Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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nung fest. Eine der Kompetenz freigestellte Empfängnis des Individualtotems gehört dagegen<br />
dort nur zu den Privilegien des Schamanen, dem dazu auch mehrere Tiere zur Verfügung stehen<br />
können.<br />
Man kann zwar, wie Levi-Strauss 67 es macht, das System der Ojibwa-Totems von dem religiösen<br />
System, das er "System Manitu" nennt, unterscheiden, aber diese beiden Systeme lassen<br />
sich nicht in jene Opposition setzen, in die sie Levi-Strauss gebracht hat, um wahrscheinlich zu<br />
machen, daß die Schutzgeistkonzeption das Totemsystem der Ojibwa nicht berührt. Wie<br />
A.Lang, will auch er dem "personal totem" den Status des Totems absprechen, weil ihm wie<br />
jenem auch die soziale Funktion dieses Totems entgangen ist. Die Symmetrie, die sein axiales<br />
Schema suggeriert, mit dem er seine Argumentation vorstellt, verdankt sich einer willkürlichen<br />
Vernachlässigung aller landgebundenen Totemtiere und der ebenso willkürlichen Zuordnung<br />
der Schlangen in das "Manitu-System", obwohl die Schlangen die Totems der Medizinmann-<br />
Clans darstellen, und deshalb zum Totemsystem gehören. Stellt man das richtig, dann verliert<br />
das Schema von Levi-Strauss seine Beweiskraft.<br />
Der Mythos, den Levi-Strauss als Ursprungsmythos der 5 Haupttotems der Ojibwa zitiert, begründet<br />
nicht die 5 Totemclans, sondern die speziellen Funktionen, die sie seit dem zitierten<br />
Ereignis ausüben, und durch die sie sich voneinander unterscheiden: Leitung, Kriegsführung,<br />
Versorgung, Lehre und Medizin. Das Ereignis, das dieser Mythos heraufbeschwört, folgt jenem<br />
Ereignis, das ein anderer Mythos referiert, welches das Verhältnis des Menschen zu den<br />
Tieren begründet: die Wiederherstellung der Erde und der Landlebewesen nach der Sintflut,<br />
welche die erste Schöpfung Manitus außer den in der Luft und im Wasser lebenden Tieren unter<br />
dem Meer begrub.<br />
Nach der zweiten Schwangerschaft einer Geistfrau, die zwei Menschen unter ihrem Herzen<br />
trug, erbarmten sich die Tiere, welche die Katastrophe überlebt haben, der erschöpften Geistfrau<br />
und sandten die Schildkröte zur Meeresoberfläche, damit sich die Geistfrau auf ihrem<br />
Rücken ausruhen könne. Dorthin kamen auch die Tiere, welche die Geistfrau bat, Erde vom<br />
Grund des Meeres heraufzuholen. Zuerst versuchte der Biber sein Glück, dann der Marder,<br />
dann der Seetaucher und endlich die Bisamratte, der es gelang, ein Körnchen Erde heraufzuholen,<br />
das die Geistfrau vermehrte und an die Stelle des Schildkrötenrückens setzte. Bis zu diesem<br />
Ereignis bringt der Mythos ein Tier aus der Gruppe der Medizinmanntotems, drei Tiere<br />
aus der Gruppe der Versorgertotems und ein Tier aus der Gruppe der Häuptlingstotems ins<br />
Spiel. Die Geistfrau schenkte einem Jungen und einem Mädchen, den ersten Menschen nach<br />
der großen Flut, das Leben, die von den Tieren versorgt werden, die gleichfalls wiederbelebt<br />
worden sind. Als die Kinder im Winter zu verhungern drohen, opfert sich der Bär, mit dessem<br />
Fleisch die Kinder den Winter überstehen. Der Bär ist ein Vertreter der Kriegertotems. Die<br />
Geistfrau kehrt, nachdem die Kinder erwachsen geworden sind und sich fortzupflanzen begonnen<br />
haben, in den Himmel zurück; und Mensch und Tier leben in paradiesischer Solidarität.<br />
Dieser Zustand wird das erstemal getrübt als eine Seuche die Menschen dahinrafft und Odaemin<br />
im Land der Seelen Hilfe holen muß, die Manitu in Gestalt des Nanabush, seines<br />
Vermittlers schickt, der neben den vielen anderen Künsten dem Menschen die Heilkunst<br />
schenkt. Aus dem urzeitlichen Paradies vertreibt sich der Mensch schließlich selbst als sein<br />
Egoismus und seine Undankbarkeit gegenüber den Tieren, d.h. seine fortgesetzten Verstöße<br />
gegen die Großen Gesetze Manitus, welche die Harmonie des All garantieren, die Rebellion der<br />
Tiere gegen den Menschen heraufbeschwören, in der ihm die Tiere nicht nur ihre Leistungen<br />
aufkündigen, sondern ihm auch den Krieg erklären. Seitdem vermag sich der Mensch nur noch<br />
auf dem Weg des Ritus und des Kultes mit den Wesen des Kosmos zur Übereinstimmung zu<br />
bringen, und zu dieser Bemühung, ohne die das Zusammenleben von Mensch und Natur nicht<br />
mehr möglich ist, zählt auch die persönliche Vision, ohne die auch der Zutritt zu verschiedenen<br />
Geheimgesellschaften verwehrt bleibt.<br />
67 C.Levi-Strauss, Das Ende des <strong>Totemismus</strong>, ibid, S.31-5<br />
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