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Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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einheiratenden Frauen. So erinnern die Noreshi der Frauen an das Allianzverhältnis ihrer Abstammungsgruppe.<br />

Zu dieser Schlußfolgerung, zu der uns die Noureshi-Erbregel führte, führt uns aber auch die<br />

Theorie der Yanomamö vom Wesen und der Erscheinung der Welt, d.h. ihre Kosmologie.<br />

Schuster und Zerries weisen in ihrem Forschungsbericht "Mahekodotedi" (München 1974)<br />

darauf hin, daß die Waika über die Herkunft der Tiere zwei Aussagen gemacht haben: 1. Die<br />

Tiere sind aus den Menschen hervorgegangen. 2. Die Tiere sind Inkarnationen ihrer in der Urzeit<br />

geschaffenen Eidola, Bildseelen, wie sie Schuster und Zerries nennen, no udibe in der<br />

Sprache der Waika. 61 Bezieht man diese Aussagen auf die einheimische Theorie vom Wesen<br />

des Menschen, dann stimmen beide Aussagen überein. Chagnon macht auf die folgenden Unterscheidungen<br />

aufmerksam: uhii= Wille, Selbst; no-uhudi (bei Schuster, Zerries no udibe)=<br />

Eidolon (Bildseele) und noureshi (nonish, noneshi bei Schuster, Zerries)= Außenseele (Alter<br />

Ego). Stirbt der Mensch, dann wandert sein uhii, der jetzt no borebö heißt, in den Himmel, die<br />

no-uhudi löst sich während der Leichenverbrennung vom Körper und geht dann, aber<br />

nur,wenn das Bestattungsritual richtig ausgeführt worden ist, zu ihrem Bestimmungsort; andernfalls<br />

spukt sie auf der Erde herum.<br />

Die urzeitlichen und höheren Menschen, welche die Verwandlungsgabe besaßen, wurden nach<br />

einem Vergehen, über das die Mythologie jeweils berichtet, als Strafe auf die Gestalt fixiert, in<br />

die sie sich verwandeln konnten, d.h. ihre Bildseele wurde von dem typisch menschlichen uhii<br />

getrennt, so daß sich die Bildseele nur noch mit der Bildseele verkörpern konnte, die ihr zum<br />

Schicksal geworden ist, während an die Stelle des menschlichen uhii der Tiergeist getreten ist,<br />

in den das Pendant des menschlichen Geistes jenes Urmenschen verwandelt worden ist. Zum<br />

1 noureshi no uhudi<br />

2 noureshi<br />

3 noureshi<br />

n+1 noureshi<br />

hekula<br />

Eidolon der Spezies steht das noureshi in der<br />

Relation eines Exemplars. Aus den Heroen der<br />

Urzeit sind die in die Tiergeister, hekula,<br />

verwandelten Heroen geworden, welche die Art,<br />

der sie vorstehen, mit immer neuen Exemplaren<br />

versehen, nicht zuletzt dank der Beziehungen, die<br />

sie zu den verbliebenen Menschen als Mitregenten<br />

der kosmologischen Ordnung aufrechterhalten<br />

haben. Während Zerries der Außenseele<br />

der Waika in früheren Schriften nur die Raubvogelart<br />

"mohoma" reserviert hat, bestätigt er zusammen<br />

mit Schuster in "Mahekodotedi" die Beobachtungen Chagnons, denen er außerdem<br />

noch ähnliche Auffassungen der Shiriana an die Seite stellt. 62 Die Kombination: noureshi--nouhudi--uhii,<br />

der Wesen der Urzeit, hat sich im Falle der Tiere geteilt, und zwar einerseits in<br />

den von allen Tieren getrennt weilenden hekula und andererseits in die noureshi- no-uhudi<br />

Einheit (siehe Schema nebenan).<br />

Schuster und Zerries geben eine längere Liste der hekula der einzelnen Tierarten wieder. 63<br />

Dieser durch die hekula veranlaßten Tierverkörperung korrespondiert die der Menschen, welche<br />

über die Außenseele mit der Verkörperung der Tiere gekoppelt ist.<br />

Es korrespondieren Selbst und Tiergeist als Zentren persönlichen Wirkens, Gruppen- und<br />

Speziesseele als funktionale Äquivalente in der Kultur und in der Natur, während die Außenseele<br />

das beide Ebenen verbindende Element repräsentiert.<br />

Die Vererbungsregel des noureshi korrespondiert mit dem allgemeinen Seelenkonzept und<br />

differenziert die einzelnen Gruppen nach Arten, die auf diese Weise eine besondere Verbundenheit<br />

der Gruppe mit einem hekula zum Ausdruck bringen, den diese Gruppe bei den Ver-<br />

61 Schuster, Zerries, Mahekodotedi, München 1974, S.267-8<br />

62 Siehe: Schuster, Zerries, Mahekodotedi, ibid, S.160<br />

63 Siehe: Schuster, Zerries, Mahekodotedi, ibid, S.268-272<br />

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