Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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forces are moral forces, its values moral values; its order is a moral order." 121<br />
Genauso wie die Wahrung der Regeln die familäre und zwischenfamiliäre Solidarität aufrechterhält,<br />
genauso garantiert die Einhaltung der Regeln Pulugas das solidarische Verhältnis<br />
des Menschen zur Natur. So wie die Unterbrechung der Reziprozität oder des Ausgleichs der<br />
Ansprüche in der Familie und zwischen den einst befreundeten Familien die Solidarität aufhebt,<br />
Puluga (Biliku)<br />
Höchstes Wesen<br />
oben Schöpfer<br />
Himmel<br />
Mensch und Tier Mitte Mittelwesen<br />
Wald Flachland Seen<br />
unten böse Geister<br />
Erem Chaugala Nili Juruwin<br />
so führt die Abweichung<br />
des Menschen<br />
von Pulugas<br />
Regeln zu den feindseligen<br />
Reaktionen der<br />
Natur, d.h. zu den Anschlägen<br />
der bösen<br />
Geister: der Tod im<br />
Wald geht auf einen Anschlag Erem Chaugalas zurück, den Tod im See hat Juruwin verursacht.<br />
Die Dürre ist das Resultat einer Rache der Schildkröte, die von dem Honigvogel betrogen<br />
worden ist, und deshalb alles Wasser der Erde getrunken hat. Sie hört erst dann wieder<br />
auf, wenn die Schadenfreude die Schildkröte verleitet, vor Freude zu tanzen. Erst während<br />
dieses Tanzes der Schadenfreude fließt das von der Schildkröte aufgetrunkene Wasser aus ihren<br />
Öffnungen wieder heraus und befruchtet die Erde neu. Auch hier erscheint die Kraft des<br />
Tanzes als eine Kraft der Anbahnung der Solidarität, weil der Tanz die Schadenfreude überwindet,<br />
während die Schadenfreude als unmoralisch gezeichnet wird, die überwunden werden<br />
muß.<br />
Die Naturereignisse sind das Ergebnis der als Personen handelnden Mächte der Natur, die sich<br />
entweder solidarisch oder feindselig begegnen. Die Welt erscheint als ein System der<br />
Erscheinungen, die hervorgebracht werden durch persönliche Mächte, welche zu Familien verbunden<br />
sind und die mit dem Wechsel der Beziehungen von der Solidarität zur Feindschaft und<br />
von der Feindschaft zur Solidarität ihre Formen verändern; die Welt erscheint als ein System,<br />
das durch Ungehorsam und Wiedergutmachung in seiner Ordnung gehalten wird, das aber geschaffen<br />
wurde durch Schöpferkraft und Urzeugung und dessen Variantenreichtum auf<br />
Veränderungen durch Herstellung und Verwandlung zurückgeht. Die Welt erscheint als die<br />
Interaktion göttlicher und menschlicher Familien und der Familien böser Geister, welche sie mit<br />
ihrem Ringen in dem jeweiligen Zustand halten, in dem sie gerade erscheint: bedrohlich,<br />
feindlich, katastrophal oder freigiebig mit Früchten und Wildpret, freundlicher Witterung und<br />
günstigem Klima. In diesem System der Interaktion kommt dem Menschen eine besondere<br />
Rolle zu, denn Pulugas Sippschaft und die der bösen Geister begegnen sich nur über ihre<br />
Beziehung zum Menschen, der ihre Interventionen unmittelbar veranlaßt oder indirekt<br />
ermöglicht.<br />
Die Mitte der Welt, der Lebensraum von Mensch, Tier und Pflanze erscheint als Gegenstand<br />
des Streites zwischen den göttlichen Familien (oben) und den Familien der bösen Geister<br />
(unten), während der Mensch durch sein Verhalten den Kampf um diesen Schatz entscheidet.<br />
Der Mensch bestimmt, ob die Welt durch die Zwietracht oder die schöne Ordnung des Alls<br />
regiert wird, weil nur er allein unter den irdischen Wesen seine egoistischen Triebe zugunsten<br />
solidarischer Gefühle zu unterdrücken vermag.<br />
Nur wenn der Mensch seine antisozialen Triebe unterdrückt, kann er die Welt in der schönen<br />
Ordnung halten, aus der sie ständig herauszufallen droht, weil einst die Ahnen in dieser Bemühung<br />
versagt haben. "The origin of the catastrophe that seperated the once united ancestors<br />
into animals and human beings is thus traced to the fact that they could not live together<br />
sociably and in harmony." 122 Ein allgemeiner Krieg der Ahnen verursachte ihre Trennung und<br />
121 A.R.Radcliffe-Brown, The Andaman Islanders, ibid, S.384-5<br />
122 A.R.Radcliffe-Brown, The Andaman Islanders, ibid, S.349<br />
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