Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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damit die Behauptung von Levi-Strauss selbst, daß deren Vermischung nur die <strong>Illusion</strong> einer<br />
Wissenschaft sein kann, welche diesen Unterschied ignorierte, die Levi-Strauss im Falle der<br />
Ethnologie die "totemistische <strong>Illusion</strong>" nennt und die er allein der Ethnologie und Ethnographie<br />
anlastet. Dieser Vorwurf hätte nur dann eine Chance auf Geltung, wenn die Modelle zeitgenössischer<br />
abendländischer Wissenschaft auch verbindlich wären für das "wilde Denken".<br />
Der berühmte französische Autor argumentiert: "Wenn man vom <strong>Totemismus</strong> spricht, wirft<br />
man tatsächlich zwei Probleme durcheinander. Zunächst das der häufigen Identifizierung<br />
menschlicher Wesen mit Pflanzen und Tieren, das auf sehr allgemeine Ausblicke auf die Beziehung<br />
des Menschen und der Natur verweist; diese interessieren die Kunst und die Magie<br />
ebensosehr wie die Gesellschaft und die Religion. Das zweite Problem ist das der Benennung<br />
der Gruppen, die auf Verwandtschaft gegründet sind, eine Benennung, die mit Hilfe von Tierund<br />
Pflanzennamen, aber auch auf ganz andere Art und Weise vor sich gehen kann. Der <strong>Totemismus</strong><br />
deckt nur die Fälle, in denen die beiden Ordnungen übereinstimmen." 54<br />
Während Radcliffe-Brown den <strong>Totemismus</strong> als der Ergebnis einer spezifischen Lösung jener<br />
zwei Probleme: 1. "the problem of the way in which in a particular society the relation of human<br />
beings to natural species is represented",...2. "how social groups come to be identified<br />
by connection with some emblem, symbol or object", charakterisierte, degradierte Levi-Strauss<br />
jeden Versuch einer Erklärung der Übereinstimmung oder Kombination dieser beiden verschiedenen<br />
Probleme oder Funktionen auf eine intellektuelle Verwechslung und damit auf eine<br />
Selbsttäuschung, obwohl man dem Befund dieser Übereinstimmung "beider Ordnungen"<br />
keineswegs ihre Verwechslung notwendigerweise unterschieben kann und dieser Befund außerdem<br />
keine Garantie für das Vorhandensein eines der Konvention nach bestimmten <strong>Totemismus</strong><br />
bieten kann, woran das Noreshi der Yanomamö erinnert, weshalb auch die Übereinstimmung<br />
in diesem Falle nicht der sog. <strong>Illusion</strong> angelastet werden kann, da jene, die sich auf<br />
diese Weise täuschen sollen, nicht die Wissenschaftler sind, und diese im Hinblick auf die Übereinstimmung<br />
der beiden Ordnungen bei den Yanomamö die totemistische Form von der nichttotemistischen<br />
Form der Übereinstimmung wohl zu unterscheiden wissen.<br />
Die Geschichte dieser <strong>Illusion</strong> beginnt, so Levi-Strauss, mit der Verwechslung und Vermischung<br />
zweier Begriffe der Ojibwasprache: ototeman= zur selben Sippe gehörig, und: nigouimes=<br />
individueller Schutzgeist. Long beschrieb das Totem so: "One part of the religious<br />
superstition of the savages consists in each of them having his >totamtotam< they conceive assumes the shape of some<br />
beast or other, and therefore they never kill, hunt or eat the animal whose form they think the<br />
>totam< bears." 55 Long vermischte, so behauptet Levi-Strauss, die 2. und 3. Alternative der<br />
logischen Operationen seiner Matrix einer Abbildung von Institutionen in natürlichen Kategorien;<br />
und nach dieser Vermischung hat die Völkerkunde nicht mehr aufgehört, das Benennungssystem<br />
sozialer Einheiten nach den natürlichen Kategorien aus den verschiedenen Systemen<br />
religiöser, magischer und sozialer Praxis abzuleiten (Kraftglaube, Ahnenkult, Wiedergeburtsglaube,<br />
Seelenwanderung, Clanordnung, etc.) und damit gleichfalls nicht aufgehört, das<br />
eine Phänomen auf das andere zu reduzieren, obwohl jeder dieser Versuche schließlich zu der<br />
Feststellung geführt hat, daß sein Bezugssystem auch ohne die Tier- oder Pflanzennomenklatur<br />
existiert und daß diese eigentümliche Form der sozialen Nomenklatur, nämlich die Abbildung<br />
sozialer Verhältnisse in Verhältnissen natürlicher Arten, auch ohne die geforderten sozialen Bezugssysteme,<br />
d.h. allerdings dann nicht in der Funktion einer sozialen Nomenklatur, vorkommt,<br />
womit eigentlich schon die differentia specifica des <strong>Totemismus</strong> angezeigt wird.<br />
Goldenweiser nennt Beispiele für die problematischen Fälle: Exogame Clans ohne <strong>Totemismus</strong><br />
(Khasis, Meitheis, Cros Ventres, etc.), Tier- und Pflanzenkult ohne <strong>Totemismus</strong> (Gilyaken,<br />
Koryaken etc.), totemistische Clans ohne Totemnamen (Omaha, Nandi, Azande, Kiziba etc.),<br />
54 C.Levi-Strauss, Das Ende des <strong>Totemismus</strong>, ibid, S.19-20<br />
55 J.Long, Voyages and Travels of an Indian Interpreter, London 1791, S.86<br />
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