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Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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Zum <strong>Totemismus</strong> der Pygmäen<br />

Der <strong>Totemismus</strong> der Ituri-Pygmäen, welche genuine Wildbeuter sind, bestätigt auf erstaunliche<br />

Weise die Hypothese von Radcliffe-Brown über den <strong>Totemismus</strong>, nach der die Anwendung<br />

eines Systems natürlicher Kategorien auf die komplementären (ergänzenden) Einheiten, welche<br />

eine nach Deszendenzgruppen segmentär differenzierte Gesellschaft politisch integrieren, den<br />

<strong>Totemismus</strong> hervorbringt. Schebesta konstatierte nämlich den <strong>Totemismus</strong> bei den Bambuti<br />

und stellte überraschend fest: "Mir ist kein Pygmäenclan untergekommen, der nicht totemistisch<br />

gewesen wäre. Ein jeder hatte sein Totem, gewöhnlich ein Tier, mit dem man sich<br />

verwandt wähnte." 134<br />

Clan Totemtier<br />

Abfoba Butu- Vogel<br />

Aforoba Schimpanse<br />

Atasipa Beia- Schlange<br />

Mantau Solio(Wassertier)<br />

Sasu-Pflanze<br />

Apefa Leopard<br />

Totemclans einer bestimmten Region<br />

des Ituri- Waldes<br />

Der Totemclan setzt sich aus verschiedenen patrilinearen<br />

Sippen (will sagen: Lokalgruppen) zusammen, die<br />

exogam sind, und fungiert als endogame Einheit, quasi<br />

als Symbol eines Connubiums. "Zum Totemclan gehören<br />

mehrere Sippen, die infolge gemeinsamen Totems<br />

einander näherstehen und oft verschwägert sind." 135<br />

Sippenverschwägerung kann in diesem Kontext nur<br />

Heiratsallianz heißen, d.h. die gegenseitige Definition<br />

oder Bevorzugung von Sippen als Schwäger. Aber dieses<br />

Verhältnis, ein Schwiegerverhältnis, erscheint solange<br />

nicht rechtsverbindlich, wie die Sippen sich selbst nicht als korporative Gruppen patrilinearer<br />

Deszendenz konstituieren. Andererseits weist Schebesta auch daraufhin, daß gleichfalls<br />

bei den Bambuti die Clanexogamie gepflegt wird, die allerdings keine Pflicht ist. Verbindlich ist<br />

allein die Sippenexogamie (Lokalexogamie). "Clan-Exogamie... wurde vielfach geübt; Sippen-<br />

Exogamie dagegen ist stets bindende Regel und Gebot." 136 Mit der Heirat ist außerdem die<br />

Regel virilokaler Residenz verbunden. "Eigentlich besteht die Sippe nur aus den männlichen<br />

Verwandten, da diese stets ihre Glieder bleiben, während die Weiblichkeit in eine<br />

außenstehende Sippe einheiratet, wodurch sie rechtlich zwar nicht aus der Vatersippe scheidet,<br />

wirtschaftlich jedoch für sie verloren geht." 137<br />

Der übliche Modus der Heiratsallianz ist der Schwesterntausch, den die Bambuti "Kopf für<br />

YA xa YB xb<br />

YC xc YA xa YB xb YD xd<br />

YC xc YA xa YB xb YD xd<br />

Kopf" 138 nennen. Während Schebesta 1932 noch die freie Gattenwahl besonders herausstellt,<br />

weist er 1936 daraufhin: "Bedeutsam bei Schließung der Ehen ist der Einfluß der Sippe, die<br />

selbstsüchtig auf ihren Vorteil und ihre Festigung bedacht ist." 139 Die Allianzinteressen der Sippen<br />

bestimmen also ihre Heiratspolitik und der Schwesterntausch (Schebesta spricht von<br />

Tauscheirat) sekundiert diese Politik aufs Beste, wie man dem folgenden Schema dieses Hei-<br />

134 P.Schebesta, Der Urwald ruft wieder, Salzburg, Leipzig 1936, S.104<br />

135 P.Schebesta, Bambuti, Leipzig 1932, S.110<br />

136 P.Schebesta, Bambuti, ibid, S.110<br />

137 P.Schebesta, Bambuti, ibid, S.109<br />

138 P.Schebesta, Bambuti, ibid, S.109<br />

139 P.Schebesta, Der Urwald ruft wieder, ibid, S.86<br />

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