnötiger Aufwand. Das in diesem Abschnitt vorgestellte Potentialkriterium erlaubt es<br />

schon im Vorwege zu entscheiden ob ein Vektorfeld ein Potentialfeld ist oder nicht.<br />

Ist F = (F 1 , . . . , F n ) ein stetig differenzierbares Potentialfeld, so gibt es nach Satz<br />

1 ein Potential ϕ mit F = grad ϕ, d.h. für 1 ≤ i ≤ n ist F i = ∂ϕ/∂x i . Für verschiedene<br />

14-8


Mathematik für Ingenieure III, WS 2009/2010 <strong>Montag</strong> 14.12<br />

Indizes 1 ≤ i, j ≤ n, i ≠ j folgt mit Satz 10.1 aus dem letzten Semester<br />

∂F i<br />

∂x j<br />

=<br />

∂2 ϕ<br />

∂x i ∂x j<br />

=<br />

∂2 ϕ<br />

∂x j ∂x i<br />

= ∂F j<br />

∂x i<br />

,<br />

und dies ist somit eine notwendige Bedingung dafür das F konservativ ist. Dies ist das<br />

sogenannte<br />

Potentialkriterium für F (x) = F 1 (x) ∂<br />

∂x 1<br />

+ · · · + F n (x) ∂<br />

∂x n<br />

:<br />

Speziell für n = 2 bedeutet dies<br />

Für alle 1 ≤ i < j ≤ n ist ∂F i<br />

∂x j<br />

= ∂F j<br />

∂x i<br />

.<br />

Potentialkriterium für F (x, y) = f(x, y) ∂<br />

∂x + g(x, y) ∂ ∂y :<br />

∂f<br />

∂y = ∂g<br />

∂x<br />

und für n = 3 wird die Bedingung zu<br />

Potentialkriterium für F (x, y, z) = f(x, y, z) ∂<br />

∂x + g(x, y, z) ∂ ∂y + h(x, y, z) ∂ ∂z :<br />

∂f<br />

∂y = ∂g<br />

∂x , ∂f<br />

∂z = ∂h<br />

∂x<br />

und<br />

∂g<br />

∂z = ∂h<br />

∂y .<br />

Das Potentialkriterium ist zunächst nur eine notwendige Bedingung, d.h. wenn F ein<br />

Potentialfeld ist, so erfüllt F auch das Potentialkriterium, aber nicht unbedingt umgekehrt.<br />

Wir betrachten zum Beispiel das folgende Vektorfeld auf U = R 2 \{0}<br />

Dann gilt<br />

und<br />

F (x, y) =<br />

(<br />

∂<br />

−<br />

y )<br />

∂y x 2 + y 2<br />

( −<br />

y )<br />

x 2 +y 2<br />

x =<br />

x 2 +y 2<br />

x ∂<br />

x 2 + y 2 ∂y −<br />

y<br />

x 2 + y 2<br />

∂<br />

∂x .<br />

= − x2 + y 2 − 2y 2<br />

(x 2 + y 2 ) 2 = y2 − x 2<br />

(x 2 + y 2 ) 2<br />

∂ x<br />

∂x x 2 + y = x2 + y 2 − 2x 2<br />

= y2 − x 2<br />

2 (x 2 + y 2 ) 2 (x 2 + y 2 ) = ∂ (<br />

−<br />

y )<br />

,<br />

2 ∂y x 2 + y 2<br />

das Vektorfeld F erfüllt also das Potentialkriterium. Wir betrachten jetzt die Kurve<br />

γ, die n ∈ Z mal im Abstand R > 0 um den Nullpunkt läuft, also γ(t) =<br />

(R cos(nt), R sin(nt)), 0 ≤ t ≤ 2π. Es ist<br />

F (γ(t)) = 1 R<br />

( − sin(nt)<br />

cos(nt)<br />

)<br />

( − sin(nt)<br />

und γ ′ (t) = nR<br />

cos(nt)<br />

14-9<br />

)


Mathematik für Ingenieure III, WS 2009/2010 <strong>Montag</strong> 14.12<br />

also<br />

∮<br />

γ<br />

F (s) · ds =<br />

∫ 2π<br />

0<br />

n dt = 2πn,<br />

und somit ist F kein Potentialfeld obwohl F das Potentialkriterium erfüllt. Um besser<br />

zu sehen was hier passiert schreiben wir das Vektorfeld F in Polarkoordinaten um<br />

F (r, φ) = − sin φ<br />

r<br />

= − sin φ<br />

r<br />

∂<br />

∂x + cos φ ∂<br />

r ∂y<br />

(<br />

cos φ ∂ ∂r − sin φ<br />

r<br />

)<br />

∂<br />

∂φ<br />

+ cos φ<br />

r<br />

(<br />

sin φ ∂ ∂r + cos φ<br />

r<br />

)<br />

∂<br />

∂φ<br />

= 1 r 2 ∂<br />

∂φ .<br />

Integrieren wir dies längs einer Kurve γ(t) = (r(t), φ(t)), a ≤ t ≤ b in Polarkoordinaten,<br />

so wird<br />

∫<br />

∫ b<br />

F (s) · ds = φ ′ (t) dt = φ(b) − φ(a),<br />

γ<br />

a<br />

und dies scheint doch nur von Anfangs- und Endpunkt von γ abzuhängen. Dies ist<br />

aber nur eine Täuschung, die Polarkoordinate φ ist ja auf ganz R 2 \{0} nur bis auf<br />

additive Vielfache von 2π festgelegt. Damit ist es auch kein Zufall das bei unserem oben<br />

berechneten Kurvenintegral ∮ F · ds gerade ein Vielfaches von 2π herausgekommen<br />

γ<br />

ist. Schränken wir uns für φ auf ein Intervall der Länge 2π ein, so gibt es dagegen ein<br />

Potential nämlich ϕ(φ, r) = φ in Polarkoordinaten. Damit ist F beispielsweise auf der<br />

geschlitzten Ebene C − = C\R ≤0 ein Potentialfeld und das Argument φ = ϕ(x, y) von<br />

(x, y) ist ein Potential. Bei der Umkehrung des Potentialkriteriums ist nicht so sehr<br />

das Vektorfeld F das Problem, sondern die Menge U auf der es definiert ist.<br />

14-10

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!