Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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Familie mit spezifischen Spezies verbindet, über die seine Familie von den anderen Familien<br />
wohl zu unterscheiden ist, weicht von der üblichen Vererbung der Familienseelentiere und des<br />
Fundorts der Familienseelen ab, die mütterlicherseits erfolgt.<br />
Josef Haekel beschreibt diesen Glauben der Ost-Semang oder Menri: "Es war alter Brauch,<br />
MuVa<br />
Geburtsbaum I<br />
Seelenvogel I<br />
MuMu<br />
Geburtsbaum II<br />
Seelenvogel II<br />
Va Mu MuBr MuBrFr<br />
Ma Ego (Fr) Br<br />
To<br />
So<br />
daß die werdende Mutter<br />
den nächsten Baum besucht,<br />
der zur Spezies jenes<br />
Baumes gehört, unter dem<br />
sie selbst geboren worden<br />
war. Sie behängt ihn mit<br />
Blättern und Blüten. Die<br />
präexistente Kinderseele<br />
wartet in Gestalt eines<br />
Vogels auf dem Baum. Dieser<br />
Vogel wird von der<br />
Frau getötet und gegessen.<br />
Der Vogel, der die Kinderseele<br />
trägt, wohnt also auf dem Baum, der dem Geburtsbaum der Mutter entspricht. Die<br />
Seelen der erstgeborenen Kinder sind stets Vögel, Nachkommen jenes Vogels, der einst die<br />
Seele der Mutter trug. Die Vögel erhalten aber die Kinderseelen vom Hoch- und Donnergott<br />
Karei." 131 Geburtsbaumspezies und Vogelspezies werden in der Familie also matrilinear vererbt,<br />
während der Schutzgeist des Schamanen patrilinear vererbt wird und die Verwandtschaftsordnung<br />
der Negritos bilateral ist.<br />
Spezies<br />
Baumart<br />
Vogelart<br />
matrilat. Verwandte<br />
Gruppe<br />
Exemplar<br />
besonderer Baum<br />
besonderer Vogel<br />
Mu, To, So etc.<br />
Person<br />
Die Geburtsbaumspezies und die Seelenvogelart<br />
gestatten es, jede Lokalgruppe und jede größere<br />
Siedlungseinheit dieser Negritopopulation, die<br />
sich nicht nach Abstammungsgruppen differenziert,<br />
nach Gruppen zu unterscheiden, welche<br />
sich die Sepzies eines Geburtsbaumes und eines<br />
Seelenvogels teilen, und welche diese Funktion<br />
der Differenzierung nach Abstammungsgruppen sofort übernehmen könnten, wenn das gesellschaftliche<br />
Bedürfnis nach einer übergreifenden sozialen Integration dieser möglichen Differenzierung<br />
nach matrilinearen Deszendenzgruppen aufkommen würde. Dieser Personenkreis<br />
assoziiert sich in direkter Linie mit MM, M, T, TT und deren männlichen Geschwistern, deren<br />
Geburtsbaum und Seelenvogel aber in ihrer eigenen Familie keine Rolle spielt.<br />
Seelenvögel<br />
til-tol-tepak (Kuckuck)<br />
chimioi (Melanochlora flavicristata)<br />
sulor (?)<br />
wah (?)<br />
tu tuag (?)<br />
hong juan (?)<br />
etc<br />
Gruppe<br />
schwangere Frauen<br />
unverheiratete Jungen<br />
unverheiratete Mädchen<br />
kleine Kinder<br />
Schildkrötenfänger<br />
Fischfängerhersteller<br />
etc<br />
Das Abbildungsverhältnis von<br />
Baum-Exemplar und Baum-Art<br />
sowie Vogel-Exemplar und<br />
Vogel-Art zeigt den Außenseelenglauben<br />
als einen Gruppenkult,<br />
weil es ein Verhältnis herstellt<br />
zwischen den Besitzern<br />
einzelner Außensseelen zu der<br />
Gruppe jener, welche ihre<br />
Außenseelen (Exemplare) von der gleichen Spezies beziehen. Auch diese Option der Klassifizierung<br />
von Personen und Gruppen in natürlichen Kategorien (Exemplar, Spezies) ist<br />
beispielhaft für die Matrix der operativen Alternativen, mit der Levi-Strauss, die Formen des<br />
<strong>Totemismus</strong> zu unterscheiden unternahm (siehe oben).<br />
Wird nun in diesem Kontext auch noch der Begriff der biologischen Ordnung berücksichtigt,<br />
131 J.Haekel, Zum Individual- und Geschlechtstotemismus in Australien, Wien 1950, S.56<br />
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