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Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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Religion der Menschheit geliefert hat," 57 und damit die Aussagen von Ankermann und Goldenweiser<br />

spezifisch eingeschränkt: "totemism... not presenting in its make- up any new<br />

principle not found in other cultural phenomena,." 58 nach der der <strong>Totemismus</strong> nicht nur auf<br />

religiösem Gebiet unproduktiv gewesen sei, sondern auch auf sozialem und kulturellem (siehe<br />

Ankermannzitat oben).<br />

Hinsichtlich der religionsgeschichtlichen Bedeutung ist eine ähnliche Übereinstimmung bei<br />

unterschiedlichen theoretischen Standpunkten festzustellen wie im Falle der nominalen Funktion,<br />

die der <strong>Totemismus</strong> zu erfüllen hat. Dasselbe Beispiel, das die religionsgeschichtliche<br />

Hypothese von Ankermann (Vertreter der kulturhistorischen Methode), nach welcher der <strong>Totemismus</strong><br />

weder eine Religion noch ein Kult sei, nur unter Vorbehalt gestützt hat, nämlich der<br />

polynesische <strong>Totemismus</strong>, offenbart gleichzeitig die Grenzen jener Argumentation von Frazer<br />

(evolutionäre Perspektive), in der er die soziale zulasten der religiösen Bedeutung des Phänomens<br />

herausstellt und die im Grunde auf das gleiche Resultat hinaus will, nämlich die Negation<br />

der religiösen Natur des <strong>Totemismus</strong>, weil die Spezies bei den Polynesiern in ihrer totemistischen<br />

Funktion nur unter der Bedingung erscheinen, daß sie die Gruppe mit ihrer Gottheit<br />

in Beziehung bringen. Frazers Begründung kann ebenso wenig verallgemeinert werden wie die<br />

von Ankermann, nach der das Totem nur ein Merkmal (Name) einer Sippe ist und nichts<br />

außerdem, da speziell dort, wo das Totem soziale Gruppen zusammenfaßt, auch andere Kritierien<br />

als jene des Totems in dieser Funktion neben dem Totem zugleich gebräuchlich sind, was<br />

die Frage aufwirft: Weshalb dann diese eigentümliche Nomenklatur? Wenn nun aber der<br />

<strong>Totemismus</strong> das Ergebnis der Übernahme der Nomenklatur einer Institution ist, welche mit ihr<br />

die Übernahme der Institution zugleich ausschließt, um das politische System von Gruppen abzubilden,<br />

welche ihre sozialen Binnenbeziehungen in Kategorien der Verwandtschaft ausdrücken,<br />

dann widersprechen die Aussagen, welche die religiöse Funktion des <strong>Totemismus</strong> negieren,<br />

keineswegs jenem Postulat von Radcliffe-Brown, nach dem die Nomenklatur des<br />

<strong>Totemismus</strong> von den Religionen der Wildbeutervölker entwickelt worden ist. Auch für diese<br />

Theorie steht fest, daß der <strong>Totemismus</strong> seine eigene Nomenklatur nicht ohne Rückgriff auf Bestehendes<br />

hätte entwickeln können. Um seine soziale Funktion erfüllen zu können, mußte die<br />

aus der religiösen Weltanschauung entlehnte Nomenklatur einen Bedeutungswandel durchmachen,<br />

was den <strong>Totemismus</strong> zugleich auch zu einem etymologischen Problem macht.<br />

Die Verwendung natürlicher Kategorien zur sozialen Selbstbezeichnung und Differenzierung<br />

erscheint als <strong>Totemismus</strong> nur unter der Bedingung ihrer Beziehung auf unilineare Deszendenzund<br />

Residenzregeln sowie auf die von den Abstammungsgruppen favorisierten Heiratsregeln.<br />

Damit kommt diesen sozialen Regeln eine Transformationsfunktion zu, die aus einer natürlichen,<br />

aber nicht totemistischen Nomenklatur eine totemistische macht, und zwar ganz<br />

unabhängig von dem System, das diese Nomenklatur ursprünglich hervorgebracht hat. Offensichtlich<br />

korrespondiert der <strong>Totemismus</strong> mit der Einrichtung der unilinearen Korporation, worauf<br />

nach Morgan dann auch Boas hingewiesen hat, allerdings nur unter der Bedingung, daß sie<br />

zu ihrer Darstellung auf ein symbolisches System zurückgreifen muß, welche seine Welt in<br />

natürlichen Kategorien reflektiert, d.h. dann allgemein: ohne ihre notwendige Begleiterscheinung<br />

zu sein.<br />

Das Phänomen <strong>Totemismus</strong> setzt demnach zwei unterschiedlich wirksame Bedingungen voraus:<br />

die notwendige Bedingung der Reflexion vorzugsweise in natürlichen Kategorien, die aber<br />

nicht ausreicht, es hervorzubringen, und die zureichende Bedingung der Korrelation der<br />

notwendigungen Bedingung mit den genannten sozialen Regeln: unilineare Deszendenzregel<br />

(und manchmal auch Residenzregel und Exogamie). Keine dieser beiden Bedingungen vermag<br />

den <strong>Totemismus</strong> für sich allein hervorzubringen, aber in eine komplementäre Beziehung gebracht,<br />

können sie die verschiedenen Formen des <strong>Totemismus</strong> hervorbringen.<br />

57 J.Haekel, Der heutige Stand des <strong>Totemismus</strong>problems, ibid, S. 45<br />

58 A.A.Goldenweiser, Form and Content in Totemism, American Anthropologist, 20, 1918, S.284<br />

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