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Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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und Differenzierung von Gruppen, Status und Rollen, zeitlich den letzten der genannten Theorietypen<br />

darstellt, dann darf man sagen, daß diese drei Erklärungsversuche des <strong>Totemismus</strong><br />

von Anfang an die wissenschaftliche Beschäftigung mit ihm geprägt haben, und mit der Differenzierung<br />

der <strong>Totemismus</strong>theorien durch Sigmund Freud in nominalistische, soziologische<br />

und psychologische Theorien, welche letzteren vor allem die religiöse Funktion (d.h. das Offenbarungserleben,<br />

seine kollektive Organisation und das individuelle Verhältnis zum Heiligen,<br />

das selbst wiederum als soziale Tatsache genommen werden kann), in den Vordergrund stellen,<br />

übereinstimmen.<br />

<strong>Totemismus</strong>theorien<br />

nominalistische soziologische psychologische<br />

Garcilaso de la Vega S.Reinach J.Long<br />

A.K.Keane E.Durkheim J.G.Frazer I<br />

J.Pickler A.C.Haddon J.G.Frazer III<br />

H.Spencer J.G.Frazer II F.Boas I<br />

J.Lubbock A.Lang II A.C.Fletcher<br />

J.W.Powell<br />

P.Morice<br />

A.Lang I<br />

C.Hill-Tout<br />

F.Boas II<br />

G.A.Wilken<br />

L.Adam<br />

G.Tesmann A.A.Goldenweiser R.S.Rattray<br />

Ankermann II G.Tessmann A.A.Goldenweiser<br />

C.Levi-Strauss R.Thurnwald Ankermann I<br />

C.Levi-Strauss S.Freud<br />

R.Thurnwald<br />

G.Roheim<br />

4<br />

Seit Frazers früher Definition<br />

des Totems (Ableitung des <strong>Totemismus</strong><br />

vom Alter-Ego- oder<br />

Außenseelenglauben) hat sich<br />

die Vorstellung über seine<br />

Funktion weitgehend verändert.<br />

Ein Totem ist mit Frazer eine<br />

Gruppe natürlicher Gegenstände<br />

(a class of material objects), die<br />

ein "Wilder" (savage) mit Ehrfurcht<br />

betrachtet, weil er glaubt,<br />

daß zwischen ihm selbst und<br />

jedem Element oder Mitglied<br />

jener Gruppe eine innige und<br />

umfassende Beziehung besteht.<br />

Das Totem faßt also eine<br />

Gruppe von Gegenständen hinsichtlich<br />

einer Relation zum Menschen zusammen, die durch Achtung gekennzeichnet, durch<br />

Verwandtschaft begründet und als Abzeichen genutzt wird, und bezeichnet sie demenstprechend.<br />

Es bringt das angenommene, erfahrene oder überlieferte Verhältnis des Individuums zu<br />

diesen Objekten mit den entsprechenden Hinweisen zum Ausdruck und damit auch den sozialen<br />

Status des Menschen, der durch seine totemistische Beziehung charakterisiert wird. "As a<br />

system of religion it embraces the mystic union of the savage with his totem; as a system of<br />

society it comprises the relations in which men and women of the same totem stand to each<br />

other and to the members of other totemic groups." 2 Diese Definition Frazers korrespondiert<br />

mit der religiösen, sozialen und nominalen Funktion des Totems, sie faßt seine drei Bestimmungsversuche:<br />

Weiterbildung des Außenseelenglaubens, alternative Form der Subsistenzmagie<br />

und alternatives Konzeptionsmodell, das auf Unkenntnis der Vaterschaft beruht, zusammen,<br />

und ist nicht zuletzt auch deshalb soziologisch gegenwärtig geblieben. Auch seine Differenzierung<br />

der Formen oder Typen des <strong>Totemismus</strong>: Individual-, Sexual-, Clan-, Kultgruppen<br />

(Lodges)-, Phratrien- oder Hälften-, Split- und Cross- <strong>Totemismus</strong>, ist bis heute im Gebrauch.<br />

Von McLennan, 3 über den frühen Frazer und Robertson- Smith, 4 Salomon Reinach 5 bis zu<br />

Durkheim 6 begreifen die psychologischen und soziologischen Deutungsversuche den <strong>Totemismus</strong><br />

zunächst als Religionsform, mit Durkheim sogar als die primitivste und einfachste Form<br />

der Religion, weshalb der Auffassungswandel gegenüber dem <strong>Totemismus</strong> an der Stellungnahme<br />

gegenüber der religiösen Funktion des <strong>Totemismus</strong> besonders gut abgelesen werden<br />

kann. Die religiöse Funktion wird an der Verehrung der natürlichen Erscheinung oder des in ihr<br />

2 J.G.Frazer, The Origin of Totemism, Fortnightly Review April, May 1899, S.101<br />

3 J.F.McLennan, The Worship of Animals and Plants, The Fortnightly Review, 6 u.7,<br />

London 1869-70<br />

4 W.Robertson- Smith, The Religion of the Semites, London 1907<br />

5 S.Reinach, Culte, Mythes et Religions, I-IV, Paris 1909<br />

6 E.Durkheim, Die elementaren Formen des religiösen Lebens, Frankfurt 1981

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