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Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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Unvorhersehbarkeit und Riskiertheit tragen wie alle Erscheinungen der Natur, weshalb das<br />

Weltbild dieser Kultur von dieser Realität des Unvorhersehbaren, des Überraschenden als Projektionsraum<br />

präokkupiert wird, zu dem die Familie und ihre Solidarität als einzige Gewißheit<br />

in dem denkbar größten Gegensatz steht. Das Maß der Überraschung durch die natürlichen<br />

Ereignisse sinkt mit dem Erfolg der Vergewisserung der Natur in der Form der Personifizierung<br />

oder Identifizierung. Die Versicherung des Natürlichen ebenso wie die Erfahrung<br />

seiner Unberechenbarkeit werden sichtbar in der Sphäre möglicher Verwandlungen des<br />

Natürlichen in das Menschliche und des Menschlichen in das Natürliche. Die Instabilität der<br />

Verwandlungen reflektiert das instabile Verhältnis zur Natur oder besser: das Ausmaß ihres<br />

Widerstandes gegenüber allen Integrationsversuchen in das Menschliche.<br />

Körper und Temperament als Maß aller Dinge:<br />

Stamm Section Bedeutung<br />

Karierra ngarra Gesicht<br />

Ngarluma ngarra Gesicht<br />

Tjururu kuru Auge<br />

Lardil lelka Kopf<br />

t´urel Haar<br />

C.G. von Brandenstein, ibid, S.39<br />

Eskimos, Andamanen, Pygmäen und<br />

Buschmänner führen die für sie schädlichen<br />

Naturereignisse auf Handlungen von sich<br />

selbst zurück, die man als Gebotsübertretung,<br />

als abweichendes Verhalten oder unsolidarisches<br />

Handeln begreifen kann und reflektieren<br />

die Naturereignisse als korrespondierende<br />

Reaktionen auf ihr Verhalten, d.h. sie reflektieren<br />

ihr Verhältnis zur Natur im strengen<br />

Sinne ökologisch, denn die Natur reagiert immer auf ihr Verhalten, sei es im positiven wie im<br />

negativen Sinne. Der moralische Ton dieser Urkonzeption des Ökologischen geht auf eine kausale<br />

Selbstüberschätzung, die mit der spezifischen Selbstverabsolutierung der relativ isolierten<br />

Gruppen zusammenhängt, zurück, aber durchaus logisch begründet ist. Wenn sich die<br />

umgreifende Welt regulär in dem Spiel einer dem Menschen nur schwer verständlichen, aber<br />

schönen Ordnung zeigt, in der er selbst Stellung bezieht und seine Stellung zu begreifen sucht,<br />

dann kann die Unordnung, wann immer sie erscheint, nur durch sein Verhalten verursacht<br />

worden sein, weil nur der Mensch sich als das Wesen erfahren kann und erfahren hat, das<br />

Regeln oder Gesetze bricht (was natürlich auch für die Göttlichen, allerdings in einem anderen<br />

Sinne gilt), weil nur der Mensch bestimmen kann, welchen Fremden er aus der Natur heraus in<br />

sein Menschsein integriert. Das Tier erscheint immer nur dann im moralischen Sinne als böse,<br />

wenn die Göttlichen sich seiner bedienen, um den Menschen zu strafen, d.h. als Projektion oder<br />

Vergegenständlichung seiner eigenen Verfehlungen. In dieser Rolle erscheint es als der gefallene<br />

Mensch und als das Symbol seines Falls. Diese Weltanschauung, so erklärt Radcliffe-<br />

Brown, liefert die Kategorien, derer sich der <strong>Totemismus</strong> bedienen wird und nur bedienen<br />

kann, obwohl sie selbst nicht totemistisch ist.<br />

aktiv passiv<br />

kaltblütig Pannaga Purungu couple<br />

warmblütig Karimerra Palt´arri couple<br />

Zweiheit Zweiheit<br />

Auch 1951 rekurriert Radcliffe-Brown<br />

auf diesen Ansatz als das Problem "of<br />

the way in which in a particular<br />

society the relation of human beings to<br />

natural species is represented, and as<br />

a contribution to this problem I have<br />

offered an analysis of the non- totemic Andaman Islanders." 86 Den Hinweis auf die<br />

Konzentration des Denkens auf das Verhältnis des Menschen zur Natur in Kulturen, die man<br />

durch ihre vergleichbare Stellung zur Natur als Wildbeuter- und hortikale Kulturen zusammenfassen<br />

kann, kann man nicht weiter verfehlen als Levi-Strauss, der behauptet: "Nach der ersten<br />

Theorie Radcliffe-Browns wird ein Tier wie für Malinowski erst >totemistischgut<br />

zu essen< ist." 87 Der Versuch von Levi-Strauss, den Rückgriff Radcliffe-Browns auf das<br />

ritualisierte Verhältnis zur Natur, das für die Wildbeuterkulturen typisch ist und eine<br />

86 A.R.Radcliffe-Brown, The Comparative Method in Social Anthropology, ibid, S.17<br />

87 C.Levi- Staruss, Das Ende des <strong>Totemismus</strong>, ibid, S.82<br />

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